Es sind zwar nicht mehr die extremen Temperaturen, die wir dieser Tage erleben. Ganz schön warm ist es dennoch – gerade in den Städten. Darunter leiden in erster Linie ältere Menschen, der Zusammenhang zwischen der Hitze und der Sterblichkeit ist statistisch klar erwiesen.
Im Hitzesommer 2003 starben in der Schweiz rund 1000 Personen mehr als üblich, 2015 waren es rund 800. Dabei zeigt sich, dass ab einer gefühlten Temperatur von 32 Grad die Mortalitätsquote deutlich nach oben schnellt.
Interessanter Nebenaspekt: In «kalten» Städten wie Stockholm beginnt dieser statistische Knick bei deutlich tieferen Temperaturen als etwa in Rom. Nicht nur gewöhnt sich die Bevölkerung an die Hitze, auch bauliche Massnahmen haben einen nachweisbaren Einfluss auf die Zahl der Todesfälle.
Der Rekordsommer 2003 hat auch in der Schweiz zu einem Umdenken geführt. Seit 2005 geben das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und das Bundesamt für Umwelt (Bafu) Verhaltensempfehlungen heraus, um die Risikopersonen, aber auch Ärzte und Pflegepersonal für die Gefahr zu sensibilisieren. So soll man bei grosser Hitze körperliche Anstrengungen vermeiden, Wohnung und Körper möglichst kühl halten und mindestens 1,5 Liter pro Tag trinken.
In welcher Form die entsprechenden Informationen an die Bevölkerung weitergegeben werden, obliegt jedem einzelnen Kanton. Vor allem aber gibt es eine ganze Reihe von Massnahmen, die über eigentliche Verhaltentipps hinausgehen – etwa spezielle Ausbildungskurse im Gesundheitswesen, Kampagnen in der Baubranche oder ein Hitzewarnsystem, das eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Kantonsarztamt und Meteo Schweiz erfordert. Wird der Alarm ausgelöst, gibt es nicht nur spezielle Informationen über die üblichen Kanäle, sondern auch Massnahmen wie eine kurzfristige Aufstockung des Gesundheitspersonals oder eine Erhöhung der Spitalbetten.
Besonders weit geht das sogenannte «Buddy-System»: Bei hohen Temperaturen rufen eigens ausgebildete Betreuer zuvor registrierte Risikopersonen an oder gehen sogar bei ihnen zu Hause vorbei, um sie auf die Gefahr aufmerksam zu machen und Verhaltenstipps abzugeben. Die Senioren müssen sich dazu aber vorgängig bereit erklären.
All diesen «Zusatzanstrengungen» gemeinsam ist, dass sie nur in Kantonen der Romandie angewendet werden, teilweise gar nur in einzelnen Gemeinden. Wie das Schweizerische Tropenund Public-Health-Institut (Swiss TPH) gestern an der Medienkonferenz zu den Anpassungen an den Klimawandel bekannt gab, ist der Aufwand gerechtfertigt: «Städte, die griffige Massnahmen implementiert haben, weisen einen Rückgang der hitzebedingten Sterblichkeit auf», sagt Martin Röösli, Professor für Umweltepidemiologie. Dies treffe für Genf, Lausanne oder Lugano zu, wohingegen Basel, Bern oder Zürich Aufholpotenzial hätten.
Städtische Gebiete stehen besonders im Fokus, weil sie «anfälliger» sind für sogenannte Tropennächte. Bei anfälligen Personen erholt sich der Körper dann nicht mehr ausreichend. Die Forscher des Swiss TPH haben verglichen, wie sich die Sterblichkeitskurven nach 2003 je nach Region verändert haben.
Einen Lichtblick gibt es aber auch in der Deutschschweiz: Entgegen der Erwartung gab es im Juni dieses Jahres trotz überaus heisser Temperaturen keine überdurchschnittliche Zunahme der Todesfälle.