An Karfreitag landet bei vielen Menschen Zuchtlachs auf dem Teller, der in der Werbung oft als nachhaltige Lösung für die Ozeane beworben wird. Denn im Unterschied zu Wildlachs wird Zuchtlachs in Aquakulturen gezüchtet – und muss nicht aus den Weltmeeren gefischt werden.
Doch ist Zuchtlachs wirklich nachhaltig? Und bewahrt er die Meere vor der Überfischung? Die kurze Antwort: Es ist kompliziert.
Eine neue Folge von «Mit offenen Daten» des deutsch-französischen Senders Arte deckt auf, dass auch der europäische Zuchtlachs hinsichtlich des Umweltaspektes nicht der Heilige Gral der Fischindustrie ist. Die Erkenntnisse der Recherche:
Das grösste Problem für die Umwelt ist die Nahrung, mit der die Zuchtlachse in den Aquakulturen gefüttert werden: Der Lachs ist ein Raubfisch, das bedeutet, er ernährt sich von anderen Fischarten. In der Zucht erhält der Fisch sein Futter in Form von Fischöl- und Fischmehlkörnern.
Und um dieses Futter für Zuchtlachse herzustellen, müssen erst tonnenweise andere Fische gefangen werden – meist weit weg von Europa.
Einer der weltweit grössten Exporteure von Fischmehl ist Mauretanien. Westafrika ist zwar reich an Fisch, doch die Hauptnahrung der Zuchtlachse, die Goldsardine, gehört seit 2016 zu den von Überfischung bedrohten Fischarten.
Trotzdem werden noch immer Tonnen an Goldsardinen gefangen, in Turbinen geschreddert und zu Öl und Mehl weiterverarbeitet. Um dann an Zuchtlachse verfüttert zu werden, die wiederum auf unseren Tellern landen.
Nouadhibou ist die zweitgrösste Stadt Mauretaniens und besitzt den grössten Hafen des Landes. Der Arte-Recherche zufolge entstand hier 2005 die allererste Fischfabrik. Seit 2012 erlebt die Hafenstadt einen regelrechten Fischfabriken-Boom – aller Warnungen zum Trotz. Mittlerweile zeigen Satellitenbilder 28 Fabriken, die hauptsächlich Investoren aus China, der Türkei und Marokko gehören.
Besonders brisant: Für 1 Kilogramm Fischmehl benötigen die Fabriken zwischen 4 und 5 Kilogramm Wildfisch. 2020 haben die Fabriken in Nouadhibou fast 830'000 Tonnen Fisch gefangen – das entspricht zwei Dritteln des Fischfangs in mauretanischen Gewässern.
Dabei wurde bereits 2015 eine Obergrenze eingeführt, um die Sardinenbestände zu schützen: Die Fabriken dürfen jährlich jeweils nicht mehr als 2000 Tonnen Fischmehl produzieren. Doch kaum eine der Fabriken hält sich an diese Quote, wie ein von Arte veröffentlichtes Dokument zeigt. Einige der Fabriken produzierten 2017 sogar noch immer 30'000 Tonnen Fischmehl.
Doch nicht nur die Meere, auch die Menschen und die Tiere selbst leiden unter der Produktion des Zuchtlachs-Futters.
Arte analysierte Abwasserberichte der Küstenstadt, welche zeigen, dass die Grenzwerte der Abwasserverschmutzung deutlich überschritten werden. Dies könnte damit erklärt werden, dass immer wieder tausende verendete Jungfische an die Küste Mauretaniens geschwemmt werden, wie Videos zeigen.
Zudem ist die Ernährungssicherheit der Bevölkerung vor Ort bedroht, da mit den eingesetzten Fangbooten bis zu 400 Tonnen Fisch pro Fahrt aus dem Meer entnommen werden können.
Sobald der Wildfisch zu Mehl oder Öl verarbeitet wurde, wird er zu 98 Prozent ins Ausland exportiert – vorwiegend nach China. Doch den mauretanischen Behörden zufolge gelangen 23 Prozent der exportierten Menge nach Europa. Dies, obwohl die Weltnaturschutzunion IUCN, zu der auch die Schweiz gehört, die Goldsardine in Westafrika als gefährdet einstuft.
Der Hauptproduzent von Zuchtlachs in Europa ist Norwegen. 2022 hat das skandinavische Land 1,4 Millionen Tonnen Lachs gezüchtet – und in alle Welt exportiert.
Auch die Schweiz ist ein Abnehmer von Zuchtlachs aus Norwegen. Der Lachs gehört hierzulande nicht nur zum beliebtesten, sondern auch zum meistimportierten Fisch.
Wie der Zuchtlachs gefüttert wurde, wird bei den meisten Produkten im Supermarkt nicht auf die Verpackung gedruckt – geschweige denn, woher das Futtermittel stammt.
Aber biologisch gezüchteter Lachs ist bestimmt besser? Leider ist das ein Irrtum. Der Recherche zufolge werden die Bio-Zuchtfische zu 70 Prozent mit Fischmehl- und Ölkörnern gefüttert, die herkömmlichen Zuchtfische erhalten davon nur 20 Prozent. Die restliche Nahrung bestehe bei den nichtbiologischen Zuchtfischen aus Pflanzenmehl, das aber oftmals aus genmanipulierten Kulturen stamme.
Arte kommt zum Schluss, dass in jedem Kilogramm Bio-Zuchtfisch bis zu 4 Kilogramm Wildfisch stecken.
Hier kannst du die ganze Sendung nachschauen.
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