Sie nennen ihn liebevoll Jumbolino, das Elefäntchen: Passagiere, Piloten, Aviatik-Fans und Flugbegleiter trauern derzeit dem Swiss Avro RJ100 nach. Bereits am Montag flog der Kult-Jet seine letzte kommerzielle Strecke, am Dienstag fand nun der allerletzte Flug statt – vollgepackt mit Journalisten und Swiss-Mitarbeitern.
10:00 Dienstagmorgen: Die letzte von ursprünglich 21 Maschinen wird durch die Flughafenfeuerwehr in Genf mit einer Wasserfontäne verabschiedet. So will es die Tradition. Dann, um Punkt 10.15 Uhr, hebt der Avro in Richtung Zürich ab. Geplant ist eine besondere Flugstrecke. Kapitän und Avro-Flottenchef Michael Weisser und sein Stellvertreter Kapitän Peter Huber fliegen den Jumbolino für seine letzte Schweizer Reise über den Mont Blanc, drehen eine Runde um das Matterhorn, und kreuzen Eiger, Mönch und Jungfrau.
Bei der Ankunft am Flughafen Zürich halten Swiss-Mitarbeiter ein Transparent in die Höhe. «Thank you and goodbye Avro» steht darauf. Auch zahlreiche Aviatik-Fans und Schaulustige haben sich auf der Terrasse des Flughafens eingefunden, um den Flieger zu verabschieden.
«Die Maschine hat ganz viele Fans», sagt Swiss-CEO Thomas Klühr am Abschiedsevent. Tatsächlich begleiteten die Jumbolinos in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Schweizer Familien in die Ferien. Zuerst mit der Crossair, später dann mit der Swiss.
Auch bei der Besatzung war der Flieger beliebt: Wehmut war das meistgebrauchte Wort der Crew auf dem letzten Flug. Er werde besonders die einzigartige Luftbremse des Jumbolinos vermissen, erzählt Kapitän Peter Huber, der die Maschine über sieben Jahre lang flog. Diese könne sowohl zum schnellen Verringern der Geschwindigkeit am Boden, als auch zum Abbremsen in steilen Anflügen verwendet werden. Auch dank ihr seien die Avros bei schwierigen Flughäfen gut einsetzbar.
Flugbegleiterin Cornelia Häner hingegen schätzte besonders die intime Atmosphäre, die in den Avros herrschte: «Im Jumbolino flogen wir jeweils nur mit einer kleinen Crew und wenig Passagieren.»
Auch Swiss-Generaldirektor Lorenzo Stoll gibt sich nostalgisch, freut sich aber auf die neue Bombardier C Series, die den Avro ersetzen wird.
Der Jumbolino hat zwar in der Schweiz keine Zukunft mehr, ausgeflogen hat es sich für das von der Swiss geleaste Kleinflugzeug aber noch nicht. Stoll: «Die Maschinen gehen zu ihren Besitzern zurück, in die Karibik, Südamerika, Peru, Chile und Kanada.» Dort sollen sie weiter als Passagierflugzeuge dienen oder anderweitig eingesetzt werden.
Die Avros haben auch ihre Fähigkeit als Brandlösch-Tankflugzeug bewiesen. So sei die Chance gross, schreiben Fachzeitschriften, dass die Ex-Swiss-Flieger bald einmal Brände bekämpfen werden. Möglich wäre auch ein Einsatz auf Flughäfen in grossen Höhen, denn die Maschinen sind auch für schwierige Pisten geeignet. Das macht die Jets auch interessant für Shuttleflüge an entlegene Gebiete.
Von den zahlreichen Zwischenfällen, die sich in den letzten Jahren häuften, war am Abschiedsevent nicht die Rede. Dabei musste eine Crew im Jahr 2016 wegen Ölgeruch mit Atemmasken fliegen, eine andere den Start abbrechen, weil die Triebwerksensoren einen Brand anzeigten. Als «Klapper-Flieger Jumbolino» bezeichneten einige Medien die Maschine gar.
Auf den sozialen Netzwerken trauern derzeit zahlreiche Fans dem Flugzeugtyp nach. «Eine Ära geht zu Ende», sagt auch Simeon Lüthi, Betreiber der Instagram-Seite zuerichspotter, die sich der Aviatik widmet. Der Jumbolino sei eine Ikone unter Flugzeug-Fans. Grund sei das etwas unförmige Aussehen des Fliegers: Klein, aber mit einem breiten Rumpf und vier Triebwerken.
Werde den fliegenden Wal am Himmel auch ein bisschen vermissen. #Jumbolino https://t.co/vdajq8MXi4
— Karin Halim (@KarinNaegeli) 15. August 2017
Bye Bye #Jumbolino 😓
— Dani 🎟 (@GoogleKnowsUs) 15. August 2017
Auf Instagram publizieren auch Flugbegleiter seit einigen Wochen nostalgische Posts. fyling_sabi beispielsweise schreibt: «Wir haben zusammen viel durchgemacht. Ich werde dich nie vergessen.»