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«TalkTäglich» vor der Bundesratswahl: «Keine Nacht der langen Messer, sondern eine Nacht der Longdrinks»

«TalkTäglich» vor der Bundesratswahl: «Keine Nacht der langen Messer, sondern eine Nacht der Longdrinks»

08.12.2015, 20:4209.12.2015, 07:01
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Am Vorabend der Bundesratswahl herrscht Hektik. Nicht nur bei den Parlamentariern, sondern auch bei den Medien. «TeleZüri» hat deshalb anstatt einer, gleich zwei Sondersendungen einberufen. Bevor am späteren Abend die Parteipräsidenten in der Elefantenrunde viel reden und wenig sagen, sollte das redefreudigere Partei-Fussvolk in der ersten Sendung Einblick in das Bundeshaus-Geschachere geben. So zumindest die Überlegung von Moderator Markus Gilli.

Die Frage aller Fragen: Wird es Thomas Aeschi, Norman Gobbi, Guy Parmelin oder doch etwa ein Sprengkandidat (Thomas Hurter)?

Im holzgetäferten Vorsaal des Ständeratssaals bearbeitete der TeleZüri-Moderator seine Gäste nach Kräften. Aber Balthasar Glättli (Grüne), Cédric Wermuth (SP), Lorenz Hess (BDP), Andrea Caroni (FDP), Pirmin Bischof (CVP) und Albert Rösti (SVP) hielten sich bedeckt. Zumindest einigermassen.

Hurter im Raum Bern vermutet

Die erste Frage des Abends war: Wo ist Thomas Hurter? «Whatever happened to Baby Hurter?» Der als Sprengkandidat gehandelte Schaffhauser SVP-Nationalrat blieb offenbar der Fraktionssitzung seiner Partei fern. Klar, dass da die Spekulationen ins Kraut schiessen. «Haben Sie schon eine Vermisstmeldung aufgegeben?» stichelte Gilli in Richtung Albert Rösti. «Nein, wir wissen, dass er sich irgendwo im Raum Bern aufhält.» Gelächter in der Runde.

Rösti, der sich im Vorfeld der SVP-internen Kandidatenkür selber aus dem Rennen genommen hat, bekräftigte anschliessend noch einmal, dass man Hurter ausschliessen werde, falls er die Wahl zum Bundesrat annehmen sollte. Nichts Neues am rechten Rand der Gesprächsrunde.

Anschliessend wollte Gilli Wermuths Sozialdemokraten in die Küche schauen. «Wie weit ist der Garprozess bei Hurter?» Der Plan, seine Gäste mit Metaphern aus dem Gastro-Bereich aus der Reserve zu locken, fruchtete jedoch kaum. Wermuth sagte nur, was man ohnehin schon wusste: Die SP behalte es sich vor, die Erpressungsversuche der SVP nicht Folge zu leisten und einen Kandidaten aus einer rassistischen Partei (Gobbis Lega) wähle man schon gar nicht. «Wenn ich mehr verraten würde, hätten Sie ja in den nächsten 12 Stunden gar nichts zu senden.» Gillis Dank blieb aus.

Die BDP möchte nur «Ruhe im Stall»

Die Vertreter der Mitteparteien vertraten eine relativ einhellige Meinung: Man anerkennt den Anspruch der SVP, ist aber nicht so richtig glücklich über die Auswahl und die taktischen «Spielereien» der Volkspartei mit der Ausschluss-Drohung. Gillis Versuch, der FDP den Berufspiloten Hurter als Sprengkandidaten schmackhaft zu machen – «wenn Hurter jetzt morgen früh mit der A320 ein paar Loopings drehen würde, dann wärt ihr doch begeistert!» – rang Caroni nicht mehr als ein müdes Lächeln ab: «Mir tun die Journalisten leid, die solche Aussagen zu Geschichten aufblasen müssen.»

Dann ging's an den eingehenden Kandidaten-Check: Gobbi bekam von der FDP sein Fett weg. Caroni befand das Konstrukt zwischen Lega und SVP als «gewöhnungsbedürftig»: Ein «institutioneller Murks» sei das, womit er Gobbi faktisch die rote Karte zeigte. Lorenz Hess' BDP möchte eigentlich nichts anderes als «Ruhe im Stall». Also einen aus dem Dreier-Ticket.

Kein Platz für Ränkeschmiede

Den Ränkeschmieden und Taktikfüchsen erteilte er eine Absage: «Die sogenannte Nacht der langen Messer ist ja eigentlich mehr eine Nacht der Longdrinks.» Gilli nahm die Steilvorlage, um über Guy Parmelins angedichtetes Alkoholproblem zu sprechen, jedoch nicht auf. Der war erst später ein Thema: Ob seine mangelnden Sprachfähigkeiten ein Hinderungsgrund seien, wollte Gilli von Bischof wissen. Dieser wehrte ab, das sei nicht das wichtigste Kriterium, Bundesräte würden ohnehin meist nur in einer Landessprache auftreten.

Zumindest die BDP liess andeutungsweise ein Hintertürchen für einen Sprengkandidaten offen. BDP-Hess: «Ein Bundesrat oder eine Bundesrätin kann auch ohne starke Partei im Rücken gut regieren.» Und: «Der SVP stehen zwei Sitze zu, übrigens hatte sie die bis jetzt auch inne.» Oder mit anderen Worten: Selber schuld, wer seine Bundesräte aus der Partei ausschliesst. Vielleicht mischen sich ja bei der BDP doch noch ein paar, äh, Messer in die Longdrinks? 

Gute Chancen für das Dreierticket

Und Glättli? Glättli, der war auch da, aber da er «keine weiteren Nebelpetarden» zünden wollte, blieb nicht allzuviel von ihm im Gedächtnis hängen. Ausser vielleicht dies: «Nie müssen Politiker mehr die Befähigung haben, etwas zu sagen und anschliessend etwas anderes zu machen als vor der Bundesratswahl.» Grosse Worte, weise Worte, Worte eines gewieften Taktikers?

Zum Abschluss ging Gilli nochmals in die (Gefühls-) Offensive und versuchte es mit ganz viel Gespür, so von innen: «Wenn sich jetzt der Pulverdampf verzogen hat, morgen früh, wer wird dann Bundesrat sein, also jetzt, so nach eurem Feeling.»

Wermuth: «Ich weiss nur, dass ich es nicht sein werde. Den Rest sehen wir morgen.»

Bischof: «Ich weiss nur, dass der Bundesrat auch morgen wieder sieben Mitglieder haben wird. Aber eigentlich bin ich mir nicht einmal da ganz sicher.»

Hess: «Wenn ich wetten müsste, würde ich mein Geld auf Parmelin setzen.»

Caroni: «Einer aus dem Dreierticket. Und sicher nicht Wermuth.»

Rösti: «Einer aus dem Dreierticket.»

Einer ging übrigens ganz vergessen: Thomas Aeschi. Vielleicht ist das ein gutes Zeichen. Für alle Beteiligten. (wst)

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