Digital
Datenschutz

Einreise in die USA – Tipps gegen «Extreme Vetting»

US-Grenzbeamte können dich auffordern, dein Handy zu entsperren. Was dann?
US-Grenzbeamte können dich auffordern, dein Handy zu entsperren. Was dann?bild: boing boing

Wer in die USA reist, muss mit dem Schlimmsten rechnen – 11 Fakten und Irrtümer

Vor den US-Grenzbeamten sind weder Smartphone-Kontakte noch WhatsApp-Chats sicher. Das musst du wissen, um den Super-GAU zu vermeiden.
06.04.2017, 15:4919.03.2025, 14:03
Mehr «Digital»

Dank Edward Snowden wissen wir, dass die US-Regierung das gesamte Internet überwacht und Freund und Feind bespitzelt. Unter dem Vorwand, islamistische Terroristen zu bekämpfen, haben George W. Bush und Barack Obama einen gewaltigen staatlichen Überwachungsapparat aufgebaut.

Der amtierende Präsident setzt das unrühmliche Werk fort. Laut Regierungsvertretern will Trump die Grenzkontrollen verschärfen, um «Really Bad People» an der Einreise zu hindern.

Der Bericht des Wall Street Journal hat bei den watson-Usern für beträchtliche Aufregung und viele Kommentare gesorgt.

Es existieren offenbar auch Missverständnisse, die wir mit diesem Beitrag aus dem Weg räumen möchten. Und für USA-Reisende gibt's praktische Ratschläge.

Niemand ist vor willkürlichen Kontrollen sicher

Es sei denn, du hast einen Diplomatenpass. Für alle anderen gilt: Wer auf Nummer sicher gehen will, reist nicht in die USA. Punkt.

Auch wenn Menschen aus muslimischen Staaten überdurchschnittlich häufig kontrolliert werden, sollten sich weiss-blonde Westeuropäer nicht sicher fühlen. An den Flughäfen werden Reisende unregelmässig und nach dem Zufallsprinzip «herausgefischt». Es kann wirklich jeden und jede treffen.

Keine Geräte mit persönlichen Daten mitführen

Das gilt übrigens auch für Digitalkameras.

Die Grenzbeamten brauchen keine Beweise, um Notebooks und andere elektronische Geräte zu untersuchen; nicht einmal ein Anfangsverdacht für illegales Verhalten ist nötig. Bei jedem Grenzübertritt haben die Kontrolleure das Recht, alle Gegenstände im Besitz des Reisenden zu überprüfen. Wenn sie wollen, können alle Dateien, respektive Datenträger, kopiert werden. Das heisst, möglicherweise kompromittierende Informationen könnten auch erst später entdeckt werden.

Das heisst: Kein Smartphone, Tablet oder Laptop mitführen, auf dem schützenswerte Daten gespeichert sind. Gefährdet sind aber auch in der Cloud (auf Servern) abgelegte Daten, falls man über das mitgeführte Gerät darauf zugreifen kann.

Mitgeführte Geräte können beschlagnahmt werden

Von Grenzbeamten durchsuchte Laptops und Co. können für einen unbestimmten Zeitraum konfisziert werden. Bis zur Rückgabe können mehrere Wochen vergehen. Daher sollte man nur Geräte mitnehmen, auf die man längere Zeit verzichten kann.

Maya Eldorado
Leser-Kommentar von Maya Eldorado
05.04.2017 08:59
Glück hat, wer für diesen Fall noch ein uralt Nokia hat. Da gibts nicht viel zum Spionieren.
Zu: Warum du bei deiner nächsten Reise in die USA wohl dein Facebook-Passwort angeben musst
«Kooperieren Sie mit den Zollmitarbeitern. Diese sitzen am längeren Hebel. Lassen Sie sich nicht zu Diskussionen über den Sinn dieser Massnahmen hinreissen. Fragen Sie nach einer Quittung für beschlagnahmte Hardware. Fragen Sie nach, wieso Ihr Gerät konfisziert oder kontrolliert wurde. Seien Sie darauf vorbereitet, dass man Ihnen alles wegnehmen kann – bei der Ein- oder der Ausreise.»

Das Facebook-Konto löschen

Ja, ich empfehle diese radikale Massnahme.

Wer kein Facebook-Konto besitzt, ist in der glücklichen Lage, kein Passwort verraten zu müssen. Grenzbeamte sind nicht dumm: Weil sie Namen und Vornamen kennen, können sie im Internet nach Treffern suchen. Wenn sie dann noch ein gut erkennbares Profilbild finden, ist man erledigt ...

Heikel sind auch Twitter-Profile. Vor allem dann, wenn man sich in Tweets besonders USA-feindlich gezeigt hat. Immerhin ist es für die Kontrolleure schwieriger, ein Profil zuzuordnen, weil es bei vielen an einem erkennbaren Porträtbild mangelt. Verräterisch könnte aber ein Eintrag in den Einstellungen sein.

