Bei Kim, einer belgischen Schäferhündin, setzten Altersbeschwerden mit 13 Jahren ein. «Kim war lange fit gewesen, sie war ein richtiges Schlitzohr», sagt ihre Halterin heute. Doch mit 13 Jahren wurde die Hündin zunächst schwerhörig.
Mit der Zeit wirkte Kim zurückgezogen, als lebte sie in ihrer eigenen Welt. Stundenlang lag sie einfach auf dem Rasen und starrte in irgendeine Richtung. Auf den Spaziergängen wollte sie nichts mehr von anderen Hunden wissen. Nur eines tat sie noch, dies dafür intensiv: Sie roch inständig an Blümchen.
«Einmal hatten wir auf einem Spaziergang einen Zwischenhalt eingelegt», erinnert sich Kims Besitzerin. «Als ich weiterging, bemerkte ich, dass Kim mir nicht folgte. Sie war aufgestanden und ging irgendwelchen anderen Leuten hinterher.»
Auch zuhause verlor die Schäferhündin immer wieder die Orientierung. Nachts tigerte sie herum, ging mehrmals ununterbrochen vom Gang ins Wohnzimmer, dann in die Küche und dann wieder in den Gang. «Einmal blieb sie auf dem Weg zum Futternapf plötzlich stehen. Sie schien vergessen zu haben, dass sie fürs Fressen aufgestanden war», sagt ihre Halterin aus Bern.
Die Aussetzer häuften sich. Einmal fiel Kim in einen Teich. Die Besitzerin konnte sie aber rechtzeitig aus dem Wasser holen. Kim nahm immer weniger Anteil am Leben. Irgendwann hörte die Schäferhündin auf, ihre Besitzer an der Türe zu begrüssen. «Sie ist am Schluss nicht einmal mehr aufgestanden, wenn wir zur Türe herein kamen», erzählt die Halterin.
Bei den Tierärzten sind geriatrische Patienten keine Seltenheit. «Wir sehen regelmässig solche Patienten», sagt Frank Steffen, Leiter der Abteilung Neurologie am Tierspital Zürich.
Typisch für demente Hunde ist, dass sie nachts nicht schlafen können. «Das ist für die Halter besonders belastend, weil sie selbst kaum zur Ruhe kommen», erklärt Steffen. Viele demenzerkrankte Tiere verlieren zudem die Stubenreinheit. Zum Teil erkennen sie die vertrauten Personen nicht mehr. «Der Hund wedelt dann nicht mehr mit dem Schwanz, sondern bellt seinen Besitzer an», sagt Steffen.
Um Demenz bei Haustieren zu diagnostizieren, wird eine Art Ausschlussverfahren angewendet. Zunächst prüfen die Experten, ob es nicht andere gesundheitliche Probleme sind, die das veränderte Verhalten auslösen. «Demenz erkennt man schliesslich daran, dass bestimmte, in der Magnetresonanz-Tomographie sichtbare Areale des Gehirns übermässig geschrumpft sind», erklärt Steffen.
Eine Heilung für die Krankheit gibt es nicht. «Es gibt aber Medikamente, die erfreuliche Resultate hervorbringen», sagt Steffen. Dabei kommen verschiedene Wirkstoffe zur Anwendung, etwa Durchblutungsförderer und Botenstoffe, die die Signalübertragung im Gehirn verbessern. Die Hunde schlafen dank der Präparate nachts wieder und gewinnen einen Teil ihrer Vitalität zurück.
Wie viele Hunde im Alter von Demenz betroffen sind, lässt sich laut Steffen kaum sagen. «Grundsätzlich wird jedes alte Hundehirn Funktionsverluste zeigen», sagt der Experte. Die Frage sei nur wann.
Geriatrie für Hunde ist somit aktueller denn je: Auch für Vierbeiner wird gute medizinische Versorgung im Alter immer wichtiger. «Es ist nicht mehr wie früher», sagt Steffen. «Heute schläfert man ein Tier nicht einfach ein, nur weil es apathisch ist.»
Auch im Fall der dementen Schäferhündin Kim zögerte die Halterin das Einschläfern soweit wie möglich heraus. Den «Verfall» der Hündin erlebten die Halterin und ihr Mann etwa zwei Jahre mit. Irgendwann wurde es aber zu viel.
«Wenn man alles versucht hat und ein Hund nicht mehr Hund sein kann, denkt man zwangsläufig ans Einschläfern», erklärt Kims Halterin. Die belgische Schäferhündin wurde schliesslich fast 16 Jahre alt. Für einen grossen Hund ist das ein stolzes Alter. (viw/sda)