Grösser, teurer, besser? Die Olympischen Spiele stecken seit Jahren in einer Sackgasse. Umdrehen? Scheinbar unmöglich. Wer will schon schlechter sein als der Vorgänger? Niemand. Darum fällt es dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) so schwer, sich vom Gigantismus zu lösen.
Das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest wächst und wächst. Immer grösser. Immer teurer. Immer besser? 2013 hat der Eidgenössische Schwingerverband eine Studie in Auftrag gegeben, um die Entwicklung des Festes zu analysieren. Offenbar haben die Verantwortlichen erkannt, dass dem Schwingsport Gefahr droht, in die olympische Sackgasse einzubiegen.
Die Hauptaussage aus der Studie lautet: «Die Ergebnisse aus der Analyse haben gezeigt, dass Charme und Ursprung durch die immer grösser werdenden Feste verloren gehen. Ziel ist es nun, diesen ursprünglichen Charme zu bewahren.» Trotzdem: Aus dem Fest ist längst ein Event geworden, wo das Drumherum ebenso wichtig ist wie das Geschehen im Sägemehl.
2001 in Nyon und 2004 in Luzern betrugen die Ausgaben jeweils 7,9 Millionen Franken. In Aarau 2007 waren es bereits 18 Millionen, 2010 in Frauenfeld schon 20,9 Millionen. Burgdorf 2013 verbuchte 25,7 Millionen Ausgaben. Und Estavayer hat 29 Millionen budgetiert. Paul Vogel, Obmann des Eidgenössischen Schwingerverbandes, sagt: «Die Ticketeinnahmen decken die Ausgaben für die Arena längst nicht. Deshalb ist es unabdingbar, rund um die Arena zusätzliche Einnahmen zu generieren. Das OK ist auf Sponsoren angewiesen. Diese stellen Forderungen und bestimmen mit, was für ein Drumherum es gibt.»
Ein Defizit gab es letztmals 2001, seither konnten die Organisatoren jeweils knapp im Plus abschliessen, weil sich die Einnahmen in der gleichen Zeit ebenfalls kontinuierlich erhöht haben. Der Weg geht vorerst auf. Das Wachstum wird finanziert.
Der grösste Sportevent der Schweiz aus der Luft gesehen! #esta16 #esaf2016 #estavayer2016 pic.twitter.com/R1EdJO8TkH
— Estavayer2016 (@estavayer2016) 28. August 2016
Immer weiter also? Zumindest bei der Grösse der Arena scheint ein Ende erreicht. 52'000 Plätze sind es in Estavayer, 52'000 waren es schon in Burgdorf. Rolf Gasser, Leiter der Geschäftsstelle des Eidgenössischen Schwingerverbandes, sagt: «Das ist die Grösse, die noch geht. Wollen wir bei der Anzahl Plätze weiter wachsen, müssen wir ins Ausland.» Er wählt die Formulierung bewusst, um zu provozieren. Das Ende ist erreicht. Punkt. «Denn ins Ausland wollen wir mit Sicherheit nicht», sagt Gasser.
Doch wie weiter? Die Studie alarmiert. Den Besuchern wird alles zu viel und zu gross. Gasser sagt: «Ein Zurück ins Reduit gibt es nicht. Wir können dem OK nicht sagen, ihr müsst organisieren wie 1895.» Der Verband versucht daher, Einfluss zu nehmen, wo er kann. «Das Schwingen muss Schwingen bleiben. Die Arena bleibt werbefrei und es gibt nur traditionelle Darbietungen. Da bleiben wir stur.»
Nur, und auch das zeigt die Studie, hatten die traditionellen Schwingfest-Besucher in der Arena durch den Boom immer weniger Platz. Die Sponsoren stellten Ansprüche, wollten ihre Kunden ans Fest bringen. Der Verband hat das erkannt und sich gewehrt. «Wir haben so viele Tickets wie noch nie. Wir hatten in Frauenfeld 28'000 Tickets, in Burgdorf 31'500 und jetzt 32'000. Unsere Basis soll ans Eidgenössische können und wir ermöglichen das», sagt Gasser.
Der Verband versucht den schwierigen Spagat zwischen Brauchtum und Moderne. «Auf der einen Seite sind wir Schweizer vor allem aus wirtschaftlichen Gründen Globalisierungsfreunde. Aber wir wollen unsere Wurzeln. Diesen Kontrast brauchen wir und diesen Kontrast haben wir», sagt Gasser. «Es ist ja auch schön, dass wir in der Schweiz fähig sind, zwischendurch richtig zu spinnen. Wir bauen die grösste temporäre Arena der Welt. Und man darf nicht vergessen, wir haben ja ein Luxusproblem.» Der Schwingsport boomt und profitiert davon.
Das IOC hat mittlerweile das Problem, dass das Volk in demokratischen Ländern den Gigantismus so nicht will. Bei Abstimmungen scheiterten in der Schweiz, Deutschland oder Norwegen Bewerbungen für Winterspiele. Immer grösser? Nicht mit uns, lautet der Tenor der Menschen. Das Luxusproblem wird zum Dilemma.
Dieses Problem hat das «Eidgenössische» nicht. 2019 findet es in Zug statt, 2021 im Grossraum Basel. Für 2025 gibt es sogar bereits drei Bewerber (St.Gallen, Schaffhausen, Glarus). Gasser sagt: «Wir brauchen die ganz grossen Anlässe, um national wahrgenommen zu werden. Wir brauchen aber genauso die kleinen Feste in der Region, um dort Nachwuchsförderung zu betreiben.»
Nur werden allerdings auch die kleinen Feste immer noch grösser. «Solange die Popularität für das Schwingen gross ist, lassen sich die Feste finanzieren», ist Markus Birchmeier vom Aargauer Schwingverband überzeugt. «Sobald aber kein Geld mehr vorhanden ist, wird es automatisch eine Rückbesinnung geben.» Offenbar ist der Schwingsport besser vorbereitet auf Wachstum, als es die Olympischen Spiele waren.