Niemals lügen und nichts zu verstecken versuchen!

Einen US-Grenzbeamten zu belügen ist eine Straftat. Das kann eine empfindliche Busse oder Schlimmeres nach sich ziehen. Wie zum Beispiel den Entzug der Aufenthaltsgenehmigung oder das Verhängen eines längeren Einreiseverbotes.

Keine gute Idee ist es, auf einem mitgeführten Gerät Daten zu verstecken. Sei dies in unsichtbaren Ordnern oder auf speziellen Festplatten-Partitionen. Die Kontrolleure können auf leistungsfähige Forensik-Software zurückgreifen, die nicht nur alle Daten absaugt, sondern auch Verstecktes aufspürt ...

Cool bleiben, freundlich lächeln ...

CHICAGO, IL - SEPTEMBER 19: International travelers wait to have their passports checked at O'Hare International Airport on September 19, 2014 in Chicago, Illinois. OHare is the first airport in  ...
Bild: GETTY IMAGES NORTH AMERICA

Wer meint, nichts zu verbergen zu haben, täuscht sich

Wenn die US-Grenzbeamten private und berufliche Daten kopieren, wie zum Beispiel Handy-Nummern und hunderte Social-Media-Kontakte, dann kann dies für den Betroffenen und auch für Dritte unabsehbare Folgen haben. Man stelle sich vor, eine Person gilt zu einem späteren Zeitpunkt aus Sicht der USA terrorverdächtig oder wird wegen einer anderen schweren Straftat gesucht: Wer mit ihr in Verbindung gebracht werden kann, muss wohl mit massiven Konsequenzen rechnen, von Befragungen bis hin zu einem Flug- bzw. Einreiseverbot.

In WhatsApp-Chats oder geschlossenen Facebook-Gruppen über die USA fluchen – würdest du das immer noch tun?

«(...) unser Sozialleben ist in den letzten Jahren in die Sozialen Medien hinein gewandert. Wir tauschen uns heute mit Freunden aus und diskutieren dort auch politische Themen. Wenn das in Gefahr ist, von anderen mitgehört zu werden, verändert sich auch der Teil des Sozialverhaltens.»
Professor Daniel Michelis quelle: heute.de

Die US-Grenzwächter haben nicht nur Terroristen im Visier, sondern auch Kiffer

Das gilt sogar auch für Cannabis-Konsumenten aus medizinischen Gründen.

«Einreisende werden nicht nur gefragt, ob sie Cannabis konsumiert haben, sondern es wird gezielt nach den kleinsten Hinweisen gesucht. Dies umfasst auch die Sichtung von Fotos in Mobiltelefonen, Social-Media-Accounts, E-Mails und aller anderen digitalen Spuren, die auf PC oder Smartphone zu finden sind.»

In einigen US-Staaten ist der Konsum legal, an der Landesgrenze sollte man nicht mal darüber reden

FILE- In this Oct. 4, 2016, file photo, farmworkers remove stems and leaves from newly-harvested marijuana plants, at Los Suenos Farms, America's largest legal open air marijuana farm, in Avondal ...
Bild: Brennan Linsley/AP/KEYSTONE

Sind solche Kontrollen ein neues Phänomen?

Nein. Es gab sie schon unter Barack Obama.

Seit Jahren beschweren sich immer wieder Reisende, die den Grenzbeamten Zugriff auf mitgeführte elektronische Geräte und die gespeicherten Daten geben mussten. In den letzten Monaten haben die Kontrollen aber massiv zugenommen.

Allein im Februar 2017 wurden mit 5000 durchsuchten Geräten offiziell mehr Fälle verzeichnet als im ganzen Jahr 2015. 2016 (unter Obama) verfünffachte sich die Zahl mit insgesamt 23'877 durchsuchten elektronischen Geräten.

Dieses Jahr wird es wohl wiederum ein X-Faches.

Kontrollen sind auch im Landesinnern möglich

Ja, zum Beispiel auch in der Stadt New York.

Die U.S. Customs and Border Protection (CBP) ist eine der grössten Strafverfolgungsbehörden der Welt. Ihre Beamten können auch hinter den Landesgrenzen «zuschlagen».

Wer hier durch ist, kann immer noch kontrolliert werden

Bild
Was ist «Extreme Vetting»?
Im Wahlkampf hatte Donald Trump einen Einreisestopp für Muslime gefordert. Später sprach der US-Politiker nicht mehr von einem Einreiseverbot, sondern forderte extrem detaillierte Sicherheitsüberprüfungen («Extreme Vetting») für Migranten. Regierungsvertreter liessen bereits durchblicken, dass damit schwere Eingriffe in die Privat- und Intimsphäre gemeint sind. So sollen Grenzbeamte etwa in privaten Facebook-Profilen herumschnüffeln, um Hinweise auf Extremisten zu finden. Bürgerrechtler und Anti-Terror-Experten haben sich öffentlich gegen solche Massnahmen ausgesprochen.

