Branson verliess am Sonntag mit seinem Raumflugzeug VSS Unity in den USA den Erdboden, um in rund 80 Kilometern Höhe die Grenze zwischen Atmosphäre und Weltraum zu erreichen. Nach rund einer Stunde landeten Branson und seine fünf Begleiter, darunter zwei Piloten, wieder auf der Erde.
Aber kein Mensch hat mehr Geld als Jeff Bezos. Alles, was es auf der Erde zu kaufen gibt, kann er sich leisten. Doch die Erde ist ihm nicht genug. Am 20. Juli wird sich der Multimilliardär in ein Raumschiff setzen, das auf der Spitze einer mit hochexplosivem Treibstoff vollgetankten Rakete angebracht ist. Dann wird der Countdown heruntergezählt. Bei null erfolgt die Zündung. Und Bezos wird, sofern er von einer Katastrophe verschont bleibt, in den Weltraum katapultiert.
Mitreisen wird auch sein Bruder Mark. Das klingt fast schon nach sommerlichen Familienferien. Doch ganz unter sich werden die beiden nicht sein. Zu den Passagierinnen der Raumfähre gehört auch die 82-jährige Wally Funk. In den 60er-Jahren war sie die Topanwärterin für einen Flug in den Orbit. Letztlich entschied sich die Nasa aber aufgrund ihres Geschlechts gegen sie. Nun wird ihr Traum dennoch wahr - dank Bezos' privatem Weltraumunternehmen Blue Origin. Das ist gut fürs Marketing.
Gut fürs Geld ist, dass ein weiterer Passagier mitfliegen darf, der sich seinen Sitz ersteigert hat. 28 Millionen Dollar zahlt ein bis dato unbekannter Weltraumtourist für den Trip. 7600 Personen aus 159 Ländern haben mitgeboten. Ob auch Schweizer dabei waren, will Blue Origin auf Anfrage nicht verraten, aber wahrscheinlich ist es. Schliesslich ist der Weltraum eine teure Tourismusdestination, und bekanntlich sind die Multimillionäre in der Schweiz nicht allzu spärlich gesät.
Wobei man sich diese Luxusreise nicht als ausgiebigen Wellnessaufenthalt vorstellen darf - eher als eine überirdische Achterbahnfahrt. Man wird mit der Kraft von über 3 G in den Sitz gepresst, kämpft womöglich mit Übelkeit, steigt hundert Kilometer hoch, geniesst zwei Minuten Schwerelosigkeit, sieht die Erde als Kugel und fantasiert womöglich - wie das Astronauten gern tun - den Weltfrieden herbei. Zehn Minuten nach dem Start landet man auch schon wieder.
Um ins All zu fliegen, hat Bezos vor über 20 Jahren die Firma Blue Origin gegründet. Den Trip in die Schwerelosigkeit hätte er einfacher haben können. Die Russen haben schon sieben Touristen auf die Internationale Raumstation ISS transportiert - für jeweils 50 Millionen Dollar. Das wäre ein Klacks für Bezos, dessen Vermögen auf über 200 Milliarden Dollar geschätzt wird. Doch für den Amazon-Gründer geht es nicht einfach darum, ins All zu fliegen, sondern es aus eigener Kraft zu schaffen.
Ärgerlich für Bezos ist, dass ihm kurz vor dem Erfolg ein anderer Raumfahrtmilliardär die Show stehlen könnte. Nachdem Bezos angekündigt hatte, dass er am 20. Juli, am Tag der ersten Mondlandung, in den Weltraum aufbrechen will, vermeldete der Brite Richard Branson, dass er mit seinem SpaceShipTwo bereits am 11. Juli fliegen werde. Das ist eine Kampfansage.
