Schweiz
Schule - Bildung

Schikane für wissenschaftliche Kritiker am Frühfranzösisch

ZUM THEMA FRUEHENGLISCH AN SCHWEIZER SCHULEN STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES NEUES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG --- English dictionaries and a primer are displayed in a third grade English class at Feld sc ...
Ob Englisch oder Französisch, der Nutzen des frühen Fremdsprachenunterrichts ist laut der internationalen Forschung zumindest umstritten. Das hört die Bildungslobby nicht gerne.Bild: KEYSTONE

Politiker schikanieren wissenschaftliche Kritiker am Frühfranzösisch

18.09.2016, 05:3318.09.2016, 08:46
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In der internationalen Sprachenforschung geht man davon aus, dass früher Fremdsprachenunterricht für Kinder sich später nicht zwingend vorteilhaft auf die Sprachfähigkeiten der Jugendlichen auswirkt. Schüler, die später Französisch oder Englisch lernen, holen sehr rasch auf. Wer aber als Wissenschaftler in der Schweiz solche Befunde verbreitet, sticht in ein Wespennest, wie die «NZZ am Sonntag» am Beispiel mehrerer Forscher zeigt.

Schuld ist der politisch stark aufgeladene Sprachenstreit um Frühfranzösisch und/oder Frühenglisch. Die Zeitung schildert unter anderem den Fall der jungen Forscherin Simone Pfenninger, die sich daran machte, die Annahme «Früher-desto-besser» zu bestätigen. Es gelang ihr nicht – wie es auch der internationalen Forschung regelmässig nicht gelingt.

Doch anstatt diesen Befund, der weder für Frühenglisch noch für Frühfranzösisch spricht, zur Kenntnis zu nehmen, wurde der Präsident der Erziehungsdirektorenkonferenz EDK, Christoph Eymann, gegenüber Pfenninger persönlich: Ihre Arbeit genüge «offensichtlich qualitativ» nicht, schrieb er in einem Artikel in der «Basler Zeitung» unter Hinweis darauf, dass ihre Studie in einer internationalen Forschungsübersicht nicht berücksichtigt wurde. Aus seiner Sicht können aus der Arbeit der preisgekrönten Forscherin und baldigen Professorin an der Universität Salzburg zudem «keine Erkenntnisse für die aktuelle Diskussion abgeleitet werden».

Christoph Eymann, Praesident der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK, spricht ueber die Milchkuh-Initiative, am Montag, 11. April 2016, in Bern. (KEYSTONE/ Peter Schneider)
EDK-Präsident Christoph Eymann hat etwas dagegen, wenn Pfenningers Studie als «ultimativer Beweis» gegen den frühen Fremdsprachenunterricht herhält.Bild: KEYSTONE

Laut «NZZ am Sonntag» kriegte Pfenninger den Unmut der Politik auch direkt zu spüren. Die Anwesenheit der redegewandten Frau an Podiumsgesprächen sei kritisiert worden und man habe ihr offen gesagt, es wäre besser, wenn ihre Studie nie erschienen wäre. Offenbar ist sie auch kein Einzelfall: Auch andere Studienübersichten, welche die Vorteile des frühen Fremdsprachenunterrichts kritisch beleuchten, kämen bei der «Bildungslobby» schlecht an, heisst es weiter. Politisch Verantwortliche verweigerten das Gespräch und einzelne Forscher bangten um Fördergelder und Karriere. Der Freiburger Professor für Mehrsprachigkeit, Raphael Berthele, kritisiert, dass Resultate und Erkenntnisse selektiv herausgepickt würden.

Eine Erklärung für das angeblich ablehnende Verhalten der Politik gegenüber wissenschaftlichen Kritikern ist laut «NZZ am Sonntag», dass für die EDK viel auf dem Spiel steht: Einerseits geht es um die Macht in der Bildungspolitik – traditionell Sache der Kantone – gegenüber dem Bund. Andererseits wurde viel in die Ausbildung von Lehrern investiert, die Fremdsprachen in der Unterstufe unterrichten. Eine Änderung würde nochmals teuer.

Eymann bestreitet laut der Zeitung, dass er die wissenschaftliche Arbeit Pfenningers geringschätzt. Für ihn sei es aber nicht zulässig, dass ihre Studie als «ultimativer Beweis» gegen den frühen Fremdsprachenunterricht herangezogen wird. Von politischem Druck auf Wissenschaftler wisse er nichts. Aus seiner Sicht gibt es aber zu viele Studien im Bildungsbereich.

(trs)

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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Töfflifahrer
18.09.2016 08:16registriert August 2015
Für unsere hochgelobten Politiker ist wohl die Bildung wirklich das Letzte an dem sie sich noch so richtig austoben können. Daher wohl die Inquisition. Wer schon mal gesehen hat wie schnell junge Leute Sprachen lernen, wenn sie wollen und es sie auch interessiert, glaubt den Studien sich eher als dem unqualifizierten Geplapper einiger narzisstisch veranlagter Politiker. Die als Qualifikation gerade mal ihren eigenen Schulbesuch vorweisen können.
Wie in allen Gebieten darf man doch verlangen, dass diese sog. Volksvertreter alle Informationen adäquat berücksichtigen.
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Piri
18.09.2016 06:20registriert September 2015
Diese Ignoranz ist schon sträflich, schon Remo Largo kritisierte den Frühfremdsprachunterricht. Dann kostet es den Steuerzahlet viel Geld und viele Kinder sind mit zwei Fremdsprachen schlichtweg überfordert und entwickeln vor allem eine Aversion aufs Französisch. Ich kenne etliche Kinder, die Französisvh hassen inkl. meiner und wir hatten bezüglich dieser Sorache schon früh, schwierige Hausaufgsbenmomente !!
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dracului
18.09.2016 09:55registriert November 2014
Ich sehe ein Problem darin, dass hierzulande die Lehrer dazu verdonnert werden eine Sprache zu lehren, die sie selber kaum sprechen. Der Kontakt mit Lehrpersonen, die eine Sprache als Muttersprache beherrschen, wäre gerade im Frühsprachemunterricht unabdingbar. Im Moment zerstören die Kantone die Freude an der Sprachenvielfalt mit ihren unbeholfenen Früh-Français-Fédéral-Versuchen. Erlösen wir die Lehrer und Politiker und tun wir zur Abwechslung mal etwas Sinnvolles für die Kinder! Gerade Französischlehrpersonen hätten wir in der Schweiz quasi vor der Tür bzw. in den Nachbarkantonen.
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