
Sag das doch deinen Freunden!
Getimet war die Meldung gut: Die ganze Welt schaut nach Melbourne und da berichten die BBC und Buzzfeed, dass diverse Spieler in einen Wettskandal verwickelt seien. Die Vorwürfe sind eigentlich alt, aber offenbar hat ihnen jetzt ein Insider Auszüge der damaligen Untersuchungsunterlagen zugespielt. Der einzige Fall, der mit Namen versehen ausgebreitet wird, betrifft allerdings die Partie zwischen dem Russen Nikolai Dawydenko und dem Argentinier Martin Vassallo Arguello 2007 in Sopot, Polen. Dass diese Partie getürkt gewesen sein soll, ist seit Jahren hinlänglich bekannt, obwohl Dawydenko später von allen Vorwürfen freigesprochen wurde. Die Wettbüros zahlten damals keine Gewinne an die Wettenden aus.
Aber die (erneute) Aufregung ist trotzdem gewiss. Die ATP wehrte sich in einer Pressekonferenz und auch die befragten Spieler retournieren entsprechende Fragen mehr oder weniger gleich mit: «Ich weiss von nichts.» Gilles Simon, Vizepräsident der Spielervereinigung erklärt: «Die Vorwürfe sind unbrauchbar. Da wollte jemand einfach am ersten Tag eines Grand Slams eine Bombe hochgehen lassen.»
#ATP bosses deny 'any suggestion' that #matchfixing allegations have been suppressed #tennisracket
https://t.co/QN1rPqyR6b
— ABC News (@abcnews) 18. Januar 2016
Spannend ist im Manipulations-Zusammenhang die Aussage von Richard Ings, dem ehemaligen Chef der australischen Anti-Doping-Behörde (ASADA), der sich mit Korruption im Tennis befasste: «Wenn du eine Sportart erfinden müsstest, in welcher am besten betrogen werden kann, dann würdest du Tennis erfinden.»
Wir haben bei Stefan Flückiger, dem Geschäftsführer von Swiss Tennis nachgefragt, was er von der Aussage hält: «Das ist nicht abhängig von der Sportart, sondern vom Charakter der Spieler.» Flückiger weiss zum aktuellen Fall momentan auch nicht mehr, als was in den Medien steht. «Natürlich waren wir überrascht. Von unteren Turnierstufen – ausserhalb der Schweiz – gab es die Vorwürfe immer mal wieder, aber auf der obersten Stufe nicht. Direkt konfrontiert mit Betrugsvorwürfen wurden wir bei Swiss Tennis noch nie.»
Trotzdem scheint es grundsätzlicher beim Tennis einfacher zu betrügen als beispielsweise in Mannschaftssportarten. Und wer kann schon schlüssig beurteilen, ob ein Spieler den Ball jetzt absichtlich Zentimeter neben die Linie setzt oder nicht?
Roger Federer on the #tennisracket
"I would like to hear names..it's such nonsense to answer something that is pure speculation."
#AusOpen
— Daniel Cherny (@DanielCherny) 18. Januar 2016
Der bekannteste Name in diesem Zusammenhang ist der eingangs erwähnte Dawydenko. Nach Sopot sorgte er auch wenige Monate später in St.Petersburg für Aufregung. Beim Stand von 0:4 im Entscheidungssatz gegen Marin Cilic wurde der Russe von Schiedsrichter Jean-Philippe Dercq verwarnt, weil er sich «zu wenig anstrengte». Er habe zu viele Doppelfehler fabriziert, so Dercq. Davydenko musste 2000 Dollar Busse bezahlen und verlor die Partie nach der Diskussion mit dem Unparteiischen 6:1, 5:7, 1:6. Ob er absichtlich schlecht spielte? Entscheide selbst:
St.Petersburg war auch schon 2006 ein scheinbar beliebter Fleck für die Wettbetrüger. Wie Novak Djokovic gemäss der «Daily Mail» jetzt bestätigt hat, wurde ihm damals ein Angebot von rund 150'000 Franken unterbreitet, wenn er eine Partie verliert. Die Betrüger hätten allerdings nicht ihn persönlich kontaktiert, sondern Mitarbeiter aus seinem Team, welche natürlich sofort abgelehnt hätten.
Trotzdem dürften unmoralische Angebote für die nicht absoluten Stars durchaus reizvoll sein. Eine Karriere dauert vielleicht zehn Jahre. Männer können ungefähr ab Position 150 vom Sport leben, Frauen ab Position 100. «Allerdings kann man dann noch nicht viel auf die Seite legen», sagt Flückiger.
Wirklich lange wegen Manipulation gesperrt wurde bisher erst ein bekannter Spieler: Daniel Köllerer. Der Österreicher bestätigte, dass ihm in Chennai, Moskau und Paris Unbekannte bis zu 50'000 Euro boten, wenn er absichtlich verliert. Er habe die Angebote abgelehnt. 2011 wurde die ehemalige Weltnummer 55 vom internationalen Tennisverband trotzdem lebenslänglich gesperrt. Ansonsten sind seit 2008 18 Bestrafungen ausgesprochen worden und fünf weitere lebenslange Sperren von unbekannteren Spielern.