Krieg ist teuer. Wer Krieg führt, braucht Geld, viel Geld. So erging es auch dem Deutschen Reich im Ersten Weltkrieg. Schon drei Tage nach Kriegsbeginn setzte Deutschland den Goldstandard provisorisch aus – das heisst, die deutschen Banknoten waren nicht mehr gegen Gold umtauschbar. Die Reichsbank warf die Druckmaschinen an und druckte Geld. Mit der Zeit sank dessen Wert – bis etwa 1916 der Metallwert der Münzen deren Nennwert überstieg.
Die Leute begannen nun, diese wertvollen Münzen zu horten, was wiederum zu Engpässen führte, die durch den Metallbedarf der Rüstungsindustrie verschärft wurden. Denn Nickel und Kupfer, die in den Pfennigmünzen steckten, waren kriegswichtige Rohstoffe. Im Alltag verschwand das Kleingeld – und dies in einer Zeit, da ein Hemd etwa fünf Mark kostete.
Um den drohenden Kollaps zu verhindern, griffen Gemeinden und Privatfirmen zu kreativen Methoden der Selbsthilfe: Sie gaben zeitlich und lokal begrenztes Notgeld heraus. Erste Ausgaben gab es bereits 1914 in grenznahen Gebieten, beispielsweise in Ostpreussen, wo der Truppenaufmarsch zu Münzknappheit führte. Ausserdem versteckten dort viele Leute aus Angst vor feindlichen Angriffen ihr Geld – trotz Ermahnungen seitens der Obrigkeit.
Als Notgeld konnte nahezu alles dienen: Karton, Altpapier, Spielkarten, Jute, Leder, Holz, sogar gepresster Kohlestaub – was eben verfügbar war. Dieses Notgeld wurde von der Reichsbank zwar nie offiziell anerkannt, doch der Staat duldete die Emission dieser Zahlungsmittel stillschweigend.
Die erste Welle der Notgeld-Ausgabe im Kriegsjahr 1914 ebbte schnell ab. Mit den Erfordernissen der Kriegswirtschaft kehrten die selbstgemachten Zahlungsmittel indes ab 1916 wieder zurück. Die Anzahl der Ausgabestellen – meist handelte es sich um Städte – schwoll von den ersten Kriegsjahren bis zum Kriegsende und darüber hinaus massiv an: von rund 400 auf mehr als 1400. Vorläufig blieb es allerdings bei kleinen Werten bis etwa 20 Mark. Gegen Kriegsende zog die Inflation aber weiter an – mit einem 50-Pfennig-Schein gab es schlicht nichts mehr zu kaufen. Diese Kleingeld-Ausgaben verschwanden daraufhin.
In der chaotischen und krisenhaften Zeit um das Kriegsende herum nahm der Nominalwert der Notgeld-Scheine schnell zu; selbst die Reichsbank erlaubte nun den Städten die Emission von Notgeld-Scheinen bis zu 100 Mark Nominalwert. Dieses sogenannte «Grossgeld» blieb im Umlauf, bis die Reichsbank wieder ausreichend Geld drucken konnte. Ende 1921, Anfang 1922 wurde es eingezogen; im Sommer 1922 wurde die Neuausgabe von Notgeld gesetzlich verboten.
Kaum erlassen, wurde dieses Gesetz wieder Makulatur: Schon Ende Juli 1922 musste wieder Notgeld gedruckt werden, weil die Geldentwertung stark anzog. Im folgenden Jahr explodierte die Inflation geradezu. Gab es Ende 1922 für einen Dollar noch 2000 Mark, waren es im April 1923 bereits 20'000 und im August mehr als eine Million. Die Entwertung nahm schliesslich so rapide zu, dass jemand, der mit mehreren hundert Millionen Mark eine Eintrittskarte für das Theater kaufen wollte, an der Abendkasse nicht genug Geld dabei hatte, weil sie mittlerweile eine Milliarde Mark kostete.
Auch das Notgeld folgte dem Lauf der Hyperinflation: Bis die Einführung der Rentenmark im Herbst 1923 diese beispiellose Geldentwertung beendete, stieg der Nominalwert der Notgeld-Emissionen ebenso rasant an wie jener des regulären Geldes – am Schluss erreichte er die Billionenmarke.
Nach dem Ende der Hyperinflation war das Ersatzgeld Altpapier und verschwand wieder. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg tauchten wieder kurze Zeit Notgeld-Scheine auf, denen 1948 die Währungsreform mit der Einführung der D-Mark die Grundlage entzog.
Völlig verschwanden die bunten Scheine aber nicht: Zahlreiche Sammler hatten sich Notgeld-Kollektionen zugelegt. Bereits im Ersten Weltkrieg hatten Städte und Gemeinden bemerkt, dass ihre zum Teil sehr fantasievoll gestalteten Notgeld-Scheine bei Sammlern auf Interesse stiessen – sich also damit Geld verdienen liess.
Ab 1917 begannen einige Kommunen, speziell für Sammler entworfene Scheine zu drucken. Solche sogenannten «Serienscheine», auch «Künstler-Notgeld» genannt, konnten Interessierte als Gesamtpaket erstehen – sie waren gar nicht für den Umlauf bestimmt. Für die Herausgeber brachte dies zudem den Vorteil mit sich, dass diese Scheine nicht gegen reguläres Geld eingelöst wurden.
Auch heute noch sind die Notgeld-Scheine ein begehrtes Sammlerobjekt. Die Motive zeigen oft lokale historische Begebenheiten; manche nehmen auch politische Themen auf. Und nicht wenige sind – dem politischen Zeitgeist entsprechend – unverhohlen antisemitisch.