Juli 2015: Der Grundstein für das neue Stadion in Port-Gentil wird gesetzt. Von wem? Kein Geringerer als der mehrfache Weltfussballer Lionel Messi gibt sich die Ehre. Er lässt dabei auch seinen Handabdruck auf einen Stein pressen, welcher beim Stadion platziert wurde.
Lionel Messi in Gabun. Wie kam es dazu? «France Football» behauptete, der Argentinier habe für seine Aktion – für die er mit dem Privatjet einflog, den Grundstein legte, bei einer Restaurant-Eröffnung von Bongos Familie erschien und an einem kurzen Charity-Kick teilnahm – rund 3,5 Millionen Franken kassiert. Gabuns Sportminister Blaise Louembé widersprach sogleich: «Wir mussten ihm nichts bezahlen.» Gemäss der offiziellen Version habe Messi Präsident Ali Bongo nach der Copa America versprochen, ihn zu besuchen. Präsident Bongo fuhr den Gaucho höchstpersönlich zur Baustelle.
Doch der Auftritt des Weltstars hinterliess vor allem einen zwiespältigen Eindruck. Kritik wurde laut, dass er mit seinem Besuch einen Diktator unterstützt. Auch Messis Erscheinung stiess böse auf: Er kam unrasiert, im T-Shirt und in verrissenen Shorts. Die Opposition polterte danach: «Er sah aus, als ob er in den Zoo ging. So darfst du als Multimillionär nicht bei einem Besuch mit Staatsvertretern erscheinen, selbst wenn es sich nur um eine Bananenrepublik handelt.» Auch auf Twitter ärgerten sich die User. Messi sei respektlos, in anderen Gegenden der Welt habe er sich auch entsprechend gekleidet.
Comparez ici svp #Messi au #Gabon et Messi a #Dubai, deux pays où la température est presque pareille. Ah africains pic.twitter.com/n6mPH9U3KD
— AfricaTopTweets (@AfricaTopTweet) 30. Dezember 2015
Andere witzelten aufgrund der «Kutschenfahrt des Präsidenten» in Anspielung auf «Tim und Struppi im Kongo»: «Tim Messi in Gabun»:
Tintin Messi au Gabon!looool! #LionelMessi #AliBongo #Gabon #Team241 #FCBarcelona #RealMadrid #TintinAuCongo pic.twitter.com/iyytWbDaYJ
— A Dreamer (@maxwellborn) 20. Juli 2015
Kaum war Messi wieder weg, machten sich die Chinesen an den Bau des 20'000-Zuschauer-Stadions. In nur 18 Monaten knallten sie eine wunderschöne Arena hin. Ein Hotel mit 26 Zimmern (und teilweise direktem Blick aufs Spielfeld) ist ebenso integriert, wie Trainingsfelder und ein Basketballcourt. Zudem wurde die Strasse vom Flughafen zum Stadion geteert. Die Chinesen lebten in einem «eigenen Dorf» gleich neben der Baustelle, Arbeit für die lokale Bevölkerung brachte das Grossprojekt praktisch keine.
Drei Gruppenspiele, ein Viertelfinal und das Spiel um Rang 3 werden in Port-Gentil ausgetragen. Und dann? Das fragen sich alle. Vermutlich überlässt man das Stadion seinem Schicksal. Denn der lokale Verein in der kriselnden Wirtschaftsmetropole des Landes spielt höchstens vor ein paar Dutzend Zuschauern. Und sowieso: Seit der Öl-Krise verloren rund zwei Drittel der Leute ihren Job. Kein Wunder ärgern sich viele Gabuner in den ärmeren Vierteln der Stadt und sagen: Das Geld hätte sinnvoller eingesetzt werden können. Für Schulen, Spitäler und Infrastruktur.
Sehr ähnlich sieht es im abgelegenen Spielort Oyem aus. Im 60'000-Einwohner-Nest bauten die Chinesen ebenfalls ein 20'000er-Stadion. Wobei: Während in Port-Gentil zwar noch etwas Baustaub in den Räumen liegt, wurde die Arena in Oyem wirklich nicht fertig. Hinter einer Türe mit der Aufschrift «WC» befindet sich beispielsweise ein leerer Raum. Auch das 28-Zimmer-Hotel, die Tennis- und Basketball-Courts waren noch nicht ganz bereit.
