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Die erste Luftseilbahn: Der Wetterhornaufzug bei Grindelwald

Die erste Luftseilbahn der Schweiz war eigentlich mehr ein Aufzug und sollte bis auf die Höhe von 3700 Meter über dem Meer führen.
Die erste Luftseilbahn der Schweiz war eigentlich mehr ein Aufzug und sollte bis auf die Höhe von 3700 Meter über dem Meer führen. Illustration: Marco Heer

Wie ein Deutscher die erste Schweizer Luftseilbahn entwarf

Mit dem Aufzug aufs knapp 3700 Meter hohe Wetterhorn. Davon träumte ein Ingenieur Anfang des 20. Jahrhunderts. Sein Traum wurde teilweise Wirklichkeit und bescherte der Schweiz 1908 die erste Luftseilbahn für den Personenverkehr.
18.12.2021, 18:22
Katrin Brunner / Schweizerisches Nationalmuseum
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Der Wetterhornaufzug bei Grindelwald wurde am 27. Juli 1908 eröffnet und war die erste öffentliche Luftseilbahn für den Personenverkehr der Schweiz. Eigentlich war es nur die erste von vier geplanten Etappen auf das 3692 Meter hohe Wetterhorn, doch die Fachwelt war begeistert.

Der Reiseführer «Baedeker» beschrieb die rund neun Minuten dauernde und 420 Höhenmeter überwindende Fahrt über den damals noch bis zum Hotel Wetterhorn reichenden Oberen Gletscher als «interessant». Und die «Techniker Zeitung» beschreibt ein Jahr nach der Eröffnung den Aufzug als «…erste moderne Luftseilbahnanlage der Welt…».

Die erste Schweizer Luftseilbahn für den öffentlichen Personenverkehr am Wetterhorn, 1909.
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Die erste Schweizer Luftseilbahn für den öffentlichen Personenverkehr am Wetterhorn, 1909.Bild: ETH Bibliothek Zürich
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Die Idee dazu hatte allerdings nicht ein Schweizer. Sie kam von Wilhelm Feldmann. Der deutsche Ingenieur war Anfang des 20. Jahrhunderts mit seiner Familie nach Bern gezogen, nachdem er 1901 in Wuppertal, zusammen mit dem Unternehmer Eugen Lange, das ehrgeizige Projekt einer Schwebebahn realisiert hatte.

Feldmann wird als hartnäckig beschrieben. Ausdauer brauchte er auch für die Projektierung der Wetterhornbahn. Er überlegte, wie man Schienen durch Drahtseile «ersetzen» könnte. Seine Konstruktion sollte ohne Bahntrassee und Geleise und ohne Masten über den darunterliegenden Oberen Gletscher führen. Mit einer 116-prozentigen Neigung war seine Bahn denn eher auch ein Aufzug als eine Luftseilbahn. Daher der Name «Wetterhornaufzug». Das überforderte das Denken von manch einem Zeitgenossen.

Für ein solches Gefährt gab es noch gar keine Formulare, weshalb man sich übergangsweise mit einer Automobil-Konzession behalf.
https://www.recherche.bar.admin.ch/recherche/#/de/archiv/einheit/3246199
Für ein solches Gefährt gab es noch gar keine Formulare, weshalb man sich übergangsweise mit einer Automobil-Konzession behalf.Bild: Schweizerisches Bundesarchiv

Der Aufzug war bei seiner Eröffnung die erste elektrische Luftseilbahn der Schweiz, die ausschliesslich für den Personentransport gedacht war. Unter anderem mit zwei unabhängigen Bremssystemen mit Fangbremsen, automatischem Stromunterbruch bei zu grosser Geschwindigkeit und 45 Millimeter dicken Stahlseilen. Damit war die Bahn auch eine der ersten überhaupt mit ausgeklügeltem Sicherheitssystem, welches Feldmann rechtlich schützen liess. Die Gemeinde Grindelwald sah darin eine weitere hervorragende Touristenattraktion und unterstützte den deutschen Ingenieur in finanzieller Hinsicht und stellte das Land zur Verfügung.

