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Kein Bett im Kornfeld. Meine Weizenallergie macht mich zum schlechtesten Gast der Welt. Und das tut mir leid

Ich, wenn ein Restaurant was Entsprechendes im Angebot hat.
Ich, wenn ein Restaurant was Entsprechendes im Angebot hat.bild: pinterest
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Kein Bett im Kornfeld. Meine Weizenallergie macht mich zum schlechtesten Gast der Welt. Und das tut mir leid

16.07.2015, 10:2816.07.2015, 10:28
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Angefangen hat der ganze Mist aus Stress. Gepaart mit einer guten erblichen Veranlagung, die das Einzige ist, was ich meiner Grossmutter jemals übel genommen habe. Ein paar Monate vergingen so, es war immer gleich, ich ging aus einem warmen Innenraum nach draussen, es war kühl und windig, mein ganzer Körper brach in juckende rote Pusteln aus, es fühlte sich an, als würde ich mich in Brennesseln wälzen.

Dann: Schwindel, Zusammenbruch, Bewusstlosigkeit, irgendwo, auf offener Strasse, mit Glück mal in einer netten Apotheke. Aufwachen im Spital, mit einer Infusion im Arm. Wer das an meiner Seite erlebt hat, ist nachhaltig traumatisiert.

Elend viele Untersuchungen ergaben: Es ist Weizen. Und das war das Schlimmste, was ich mir vorstellen konnte. Ich liebte Teig. Brot, Baguette, Croissants, Quiches, Wähen, Kuchen, kleine süsse Gebäcke, Apple Crumble, Crêpes, Mandel- oder Schinken-Gipfeli, enorm buttrigen Blätterteig vor allem, Pizza, Pasta, Wiener Schnitzel, Cordon Bleu, Pastetli, Filet im Teig. Und, und, und. Es gab ganze Wochen, in denen mich Bäckereien am Leben hielten. 

Auch ein schöner Grund gegen Gluten: «Wenn ich Gluten esse, bin ich total prüde!»
Auch ein schöner Grund gegen Gluten: «Wenn ich Gluten esse, bin ich total prüde!»bild: pinterest

Teig war mein Fetisch. Und dann war fertig. Höchstens ab und zu zuhause, bei geschlossenen Fenstern, ohne körperliche Anstrengung, am besten kurz vor dem Schlafengehen. Sonst: nichts. 

Und die Suche begann: nach Ersatzprodukten und -rezepten. Und der Spiessrutenlauf der vorauseilenden Entschuldigung. Die latent genervten Bemerkungen von privaten wie professionellen Gastgebern wie «Ach, dann kannst du auch keine Lasagne essen?» (Natürlich nicht!); «Hm, aber an der Sauce hätte es schon Mehl. Macht das was?» (Jaaaa!); «Also zur Vorspeise gibt es Crostini, da hab ich aber Chips für dich gekauft.» (Ich hab gefühlte tausend Tonnen Chips und Erdnüsse verdrückt in den letzten neun Jahren.); «Nein, ohne Brötchen können wir den Hackbraten wirklich nicht machen, wo denken Sie hin!»

Keiner flirtet so schön glutenfrei wie Ryan Gosling. Allerdings ist seine Allergie eine reine Erfindung von lustigen Menschen im Internet.
Keiner flirtet so schön glutenfrei wie Ryan Gosling. Allerdings ist seine Allergie eine reine Erfindung von lustigen Menschen im Internet.bild: pinterest

Sehr schön sind auch die Kellner, die in ein verständnisvolles Strahlen ausbrechen und dann umgehend und freundlich einen rundum mit Weizen bewehrten Gruss aus der Küche servieren. Oder die das eine, nach aufgeweichtem und wieder getrocknetem Papier schmeckende glutenfreie Brötchen, das vor einem Jahr in der Gefriertruhe verloren gegangen ist, extra berechnen. Und immer das Gefühl: Ich. Bin. Schuld. Und. Neurotisch. IBSUN.

Ja, ich bin essbehindert, und es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid! Aber ich bin nicht Gwyneth Paltrow! Auch wenn ich in mehreren Sprachen sagen kann: «Ich habe eine Weizen-Allergie.» Auch wenn ich ganz ordentlich über die Vorzüge von Amaranth, Chinoa, Buchweizen und der wunderbaren Mungobohne reden kann. Aber ich bin laktosetolerant, ich esse viel Fleisch, ich mach das weder aus Hipness-, noch aus Fitness-Gründen. Sondern weil mich Weizen killt.

Ein von Alex (@lx.wb) gepostetes Foto am

Wenigstens kann man mich heute zum Fondue einladen, ich bringe mein Ersatzbrot selbst mit, und wenn jemand einfach nichts lieber kocht als Pasta, hab ich auch immer eine Packung glutenfreier Barilla-Pasta (sorry, ist nun mal die Beste) dabei. Wenn ich in die Ferien fahre oder auf Geschäftsreise bin, ist der halbe Koffer mit Ersatzessen gefüllt. Mit kiloweise Amaretti, Kokosmakronen und Reiswaffeln. Mit Dutzenden von lecker in Plastik eingeschweissten Aufback-Brötchen (aktuell am liebsten die kleinen von Schnitzer), auf denen ganz viele gesunde Stempel prangen. Leicht packen war einmal.

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Ich will nicht klagen (Doch, will ich!!! Ich inhaliere vor jeder Bäckerei den Backduft und vergiesse in mir drin ein paar Tränen!), es ist enorm viel besser geworden, die Reformhäuser sind Helden, die Detailhändler geben sich Mühe. Bloss gewisse Luxus-Gourmet-Tempel finden noch, dass Glutenallergiker mit Fantasiepreisen bestraft gehören. Und die Dinge, die da entwickelt werden, haben sogar angefangen zu schmecken. Also derart, dass man sie beinahe nichtallergischen Menschen auftischen kann. Beinahe.

Mein Traum? Dass eines Tages der buttrig feine, glutenfreie Blätterteig erfunden wird. Aber bis dahin muss noch viel seltsames Korn geschrotet werden.

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