My first view of the stadium in (actually a long way outside) Oyem... exceptional site and sight! pic.twitter.com/vj6ulPFxwn
— Matthew Kenyon (@MK_BBC) 20. Januar 2017
Man werde dies nach dem Afrika-Cup abschliessen, hiess es. Das Stadion, das rund 15 Kilometer ausserhalb der Stadt im Dschungel liegt, soll ein Sportzentrum werden. Die Frage ist nur: für wen? Denn in der Stadt selbst existieren zwei Fussballteams, die beide eigene Spielstätten besitzen. Die Rasenplätze dort dienten als Trainingsgelände, sind einwandfrei und man hätte sie sicher billiger und sinnvoller ausbauen können, statt für 200 Millionen ein neues Stadion für vier Spieltage zu errichten. So gilt auch in Oyem: Die «Weisse-Elefanten-Population» (verlassene Fussballstadien) wird Zuwachs erhalten. Artenverwandte leben ja bereits in Brasilien und Südafrika.
Immerhin war man in der Hauptstadt Libreville schlauer. Zumindest vorerst. Als Gabun und Äquatorialguinea den Afrika-Cup 2012 austrugen, wollte man das Stade Omar Bongo im Stadtzentrum dafür nutzen. Irgendwann entschied man damals dann aber: Es muss ein neuer Bau ausserhalb der Stadt her – und so wurde das Stade de l'Amitié (40'000 Zuschauer) erstellt und für das Turnier 2012 genutzt. Das Stadion in der Innenstadt diente lediglich als Trainingsgelände.
Für 2017 war der Plan erneut, das alte Stadion aufzupolieren und zu nutzen. Ein Dach sollte her und die Tribüne bisschen modernisiert werden. Doch im Sommer 2016 stellte man fest: Das reicht nicht. Rund 200 Millionen Franken gingen so für nichts drauf – und die Partien in Libreville finden nur im anderen Stadion im Norden der Metropole statt.
Das macht grundsätzlich Sinn, denn Parkplätze hätte es im Stadtzentrum keine gehabt. Das Chaos wäre in der Innenstadt endlos geworden. Schade nur, bemerkte man dies so spät. Ich besuche das Omar-Bongo-Stadion trotzdem. Die Strasse um den Bau ist für den Verkehr gesperrt, vor der Arena suchen Ziegen nach Essbarem.
Einige Gerüste sind noch zu sehen, näher als bis zum Wellblech-Zaun kommt man nicht ans Stadion heran. Beim Wächter der Baustelle frage ich, ob er mich kurz herumführen könne. Nach zehnminütiger Abklärung (ich bin nicht sicher, ob er tatsächlich jemanden fragte oder mich einfach warten liess) heisst es dann aber: «Geht leider nicht.» Von aussen sind sonst keine Arbeiter zu sehen, Lärm ist auch nicht zu hören. Vielleicht wurden die Arbeiten auch eingestellt, ich finde es nicht heraus.
Als viertes Stadion dient die für den Afrika-Cup 2012 gebaute Arena in Franceville. Immerhin wird dieses jetzt schon zum zweiten Mal für einen Grossanlass genutzt. Klar ist aber einmal mehr: Die Staatspräsidenten setzen bei den Stadien auf Prestige, statt auf Nachhaltigkeit. Die Welt soll sehen, dass man schöne und grosse Stadien bauen kann.
Dabei wären Arenen für 10'000 bis 15'000 Zuschauer und ein grosses Stadion für den Gastgeber und die wichtigen Spiele viel sinnvoller. Aber eben: Das würde ja einen jämmerlichen Eindruck machen. Es geht ums Prestige. Darum auch Messi beim Stein mit Messis Handabdruck. Obwohl: Dieser wurde kurz nach dem Besuch des Argentiniers geklaut.