Google und Co. könnten uns schützen, tun es aber (noch) nicht

Der Boing-Boing-Blog hat im Februar einen lesenswerten Beitrag veröffentlicht, dass uns allein die grossen Tech-Konzerne vor «invasiven» Grenzkontrollen schützen könnten.

Fakt ist: Google, Apple und Co. haben umfangreiche Massnahmen getroffen, um eigene Mitarbeiter (und deren mitgeführte Geschäftsgeheimnisse) zu schützen. Solche Prozeduren (sozusagen ein «Unterwegs-Modus») wären auch für die Hunderten Millionen Kunden denkbar. Weil sich damit kein Geld verdienen lässt, dürften dies aber auf sich warten lassen.

Ja, es gebe noch nicht einmal standardmässige Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei populären Diensten wie Apple Mail oder Google Mail, geben Datenschützer zu bedenken.

Andere Staaten verletzten auch die Privatsphäre

Aus Kanada sind ebenfalls schon Übergriffe auf die Geräte und privaten Daten von Flugreisenden publik gemacht worden – von totalitären Staaten in Asien nicht zu reden.

Bild
screenshot: theverge

Vorreiter in Sachen «Extreme Vetting» war der Staat Israel. Die Sicherheits-Checks der Fluggesellschaft El-Al sind berühmt-berüchtigt. So musste etwa 2012 eine US-Palästina-Aktivistin einem Kontrolleur den Zugriff auf ihr Gmail-Konto ermöglichen.

Wo erhalte ich noch mehr Informationen, um mich auf die Einreise vorzubereiten?

Die Bürgerrechtler der Electronic Frontier Foundation (EFF) haben ein Handbuch zum Verhalten vor und während der Einreise in die Vereinigten Staaten veröffentlicht. Das 50-seitige Werk kann hier kostenlos als PDF abgerufen werden.

Pro-Tipp: Das PDF sollte nicht auf einem mitgeführten Gerät von neugierigen Grenzbeamten entdeckt werden können. 😉

Hier schreibt ein Amerikaner, warum man das Handy zuhause lassen sollte

Bild

Threema – der sichere Smartphone-Messenger aus der Schweiz

1 / 33
Threema – der sichere Smartphone-Messenger aus der Schweiz (26.8.2016)
Threema ist eine benutzerfreundliche Messenger-App aus der Schweiz, die praktisch abhörsicheres Chatten per Smartphone und Tablet ermöglicht.
quelle: getty images europe / joerg koch
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
87 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Dominik I.
06.04.2017 16:25registriert Dezember 2014
Du wirkst schlussendlich wahrscheinlich fast verdächtiger, wenn du alles gecleart hast... Logisch würde ich Nacktföteli nicht dabei haben wollen, aber gleich FB-Account sowie alle Daten auf Telefon, Laptop, etc. löschen? Halte ich für übertrieben.
01
Melden
Zum Kommentar
avatar
Ursegg
06.04.2017 17:03registriert November 2015
Jagen Sie uns nicht ins Bockshorn! Meine Frau (US Bürgerin) und ich reisen seit Jahrzehnten mehrmals pro Jahr in die USA und hatten noch nie das geringste Problem.
Meine Frau wurde einmal richtig bis auf die Unterwäsche gefilzt und zwar bei der Ausreise im Zürich Airport. Das war sehr rüde und unanständig von den Schweizer Zöllnern. Gefunden haben sie nichts, aber der ganze Flieger musste warten.
05
Melden
Zum Kommentar
avatar
reaper54
06.04.2017 16:08registriert März 2015
Na dann wünsche ich allen viel Spass, die nach Saudi Arabien, Iran, Qatar, Dubai etc... in die Ferien gehen. Da kann man geköpft oder gesteinigt werden, etwas abhacken soll auch beliebt sein. Als Frau sollte man solche Reisen generell nicht antreten.
Ganz im ernst, ich war schon weit mehr als 1x in der USA und die grössten Probleme hatte ich immer beim Zurückkommen in die Schweiz, in der USA ausser langen Warteschlangen kein Problem. Es geht nur ums USA-Bashing hier.
04
Melden
Zum Kommentar
87
    Snapchat will keine Prognosen mehr abgeben – wegen Trumps Zoll-Wirrwarr
    Die wirtschaftliche Unsicherheit nach den Zoll-Ankündigungen von Präsident Donald Trump schlägt auf das Geschäft der Foto-App Snapchat durch. Die Betreiberfirma Snap verzichtet auf eine Prognose für das laufende Vierteljahr.

    Dies, nachdem man zum Start des Quartals «Gegenwind» für das Geschäft verspürt habe. Die Aktie fiel im nachbörslichen Handel zeitweise um mehr als 15 Prozent.

    Zur Story