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So kämpfen die restlichen Zürcher Haehner-Arztpraxen ums Überleben

Es ist ein Arzt-Skandal der die Region beschäftigt. Ein deutscher Arzt und Geschäftsmann übernimmt dutzende Hausarztpraxen und fährt sie finanziell an die Wand. Dann taucht er ab. Für viele Praxen bed ...
Es ist ein Arzt-Skandal der die Region beschäftigt. Ein deutscher Arzt und Geschäftsmann übernimmt dutzende Hausarztpraxen und fährt sie finanziell an die Wand. Dann taucht er ab. Für viele Praxen bedeutet das der Ruin. Eine Rafzer Praxis kann jetzt aber durch eine Notübernahme gerettet werden.Bild: TeleZüri

So kämpfen die restlichen Zürcher Haehner-Arztpraxen ums Überleben

Ein deutscher Arzt und Geschäftsmann fuhr gleich mehrere Zürcher Arztpraxen an die Wand. Während das Ärztezentrum Rafz gerettet wurde, musste die Praxis in Dällikon schliessen. Vier weitere Praxen im Kanton Zürich sind von einer Schliessung bedroht.
30.06.2023, 05:4530.06.2023, 08:15
Tobias Matsch / ch media
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Sie sind eigentlich da, um anderen zu helfen. Doch nun müssen sie sich selbst retten: Sechs Zürcher Ärztezentren kämpften in den vergangenen Wochen um ihre Existenz und lagen auf der «Intensivstation».

Dorthin gebracht hat sie ein deutscher Arzt und Geschäftsmann. Thomas Haehner übernahm in den letzten Jahren 18 Arztpraxen in der ganzen Schweiz. Neben dem Inhaber haben sie eines gemein: Misswirtschaft des Inhabers. Unbezahlte Rechnungen. Ausstehende Löhne.

«Seine Visionen haben sich nicht bewährt»

Die leitende Ärztin in Rafz, Corinne Nagel-Döscher, beschreibt das Problem so: «Er hat sehr viele Visionen und neue Ideen und wollte immer alles sofort umsetzen. Vieles war für uns nicht bis zum Ende durchgedacht und hat sich nicht bewährt.»

Die Ärztezentren von Thomas Haehner scheinen mit überdurchschnittlich viel Personal besetzt und grosszügigen Geräten ausgestattet zu sein. So zumindest die Analyse des neuen Geschäftsleiters in Rafz, Andreas Hablützel. Am Ende des Monats bleibe dann eben nichts mehr übrig.

Die Praxis von Nagel-Döscher in Rafz konnte Mitte Juni durch die Land Permanence aus Henggart gerettet und vom finanziellen Absturz bewahrt werden. Während das Ärztezentrum in Dällikon aus bekannten Gründen schliessen musste, kämpfen vier weitere Zürcher Praxen immer noch ums Überleben.

In Embrach, Oberglatt, Niederweningen und Turbenthal sind die Türen der Ärztezentren im Moment zu. Schilder an der Tür verweisen jedoch darauf, dass die Praxen nicht dauerhaft geschlossen sind.

«Es werden derzeit Lösungen gesucht, um die Praxis weiterzuführen. Wir stehen in engem Austausch mit der Gemeinde und dem Amt für Gesundheit und werden von beiden Stellen unterstützt», sagt Anita Tomaszuk, leitende Ärztin in Embrach, gegenüber ZüriToday.

«Wenig Hoffnung auf Weiterführung»

Weniger optimistisch klingt es bei der Gemeinde Oberglatt: «Für eine Weiterführung der Praxis besteht leider wenig Hoffnung», sagt Gemeindeschreiber Dominic Plüss. Im Fokus stehe derzeit die Organisation der Herausgabe der Patientenakten. Verunsicherte Patienten und Patientinnen springen also ab.

Das will das Ärztezentrum in Embrach verhindern: «Es wäre in unserem Interesse, wenn Patientinnen und Patienten mit der Abholung der Akten zuwarten würden, bis das weitere Vorgehen geklärt ist», so Anita Tomaszuk.

In der aktuell kritischen Phase hoffen die Praxen auf die Loyalität und Geduld ihrer Patienten und Patientinnen. Denn: Holen zu viele ihre Akten ab, fehlen den Praxen bei einer möglichen Wiedereröffnung die Kunden. So würden auch die noch funktionierenden Praxen zugrunde gehen.

Arztpraxen als Rarität

Nach der Schliessung in Dällikon wurde das Ärztezentrum von Patienten und Patientinnen überrannt. Sie alle wollten ihre Akten abholen. Laut dem «Zürcher Unterländer» mussten die anstehenden Personen gar Nümmerchen ziehen. Sie alle müssen nun in der Region eine neue Hausarztpraxis suchen.

Im 3100-Seelendorf Niederweningen würde sich dies schwierig gestalten. Das derzeit geschlossene Ärztezentrum ist die einzige Arztpraxis in der Gemeinde. «Täglich gelangen Anfragen von besorgten Patientinnen und Patienten an die Gemeindeverwaltung», erzählt Gemeindeschreiber Simon Knecht der ZüriToday-Redaktion.

Auch das Ärztezentrum Turbenthal sucht verzweifelt nach Lösungen. Nur in definierten Zeitfenstern können dort Patientinnen und Patienten ihre Akten oder Rezepte abholen.

Gesundheitsdirektion hilft, aber rettet nicht

Im Kanton Zürich liegen also immer noch vier Arztpraxen auf der Intensivstation. Konkrete Rettungen sind derzeit noch keine in Sicht.

Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich sei bei allen Praxen nahe dran und man stehe in Kontakt mit den Gemeinden, so Kantonsärztin Christiane Meier. «Nicht bei allen gibt es so eine Lösung wie in Rafz. Mit Rafz konnte man aber zeigen, dass es Lösungen gibt.»

Als Lebensretter wird der Kanton aber nicht einspringen können. «Wenn eine Hausarztpraxis zugeht, dann haben wir als Gesundheitsdirektion relativ wenig Möglichkeiten einzuschreiten.» Die Grundversorgung mit Hausarztpraxen sei aber wichtig, weil man dann nicht auf eine Notfallstation muss und so Kosten gespart werden können.

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