Die Stimmung ist sehr dumpf. Alle Cafés, Restaurants und Geschäfte sind geschlossen, die Strassen leer. Mir persönlich geht es in Ordnung, aber die Stimmung ist nicht gut.
Am Samstag hatten wir hier einen Raketenalarm. Wir kriegen alles mit, auch was ausserhalb von Tel Aviv passiert. Junge Leute werden in die Armee gezogen, Reservisten wurden mobilisiert. Diese Menschen kommen teilweise auch aus Tel Aviv.
Dass so viele Leute eingezogen wurden, ist bezeichnend. In den letzten Monaten waren hier viele Menschen unzufrieden und sagten, dass sie den Reservedienst verweigern würden. Jetzt, wo es darauf ankommt, ziehen alle in den Reservedienst. Die Einheit des Volkes ist da, wenn es nötig ist.
So schnell wie möglich in einen Schutzraum gehen. Man hat in Tel Aviv 90 Sekunden Zeit, um sich vor einer Rakete in Sicherheit zu bringen. Im Speckgürtel des Gazastreifens sind es 10 Sekunden. Wenn es keinen Schutzraum gibt, ist man im Zwischenstock des Treppenhauses am besten geschützt. Wenn man draussen ist, sollte man versuchen, Unterschlupf zu finden. Gelingt das nicht, muss man sich auf den Boden legen.
Ich fuhr am Samstagabend mit Freunden und deren Kindern, die noch einen Flug buchen konnten, zum Flughafen. Der Flug wurde dann aber annulliert. Auf dem Rückweg ging ein Alarm los. Wir mussten aussteigen und uns vor Raketensplittern schützen.
Und dann der kollektive Unmut und Schock darüber, dass wir so überfallen wurden. Mindestens 700 Menschen wurden ermordet. Ich mache hier den Quervergleich: Das letzte Mal, dass 700 Juden an einem Tag ermordet wurden, war vermutlich während des Holocaust.
Ich lebe seit 25 Jahren in Israel und habe so etwas noch nie erlebt. Wir fühlen uns immer sehr geschützt durch die Armee. Ich fühle mich auch weiterhin sehr geschützt durch die Armee. Trotzdem muss evaluiert werden, wieso es zu diesem Versagen kam.
Bei den Angriffen vor zweieinhalb Jahren nahm ich das noch relativ gelassen und beeilte mich bei Raketenalarmen nicht so. Meine Einstellung hierzu hat sich massiv verändert.
Ich habe alle Reisen in den Norden in den nächsten Wochen abgesagt. Auch mit den Kunden die jetzt hier sind, reisen wir nicht. Aber wir reden viel miteinander und blödeln herum, auch um die Kinder etwas abzulenken.
In Israel muss man immer damit rechnen, dass irgendetwas sein könnte. Das schreckt auch niemanden gross ab. Mit dem, was passiert ist, hat aber niemand gerechnet.
Man kommt nicht gut weg. Der Flughafen ist offen, aber viele Airlines haben ihre Flüge eingestellt. Israelische Airlines fliegen noch, andere stornieren die Flüge schneller.
Der Neffe eines Busfahrers, mit dem ich zusammenarbeite, wird gesucht. Der Sohn eines anderen Busfahrers, mit dem ich ebenfalls zusammenarbeite, wurde eingezogen. Jeder kennt irgendjemanden, der betroffen ist.
Es gibt zwei Sachen. Lasst uns machen, was wir militärisch machen müssen. Und denkt daran, dass es 150, 200 israelische Geiseln gibt in Gaza, die behandelt werden, als gebe es keine Genfer Konventionen. Wer in Europa Connections zu Organisationen wie dem Roten Kreuz hat, soll uns helfen an die Geiseln zu kommen.