Es ist nicht lange her, da gehörte die Türkei zu den 20 wichtigsten Abnehmerländern von Waffen aus der Schweiz. 2014 importierte das Land von Präsident Recep Erdogan Kriegsmaterial im Wert von 3,8 Millionen Franken. Insgesamt verdiente die Schweizer Waffenindustrie zwischen 2005 und 2015 28,6 Millionen Franken mit türkischen Aufträgen, knapp die Hälfte davon entfiel auf Munitionslieferungen.
Heute sind solche Geschäfte unvorstellbar: Nach dem gescheiterten Militärputsch vom Wochenende mit 194 Toten schockiert Präsident Erdogan die Weltgemeinschaft mit Säuberungsaktionen bei politischen Gegnern und spricht öffentlich über die Wiedereinführung der Todesstrafe; im wieder aufgeflammten Kurdenkonflikt kamen in den letzten zwei Jahren Hunderte Menschen ums Leben.
Mittlerweile hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) die Notbremse gezogen und das Gros der Waffenexporte an den Bosporus gestoppt: 2015 sind die Ausfuhren in die Türkei auf 137'000 Franken zurückgegangen. Im ersten Halbjahr 2016 waren es noch «ungefähr 50'000 Franken», heisst es bei der Behörde, die zusammen mit dem Aussendepartement über Einzelbewilligungen für Kriegsmaterialverkäufe ins Ausland entscheidet. Es gibt aber Ausnahmen.
Nicht betroffen vom Verbot ist laut Seco der Export von «einzelnen Faustfeuerwaffen an Diplomaten, Ersatzteile für bereits früher gelieferte Flugabwehrsysteme sowie Hand- und Faustfeuerwaffen für die türkische Präsidentengarde».
Dass der Verkauf von Waffen für Erdogans Gardisten weiterhin erlaubt ist, erstaunt auf den ersten Blick: Immerhin waren diese gemäss Medienberichten in die Kämpfe beim Putschversuch involviert. Mindestens einer soll ums Leben gekommen sein. Das Staatssekretariat begründet die Regelung damit, dass die Lieferungen meist nur einige wenige Pistolen umfassten, die zu Selbstschutzzwecken eingesetzt würden und nicht automatisch abgefeuert werden könnten.
Ganz vom Export in die Türkei ausgeschlossen sind Angriffswaffen wie Maschinengewehre oder Kampfpanzer, welche die Regierung zu Repressionszwecken gegen die Bevölkerung einsetzen könnte. Auch Waffengattungen, die primär der Verteidigung dienen, haben kaum noch eine Chance für eine Exportbewilligung, genauso wie sogenannte Dual-Use-Güter, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können.
Die Türkei ist sich der
Bewilligungspraxis in
der Schweiz dem Vernehmen
nach bewusst
und versucht auch aufgrund
eigener Produktionskapazitäten
kaum noch, hierzulande zu bestellen.
Für die Schweizer Waffenindustrie ist
es nichts Neues, dass der Export in die
Türkei zum Erliegen kommt. Ab 1992
untersagte der Bundesrat aufgrund des
Kurdenkonflikts Kriegsmateriallieferungen
in das Land praktisch vollständig.
2005 hob er das Embargo auf, worauf
die türkische Regierung ihren eigenen
Rüstungsboykott gegenüber der
Eidgenossenschaft ebenfalls aufgab. Die
Schweiz lobte das Land für seine «offenere
und grössere Toleranz gegenüber
allfälligen divergierenden Meinungen
anderer Staaten» – tempi passati.
Heute betont das Seco, dass es Waffenexporte in die Türkei auch nach 2005 nur «sehr restriktiv» bewilligt habe. Bei der Überprüfung des Nichtwiederausfuhr-Verbots von Waffen vor Ort habe sich gezeigt, dass die Türkei ihre Verpflichtung einhalte, nicht ohne das Einverständnis der Schweiz Waffen zu re-exportieren.
Zudem dürfe man nicht vergessen,
dass es bisher auf internationaler Ebene
keine Sanktionen gegen das Land
gebe. Die Schweiz handle also in eigener
Regie, wenn sie Waffenlieferungen
an den Bosporus untersage.