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Das Elektroauto gewinnt und versetzt dem Diesel endgültig den Todesstoss

Elektroautos von VW und Renault an einer öffentlichen Ladestation.
Elektroautos von VW und Renault an einer öffentlichen Ladestation.

Das Elektroauto gewinnt und versetzt dem Diesel endgültig den Todesstoss

Wachablösung am Automarkt: Ende 2021 kamen in Westeuropa zum ersten Mal mehr E-Autos als Diesel auf die Strassen. Der Dieselskandal vor sechs Jahren war der Anfang vom Ende, nun beschleunigt der Stromer-Boom den Niedergang.
19.01.2022, 14:3520.01.2022, 07:30
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Das Ende des Diesels rückt näher – zumindest in Europa. Im Dezember des vergangenen Jahres wurden in Westeuropa erstmals mehr Elektro- als Dieselautos verkauft. Dies zeigen die neusten Verkaufszahlen, die vom unabhängigen Automarkt-Analysten Matthias Schmidt für die «Financial Times» erhoben wurden. Demnach war mehr als ein Fünftel der im Dezember 2021 verkauften Neuwagen ausschliesslich mit Akkus angetrieben. Dieselfahrzeuge, einschliesslich Diesel-Hybride, kamen noch auf einen Marktanteil von 19 Prozent. Die Statistik umfasst 18 westeuropäische Länder, inklusive der Schweiz.

In absoluten Zahlen wurden in Westeuropa allein im Dezember 176'000 vollelektrische E-Autos verkauft – ein neuer Allzeit-Rekord. Im gleichen Zeitraum wurden knapp 160'000 Dieselautos abgesetzt. Dank strengeren Abgasvorschriften, die 2020 eingeführt wurden und die Hersteller in der EU zwingen, mehr schadstoffarme Fahrzeuge zu verkaufen, steigt der Absatz von Elektrofahrzeugen stetig an. Grosszügige staatliche Subventionen in Deutschland und einigen anderen Ländern beschleunigen diesen Wandel. Auch Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge in einigen Städten und höhere Steuern in wichtigen Märkten hätten das ihre zur Zeitendwende beigetragen, schreibt die «Finacial Times».

In Europa, aber auch bei uns überholen E-Autos Dieselfahrzeuge bei den verkauften Neuwagen

2021 waren jeweils knapp 14 Prozent der verkauften Neuwagen in der Schweiz Diesel-, respektive Elektroautos.

«Dieselgate» läutete das Ende ein

Die Verkäufe von Dieselfahrzeugen gehen seit Herbst 2015 rapide zurück, als bekannt wurde, dass Volkswagen und andere Hersteller bei Abgastests für Dieselmotoren in Millionen Fahrzeugen geschummelt haben. Damals machten Dieselmodelle weit über die Hälfte der in Westeuropa ausgelieferten Fahrzeuge aus. Viele Autokäuferinnen und -Käufer glaubten, mit einem Dieselmotor einen Beitrag zum Energiesparen, zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten. Seit dem Dieselskandal ist der Lack ab und der «schmutzige Diesel» wird zum Ladenhüter.

In der Schweiz zeigt sich ein sehr ähnliches Bild: Seit 2016 sind Dieselfahrzeuge quasi im freien Fall. Ihr Anteil bei den Neuwagen fiel innert fünf Jahren von 40 auf 14 Prozent.

Die Diesel-Verkäufe sinken (blaue Kurve), aber der Bestand wird nur langsam abnehmen (orangebraune Kurve). Aktuell haben Dieselautos noch einen Anteil von knapp 29 Prozent am Gesamtbestand.
Die Diesel-Verkäufe sinken (blaue Kurve), aber der Bestand wird nur langsam abnehmen (orangebraune Kurve). Aktuell haben Dieselautos noch einen Anteil von knapp 29 Prozent am Gesamtbestand.
grafik: bfs

Der Diesel bricht ein, der Benziner bleibt die erste Wahl

2021 beschleunigte sich der Niedergang des Diesels bei uns nochmals. Die Verkäufe brachen um 37 Prozent ein. Elektroautos legten im gleichen Zeitraum um 63 Prozent zu.

Verbrenner verlieren, alternative Antriebe legen zu und Wasserstoffautos bleiben chancenlos.

Mit einem Anteil von 42 Prozent an den 2021 gekauften Neuwagen bleiben Autos mit Benzinmotor trotz einem Minus von 16 Prozent mit Abstand die erste Wahl hiesiger Autokäuferinnen und -Käufer. Keine Rolle spielen Wasserstoffautos. Ihr Marktanteil liegt bei 0,0 Prozent.

2021 neu zugelassene Personenwagen in der Schweiz nach Antrieb:

  • Benzin: 41,9% (2020: 50%)
  • Hybrid: 21,9% (2020: 13,6%)
  • Diesel: 13,6% (2020: 21,9%)
  • E-Auto: 13,3% (2020: 8,2%)
  • Plug-In-Hybrid: 9,1% (2020: 6,1%)
  • Erdgas-/Biogas: 0,1% (2020: 0,2%)
  • Wasserstoff: 0,0% (2020: 0,0%)

Während Verbrenner weiter im Sinkflug sind, setzen alternative Antriebe seit zwei Jahren zum Überholmanöver an. Die Autohersteller haben seit 2020 den Verkauf von Elektrofahrzeugen vorangetrieben, um ihre flottenweite CO₂-Bilanz zu verringern und Geldstrafen aus Brüssel zu vermeiden. Die strengeren CO₂-Vorgaben der EU und somit ein faktischer Zwang für die Hersteller alternative, emissionsärmere Antriebe zu entwickeln, schlägt sich nun in der Verkaufsstatistik nieder.