1905 begann der Bau der ersten Etappe zur Station Enge auf 1670 Meter über dem Meer. 1907 erhielt die Bahn die definitive Konzession. Im ersten Betriebsjahr 1908, welches bis September dauerte, machte der Wetterhornaufzug 1880 Fahrten. Während der sechsjährigen Betriebszeit blieb es durchschnittlich bei dieser Anzahl Fahrten. Die einfache Fahrt kostete 3 Franken 50. Für die Hin- und Rückfahrt musste der schwindelfreie Fahrgast 5 Franken berappen.

Fahrplan 1908/09.
https://www.recherche.bar.admin.ch/recherche/#/fr/archive/unite/5527965
Fahrplan 1908/09.Bild: Schweizerisches Bundesarchiv

Wilhelm Feldmann erlebte die Eröffnung «seiner» Bahn nicht mehr. Er starb am 2. Juni 1905 – erst 52 Jahre alt – an den Folgen eines Gehirnschlages. Vielleicht wurden die geplanten drei weiteren Stationen auch deshalb nie gebaut. Oder, der Nachteil, dass die Talstation des Wetterhornaufzuges beim Hotel Wetterhorn ausserhalb Grindelwalds lag, wog zu schwer.

Sicher nicht geholfen hat ausserdem, dass die zweite Etappe nicht direkt an die erste Bergstation angeschlossen, sondern rund 750 Meter weiter oben gebaut werden sollte. Auch wenn die Konzessionäre dies mit blumigen Bemerkungen, wie den zu erwartenden «grotesken Felsbildern» und dem «wunderbaren, immer wechselnden Vordergrund von Gletschern und Gipfeln» zu beschönigen versuchten.

Wilhelm Feldmann wurde auch auf einer Postkarte zur Eröffnung des Aufzugs veröffentlicht.
http://katalog.burgerbib.ch/detail.aspx?ID=199207
Wilhelm Feldmann wurde auch auf einer Postkarte zur Eröffnung des Aufzugs veröffentlicht.Bild: Burgerbibliothek Bern, N Agathon Aerni AK.500

Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs kam auch das Ende des Wetterhornaufzugs. Die fehlenden Touristen versetzten der ersten Luftseilbahn der Schweiz den Todesstoss. Die Konzession, die für 20 Jahre ausgestellt worden war, wurde nie erneuert. Als ein Felssturz die untere Station der Bahn zerstörte, war das Kapitel Wetterhornaufzug endgültig Geschichte.

Das erste Mal…
Es gibt immer ein erstes Mal. In dieser Serie werden historische Schweizer Premieren beleuchtet. Die Themen sind vielfältig: vom ersten Zebrastreifen bis zur allerersten Volksinitiative. Die Beiträge sind in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Bundesarchiv entstanden.
>>> Weitere historische Artikel auf: blog.nationalmuseum.ch
watson übernimmt in loser Folge ausgesuchte Perlen aus dem Blog des Nationalmuseums. Der Beitrag «Die erste Luftseilbahn» erschien am 13. Dezember.
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6 Kommentare
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Limpleg
18.12.2021 22:40registriert November 2015
Mein Urgrossvater hat dort gearbeitet, habe irgendwo ein Bild wo er auf der Kabine (ungesichert) steht mitten in der Fahrt... Eine (nachgebaute) Kabine kann beim Hotel Wetterhorn besichtigt werden, eine Orginale im Verkehrsmuseum.
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DerMeisteDavid
18.12.2021 23:13registriert Oktober 2020
Nächster Artikel mit: Wie ein Deutscher den Gotthardttunnel fertig baute, da der ursprüngliche Ingenieur sich verkalkuliert hatte. + Bonus, wie Italiener ihn bauten.
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