Die superreichen Raumfahrer gönnen sich nichts. Zu ihnen zählt auch Elon Musk. Als einzige Privatfirma hat seine Firma SpaceX bisher Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS transportiert; selber in den Weltraum geflogen ist Musk bisher nicht. Als Blue Origin im Frühling mit Rückschlägen zu kämpfen hatte, stichelte Musk auf Twitter gegen Bezos:
«Für Elon Musk sind die Weltraumtourismus-Projekte von Jeff Bezos und Richard Branson Kinderkram», sagt Oliver de Weck, Professor für Raumfahrttechnologie am MIT in Boston. Mit SpaceX will Musk Touristen nicht bloss für einen Moment in die Schwerelosigkeit schicken, sondern sie im Raumschiff Crew Dragon drei Tage lang um die Erde kreisen lassen. 2023 will er ihnen sogar eine Mondumrundung ermöglichen. Der japanische Kunstsammler und Milliardär Yusaku Maezawa hat bereits eine Anzahlung für sein Ticket geleistet. Ob Musk mit an Bord sein wird, hat er bisher nicht verraten.
«Es ist ein starkes Statement, dass sich Bezos und Branson selber in ihre Raumschiffe setzen», sagt de Weck. Damit würden sie demonstrieren, dass sie auf ihre Technologie vertrauten und sie sicher sei. Denn Raumfahrt ist noch immer alles andere als ungefährlich. 2014 erlebte Branson einen schweren Rückschlag, als sein SpaceShipTwo in der Luft auseinanderbrach, abstürzte und ein Pilot dabei ums Leben kam.
Technisch funktionieren die beiden Raumfähren sehr unterschiedlich. Blue Origin setzt auf eine klassische Rakete, die Eigenentwicklung New Shepard. Sie startet senkrecht und kehrt, nachdem der Tank leergebrannt und das Raumschiff sich abgekapselt hat, selbstständig zur Erde zurück. Die Kapsel mit den Passagieren landet wenige Minuten danach in der texanischen Wüste. Virgin Galactic hingegen hat ein Trägerflugzeug entwickelt, welches das eigentliche Raumschiff, das SpaceShipTwo, auf eine Höhe von 15 Kilometern bringt, bevor es sich abkapselt und sein Raketentriebwerk zündet.
Während sowohl das Trägerflugzeug als auch das SpaceShipTwo von einem Piloten gesteuert werden, fliegt die Crewkapsel von Blue Origin vollständig im Autopiloten. «So unterschiedlich die beiden Raumfähren auch funktionieren, ich glaube nicht, dass eine Firma einen klaren Vorteil hat», analysiert de Weck. Ähnlich sieht das Claude Nicollier, der viermal für die ESA im Weltraum war und heute an der ETH Lausanne als Professor Weltraumtechnologie unterrichtet. Er sagt:
Aus persönlichen Gründen würde er aber das Flugzeug von Branson der Rakete von Bezos vorziehen (siehe Interview).
Ein Ticket ins Weltall kostet rund 250000 Dollar. Beide Firmen haben bereits Wartelisten von mehreren hundert Passagieren. «Bald könnten die Flüge schon wöchentlich stattfinden», sagt de Weck. Analysten schätzen, dass es rund eine Million potenzielle Weltraumtouristen gibt, welche sich ein Ticket leisten können und gewillt sind, ins All zu fliegen. Bis 2030 könnten damit jährlich acht Milliarden Dollar umgesetzt werden, sofern es keine gravierenden Rückschläge gibt. Eine Explosion beim Start oder ein Absturz mit Toten könnte die ganze Branche um Jahre zurückwerfen. Ausgeschlossen ist das nicht - Raumfahrt ist unberechenbar. (aargauerzeitung.ch)
Aber das persönliche Erlebnis des Anblickes unseres blauen Planeten kann auch ein tiefes Bewusstsein für die Erde 🌍 hervorrufen.
Die Schilderungen der Astronauten von Apollo 8 (die Erde als Juwel im All wurde erst 1968 erstmals fotografiert und der Menschheit ins Bewusstsein gebracht) waren sehr eindrucksvoll.
Gerade wenn die schwerreichen Mächtigen dadurch eine Demut gegenüber dem Planeten entwickeln, könnte es eine Wende zum Guten geben.
Aber vielleicht bleibt das ein Traum.