Das alte Problem: Fehlende Ladestationen für Mieter

In der Schweiz wird der E-Auto-Boom primär durch eine Reihe neuer Elektromodelle, sinkende Preise und das relativ dichte, öffentliche Ladenetz getrieben. Umgekehrt bremsen teils lange Lieferfristen (Stichwort Chipkrise) ein noch schnelleres Wachstum. Mittelfristig hängt die Wachstumsrate auch stark von der Geschwindigkeit des Ausbaus der Heimladestationen ab. «Für Mieter, Stockwerkeigentümer und Zonenparkierer sind die Hürden für die Heimladung noch zu hoch», heisst es beim Verband Swiss eMobility. Dies ist zentral, da die grosse Mehrheit der Ladevorgänge nicht unterwegs, sondern zu Hause stattfindet.

VW als Elektroboom-Profiteur?

Ironischerweise könnte Volkswagen als Gewinner aus der Dieselaffäre hervorgehen: Die Deutschen sind nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Europa Marktführer bei den boomenden Elektroautos. Der VW-Konzern setzte 2021 mit seinen Marken Audi, Seat, Skoda und Porsche allein in dieser Region über 310'000 Elektroautos ab – weltweit waren es gegen eine halbe Million. Das sind doppelt so viele wie 2020. Was nach einer Erfolgsstory klingt, verblasst indes ein wenig mit Blick auf Tesla. Der Elektroauto-Pionier steht den Deutschen mit weltweit knapp einer Million verkaufter Elektroautos weiterhin vor der Sonne.

Elektroauto VW ID.3 (E-Auto von Volkswagen)
Begehrtes E-Auto: Die Jahresproduktion 2022 für den VW ID.3 ist laut E-Auto-Portal Edison bereits ausverkauft. Bild: vw

Automarkt-Analyst Schmidt erinnert daran, dass VW nach Bekanntwerden von «Dieselgate» im September 2015 innerhalb von 30 Tagen die ersten Pläne für das inzwischen überaus populäre Elektroauto VW ID.3 erstellt habe. Einige Jahre später sind die Elektromodelle der Deutschen omnipräsent in der Hitparade der meistverkauften Elektroautos der Schweiz 2021.

Sieben der 15 meistverkauften Elektroautos in der Schweiz stammen von Tesla oder dem VW-Konzern.

Ein Elektro-Turbo am VW-Steuer

Dass VW heute im Rennen um die Vorherrschaft im Elektro-Zeitalter weit vorn dabei ist, ist eng mit dem Namen Herbert Diess verknüpft. Der Konzernchef ist ein überzeugter, manche sagen fanatischer Anhänger der Elektromobilität, der den Dieselkonzern gegen alle internen Widerstände auf die elektrische Zukunft eingeschworen hat. Während namhafte Rivalen zaudern, zögern und von Brennstoffzellen und synthetischen Kraftstoffen träumen, setzt Diess alles auf die Karte Elektroauto inklusive eigener Software- und Akkuentwicklung. Das Wagnis könnte sich bezahlt machen.

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143 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Posersalami
19.01.2022 09:41registriert September 2016
"«Für Mieter, Stockwerkeigentümer und Zonenparkierer sind die Hürden für die Heimladung noch zu hoch»"

Ich bin selber Stockwerkeigentümer und das Problem ist, das sich die Leute ohne E Auto nicht an den Kosten beteiligen wollen. Kann ich auch gut verstehen. Es sind meistens schon ein paar Investitionen mehr als nur 1-2k für eine Ladestation.

MMn. führt kein Weg an einer pragmatischen Lösung vorbei. Die lautet: ein Recht auf eine Ladestation. Die Kosten kann man ruhig zu 100% dem Verursacher aufbürden. Wenn weitere Parteien eine Ladestation wollen, müssen sie sich halt einkaufen..
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Terraner
19.01.2022 10:19registriert April 2020
Könnte ich nicht bequem zu Hause laden, hätte ich wohl auch noch einen Verbrenner.

Die Ladeinfrastruktur ist wirklich ein ungelöstes Problem. Auch das ganze Chaos mit den Ladekarten und Intransparenz beim Preis würde mich abschrecken.

Und dies sage ich als überzeugter Elektroautofahrer.
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Maragia
19.01.2022 09:53registriert April 2016
Habe im 2016 auch einen Diesel als Geschäftsauto bekommen und besitze dieses nun Privat. 70k km und werde das wohl auch noch weitere 10 Jahre besitzen. 1. Weil ich keine Ladeinfrastruktur in meiner Mietwohnung habe, 2. weil ich mir aktuell kein E-Auto leisten kann/möchte, 3. weil der Diesel einfach noch zu neu ist, bei etwa 150k km kann ich mir dann einen Wechsel überlegen obwohl ich gerne jetzt bereits ein E-Auto hätte
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