
Sag das doch deinen Freunden!
Herr Hansjakob, in Zürich müssen Kiffer jetzt keine Bussen mehr zahlen, wenn sie nicht in flagranti erwischt werden, richtig?
Thomas Hansjakob: Nein, nicht richtig. Auch wenn er nicht weiter gezogen wird, würde ich den Entscheid des Bezirksgericht Zürich nicht zum Grundsatzentscheid hochstilisieren. Es handelt sich um einen Einzelfall.
Sie würden Kiffern also nicht raten, es den Jus-Studenten gleich zu tun, und Ordnungsbussen anzufechten, wenn sie weniger Gras als 10 Gramm dabei hatten und nicht beim Kiffen gesehen wurden?
Nicht jeder hat so viel Glück wie diese Jus-Studenten. Ich würde den Kiffern davon abraten. Denn nicht jedes Gericht würde gleich entscheiden. Wenn, dann würde ich Kiffern raten, dort zu kiffen, wo es niemanden stört oder wo sie nicht dabei erwischt werden. Das Risiko, dass man am Ende mehr bezahlt, als die Ordnungsbusse gewesen wäre, ist sehr gross, wenn man gegen sie Beschwerde einreicht.
Warum?
Schon eine andere Abteilung des Bezirksgerichts Zürich könnte anders entscheiden als dieser Richter. Wenn man den Prozess dann verliert, werden einem die Busse und die Kosten des Strafverfahrens aufgebrummt.
watson kennt andere Fälle, in denen Kiffer davon kamen. Das Gesetz ist schwammig formuliert.
Ja das mag sein. Es handelt sich aber um einen Streit auf sehr hoher Ebene, der in der Praxis keine Probleme bereitet: Wer mit weniger als 10 Gramm Cannabis von der Polizei angehalten wird, gibt meistens zu, dass er konsumiert, und akzeptiert die Ordnungsbusse. Die Gesetzeslage ist klar, Besitz bis 10 Gramm ist straflos, Konsum ist strafbar.
Der Student argumentierte vor Gericht erfolgreich, dass «zum Eigenkonsum vorbereiten» eher dasselbe wie «besitzen» sei und nicht das gleiche wie «konsumieren».
Wozu sollte die Person es aber besitzen, wenn nicht zum Konsumieren? Zum Verkaufen? Das müsste die Person dann erklären. Es müsste eine Person sein, die noch nie im Leben gekifft hat und jetzt das erste Mal Cannabis zum Eigengebrauch gekauft hat.
Voilà, da haben wir einen Fall!
Ja, wenn diese Person dann nicht bestraft würde, wären wir ja alle einverstanden, oder?
Stimmt. Aber spricht aus Ihnen jetzt nicht der beleidigte Staatsanwalt, der von Studenten ausgetrickst wurde? Sie haben die Ordnungsbusse ja praktisch erfunden.
Was ich schon alles erfunden haben soll! Es stimmt, dass wir die Ordnungsbusse für solche Fälle in St.Gallen schon seit 2003 kennen und ich in den parlamentarischen Kommissionen zum Ausbau des Modells auf Bundesebene geraten habe. Die Ordnungsbusse ist ein gutes Modell, sie kommt auch dem Kiffer zugute.
Inwiefern?
Es wird kein Strafverfahren eröffnet, der Gebüsste wird nirgends registriert. Der Vorfall wird als Bagatelldelikt behandelt, ähnlich wie eine Parkbusse und wenn jemand nicht damit einverstanden ist, wird die Sache trotzdem in ein ordentliches Strafverfahren überführt.
Aber vor allem ist der Polizei und Justiz geholfen.
Ja, das Verfahren ist schlank, die Polizisten müssen keine Einvernahmen durchführen, keine Rapporte und Protokolle erstellen und die Justiz muss sich nicht mit unbestrittenen Strafverfahren herumschlagen. Das kommt schlussendlich auch dem Steuerzahler zu gute. Der Gebüsste profitiert, weil er keine Verfahrenskosten tragen muss und nicht registriert wird.
In Ihnen schlagen zwei Herzen. Sie verteidigen das Gesetz als Staatsanwalt, sie sind aber Sie für die Legalisierung des Cannabis-Konsums.
Ja, das weiss man von mir. Ich halte es nicht für nötig, dass man erwachsene Kiffer bestraft, aber wenn man es schon tut, dann wenigstens in einem schlanken Verfahren.
Warum halten Sie es nicht für nötig?
Weil ich Cannabis als ähnlich gefährlich wie Alkohol einstufe. Den Alkohol-Markt kontrollieren wir aber. Die Gewinne aus dem Cannabis überlassen wir heute kriminellen Kräften, die sich im Markt etabliert haben. Wenn der Staat den Markt, die Qualität und die Preise kontrollieren würde, könnte er auch Steuern erheben und daraus direkt wieder in die Prävention investieren. Die kontrollierten Händler könnten bloss gute Qualität, nur an Erwachsene und ohne Werbung verkaufen.
Vielleicht würden dann mehr Leute abhängig werden?
Bei guter Präventionsarbeit nicht. Und mit dem heutigen System entgehen uns ja jene Jugendlichen, die wirklich ein Abhängigkeitsproblem haben. Sie leben in der Illegalität und erhalten keine Hilfe, wenn sie sie nicht aktiv suchen.
Aber ja, die Gegner sind zu viele und leider meist ungebildet. Wer sich eine Stunde mit dem Thema Canabis auseinander setzt, erkennt die Vorzüge.
Ein Recht, das unverständlich (oder wie hier gar willkürlich) wird, und das nicht gleichermassen allen Menschen (sondern nur gutbetuchten) zugänglich ist, verliert letztlich die Anerkennung. Genauso wie auch dessen Repräsentanten, die solche Willkür pflegen.