Im Kloster Klingental im Kleinbasel lebten im Spätmittelalter um die 40 adlige Nonnen in einer weitläufigen, am Stadtrand und Rheinufer gelegenen und von der Stadtmauer geschützten Anlage. Zum Klostereintritt wurden die Töchter von ihren Familien mit Gütern und Ländereien reich beschenkt. Das Vermögen durften die Nonnen nur innerhalb der Klostergemeinschaft weitervererben, weshalb das Interesse einer Familie gross war, gleich mehrere Töchter oder weitere Verwandte im Kloster Klingental zu wissen.
Die gebildeten Nonnen im Kloster Klingental hatten eine Begabung dafür, wie sie ihr Vermögen vermehren und das Kloster wirtschaftlich erfolgreich führen konnten. Sie kauften städtische Mühlen und ergiebige Rebberge und trugen dazu bei, dass ihr Kloster zum reichsten der Stadt aufstieg.
Einige Nonnen besassen wohnlich ausgestattete Zellen und behagliche Stuben. Mindestens zwei Klostervorsteherinnen liessen sich eigene Häuser errichten, die sie bewohnten. Die Klingentalerinnen lebten also alles andere als ein bescheidenes und asketisches Nonnendasein. Nebst Büchern gehörten weltliche Kleidung, Textilien, Schmuck und Silbergeschirr zu ihrem Privatbesitz. Diese Frauen waren dem wohlhabenden und weltlichen Leben sehr zugetan und nahmen sich die Freiheit, das Kloster für Verwandtenbesuche oder Badeaufenthalte zu verlassen. Anstelle des einheitlichen Klostergewands, dem Habit, trugen sie oft ihre private Kleidung.
Dass sie an der Fasnacht teilnahmen, Schosshündchen und Singvögel besassen sowie skandalös gegen die Ordensregel verstossen haben, entstammt wohl eher der Fantasie von eifrigen Kirchenmännern, waren doch solche Anschuldigungen willkommene Gründe, das Kloster einer Reform zu unterziehen.
1459 wurden erste Klagen über das allzu weltliche Leben der Klingentaler Nonnen, über eine Unordnung und einen Sittenzerfall im Kloster laut. Eine Nonne hätte gar ein Kind von einem Probst und Chorherr geboren. Daraufhin ordnete Papst Pius II. eine Untersuchung an und befahl, das Kloster Klingental zu reformieren. Hierfür beauftragte er den Bischof von Basel und die Predigermönche. Während der Bischof in dieser Sache untätig blieb, nahmen sich die Predigermönche dem Vorhaben an.
Postwendend klagten die Nonnen beim Papst, dass Reformmassnahmen unangebracht seien. So scheiterte bereits der erste Reformversuch am geschlossenen Widerstand der Nonnen, wie auch sämtliche bis 1471 in diese Richtung eingeleiteten Massnahmen. Die Auseinandersetzung zwischen den Befürwortern und den Gegnern zog sich noch etliche Jahre in die Länge und kulminierte im grossen Reformstreit von 1480 bis 1483.
Bei einer Visitation von Reformbefürwortern kam es im Kloster zum Eklat. Die damals 37 im Kloster lebenden Nonnen übertönten mit heftigem Lärm die vorgelesenen Verordnungen und entgingen damit deren Anhörung: denn was sie nicht hören konnten, sollte auch keine Gültigkeit haben. Mehr noch, sie drohten, bei einer anstehenden Reform ihr Kloster in Brand zu stecken. Diese heftige Reaktion blieb nicht ungestraft, die Nonnen wurden im Kloster inhaftiert.
Um die Veränderungen durchzusetzen, wurden 13 Nonnen aus dem Reformkloster Engelporten im elsässischen Gebweiler ins Klingental entsandt. Sie sollten strengere Regeln einführen und so das Kloster von innen heraus reformieren. Doch die gefangenen Klosterfrauen blieben standhaft und verweigerten sich diesen Reformbestrebungen.
Ihren Ämtern und Rechten entzogen, verliessen sie das Klingental und beklagten diesen Vorgang als Verletzung ihrer geistlichen Würde und ihres Standes. Aus der Ferne und trotz Exkommunikation durch den Papst führten die Klingentaler Nonnen ihren Protest im Hintergrund weiter und kämpften um eine Heimkehr. Hierfür fanden sie in der städtischen Bevölkerung, bei Geistlichen, bei Mitgliedern des Rats und bei ihren Familien breite Unterstützung.
In Basel wütete unterdessen ein emotional aufgeladener Kleinkrieg. Die streitbaren Nonnen wurden als «schamlose Weiber» und «Werkzeuge des Teufels» beschimpft, während diese den Reformschwestern den «Tod durch Erwürgen» androhten und ihnen unfähige Vermögensverwaltung sowie Bewirtschaftung vorwarfen, zumal unter den fremden Nonnen Zuwendungen wie Zinszahlungen an das Kloster und das Klostervermögen rapide abnahmen. Letztlich hatte auch die Stadt Interesse am Reichtum des Klosters.
Hartnäckigkeit und Ausdauer bewährten sich. Nach langen Verhandlungen im Exil wurde den Klingentalerinnen vertraglich zugesichert, dass die 13 Reformnonnen in ihr Herkunftskloster zurückkehren mussten. Die vertriebenen Nonnen durften wieder ins Kloster einziehen. Unterstützt wurden die Klingentalerinnen von Papst Sixtus IV. Dieser hob die Reform im Kloster Klingental 1482 endgültig auf.
Gegen die Aufhebung der Reform und die Rückkehr der widerspenstigen Nonnen protestierten nun die Reformnonnen mit einem Schreiben an den Papst. Darin monierten sie, dass ihnen Unrecht geschehe, und bestanden darauf, im Kloster zu bleiben. Bei der Heimkehr der Klingentalerinnen eskalierte die Situation jedoch. Sie warfen die Reformschwestern unter massiver Gewaltanwendung kurzerhand zum Kloster hinaus. Ihr jahrelanger Widerstand fand damit ein siegreiches Ende. Sie verklagten die Prediger der Reformschwestern auf Schadensersatz und erhielten auch in diesem Punkt Recht.
Die Reformschwestern beklagten sich weiterhin über das Unrecht, das ihnen widerfahren war, reisten aber schliesslich zurück in ihr Heimatkloster Engelporten. Dort wurde ihnen die Wiederaufnahme hingegen verweigert. Wohl deshalb, weil sie als entsandte Reformnonnen nicht erfolgreich waren. Erst nach längerer Zeit im Exil fanden sie Aufnahme im reformierten Kloster Stetten im Gnadental.
In Klingental kehrte hingegen das gewohnte, freiheitliche Leben in die Klostermauern zurück. Bis 1510 musste der städtische Rat die Klingentalerinnen in ihrem Lebenswandel wiederholt zurechtweisen. Nächtliche Ausflüge, Verwandten- und Stadtbesuche sowie Badeausflüge seien immer noch an der Tagesordnung gewesen.
Übrigens: Den Nonnen im Kloster Klingental ist es zu verdanken, dass Einzelheiten zu diesem zähen und emotionalen Reformstreit überliefert sind. Sie haben seit Anbeginn in ihrem Kloster ein Archiv angelegt, in welchem die Quellen zur Geschichte sorgsam aufbewahrt worden sind. Bis heute gehört es zu den umfassendsten mittelalterlichen Klosterarchiven der Schweiz.