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Eigenmietwert-Abstimmung: In der «Arena» schwimmt einer gegen den Strom

Die Abstimmungs-«Arena» zum Eigenmietwert (v. l. n. r.): Gregor Rutz, Brigitte Häberli-Koller, Mario Grossniklaus, Eva Herzog und Mathias Zopfi.
Die Abstimmungs-«Arena» zum Eigenmietwert (v. l. n. r.): Gregor Rutz, Brigitte Häberli-Koller, Mario Grossniklaus, Eva Herzog und Mathias Zopfi. Bild: screenshot srf
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In der «Arena» zum Eigenmietwert führt ein FDP-Politiker die Bürgerlichen vor

Ein FDP-Politiker kämpft gegen Steuererlasse, ein SVP-Nationalrat verspottet die UBS. Das war die Abstimmungs-«Arena» von SRF zum Eigenmietwert.
13.09.2025, 04:3113.09.2025, 12:46
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Ernste Gesichter, komplizierte Fachausdrücke, Stirnrunzeln im Publikum – etwa so hatte man sich eine Diskussion über die Abschaffung des Eigenmietwerts vorgestellt. Die ersten Minuten der Abstimmungs-«Arena» versprachen denn auch, genau dieser Erwartung gerecht zu werden. Wer dennoch dranblieb, wurde belohnt.

Aber von vorn: Am 28. September stimmt die Schweiz über die Abschaffung des Eigenmietwerts ab, zumindest indirekt.

Worum es bei der Abstimmung geht, erfährst du hier:

Video: watson/Michael Shepherd

Wer eine Wohnung oder ein Haus besitzt und darin wohnt, muss heute den Eigenmietwert versteuern. Das heisst: Steuern bezahlen für theoretische Mieteinnahmen. Zugleich können Eigentümerinnen und Eigentümer verschiedene Abzüge geltend machen, zum Beispiel Unterhaltskosten oder Hypothekarzinsen. Bei der Abstimmung Ende des Monats geht es um einen Systemwechsel: Der Eigenmietwert würde abgeschafft, dafür würde ein Grossteil der bisher möglichen Abzüge gestrichen.

So viel zur Ausgangslage der zweiten Abstimmungs-«Arena», zu der die Befürwortenden und das gegnerische Lager zahlreich erschienen waren. Es moderierte Mario Grossniklaus.

Für die Vorlage diskutierten:

  • Gregor Rutz, Nationalrat SVP/ZH und Präsident HEV Schweiz
  • Brigitte Häberli-Koller, Ständerätin Die Mitte/TG und Vizepräsidentin HEV Schweiz
  • Markus Ritter, Nationalrat Die Mitte/SG und Präsident Schweizer Bauernverband
  • Peter Schilliger, Nationalrat FDP/LU

Gegen die Vorlage waren:

  • Eva Herzog, Ständerätin SP/BS
  • Mathias Zopfi, Ständerat Grüne/GL und Präsident Schweizerischer Gemeindeverband
  • Martin Bühler, Leitender Ausschuss Konferenz der Kantonsregierungen, Regierungsrat FDP/GR
  • Martin Wyss, Vorstand Schweizerischer Maler- und Gipserunternehmer-Verband

Eigenmietwert – absurd oder gerecht?

Die vier Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die an diesem Freitagabend in der ersten Reihe diskutieren durften, legten die Karten rasch offen auf den Tisch beziehungsweise auf ihr Stehpult. Gregor Rutz, SVP-Nationalrat und Präsident des Hauseigentümerverbands, nannte den Eigenmietwert «völlig absurd». Seine Begründung:

«Der Eigenmietwert ist eine Steuer auf ein theoretisches Einkommen, das die Leute gar nicht haben.»
Gregor Rutz, SVP

Das sei ungerecht, weil mit dem Eigenmietwert jene bestraft würden, die für ein Haus gespart und dafür auf andere Dinge verzichtet hätten. Ein Eigenheim bringe ausserdem laufend Kosten mit sich. Und: Das jetzige System biete einen Anreiz, Schulden zu machen. Und das sei ein volkswirtschaftliches Risiko. Für Rutz war darum klar: «Den Eigenmietwert muss man streichen.»

Gregor Rutz (SVP): «Das ist starker Tubak»

Video: srf

Eva Herzog, SP-Ständerätin und ehemalige Finanzdirektorin des Kantons Basel-Stadt, argumentierte gegen die Vorlage. Sie sieht im Eigenmietwert einen ausgewogenen Versuch, Mieterinnen und Hauseigentümer gleich zu behandeln. Denn:

«Der Eigenmietwert ist kein fiktives Einkommen, sondern ein Naturaleinkommen.»
Eva Herzog, SP

Die Eigentümerinnen und Eigentümer, die zahlenmässig in der Schweiz eine Minderheit bildeten, seien bereits heute in einer privilegierten Position und bedürften nicht noch einer Besserstellung, so Herzog. Für das Loch, das eine Abschaffung der Steuer in der Staatskasse hinterlassen würde, müssten hingegen alle aufkommen. Ihr Fazit: «Es gibt keinen Handlungsbedarf.» Und wenn, dann sähe sie diesen bei Vorlagen, die Mieterinnen und Mieter entlasten.

Eva Herzog (SP) dazu, wer von der Vorlage profitiert:

Video: srf

Die Abschaffung des Eigenmietwerts hätte ihren Preis, rechnete auch Moderator Mario Grossniklaus vor: Gemäss einer Schätzung des Bundes drohen in diesem Fall Mindereinnahmen von 1,95 Milliarden Franken für die öffentliche Hand.

Die Sache mit der heissen Kartoffel

«Das liegt nicht drin», tönte es von einem Pult etwas abseits der Hauptrunde. Dort stand Martin Bühler, der Finanzdirektor des Kantons Graubünden. Seiner Parteizugehörigkeit nach müsste Bühler eigentlich für die Vorlage sein. Der FDP-Regierungsrat vertrat an diesem Abend aber nicht seine Partei, sondern die Konferenz der Kantonsregierungen. Und die ist gar nicht erfreut über den politischen Kompromiss, der jetzt vors Volk kommt. Bühler sprach ruhig, aber bestimmt:

«Die Hauptbetroffenen wären die Kantone und die Gemeinden.»
Martin Bühler, FDP

Die fehlenden Steuereinnahmen hätten zur Folge, dass bereits eingeplante Leistungen der Kantone und Gemeinden gestrichen werden müssten. «Verlieren würde die Allgemeinheit, die von diesen Leistungen profitiert», warnte Bühler.

Martin Bühler (FDP) macht eine Ansage an die Bundespolitiker:

Video: srf

«Bürgerliche Kantone, die sich gegen ein bürgerliches Anliegen wenden? Das ist schon speziell», bemerkte Moderator Grossniklaus an den Befürworter Gregor Rutz von der SVP gewandt.

Dieser erwiderte, dass die Kantone mit der geplanten Verfassungsänderung ja die Möglichkeit erhalten sollten, eine Objektsteuer einzuführen. Nochmals zur Erinnerung: Die beiden Vorlagen sind verknüpft. Wer den Eigenmietwert abschaffen will, stimmt am 28. September dafür, dass Kantone und Gemeinden künftig zur Kompensation Steuern auf Zweitliegenschaften erheben können.

Werde damit die «heisse Kartoffel» nicht einfach an die Kantone weitergegeben, wollte Grossniklaus von Rutz wissen. Dieser verneinte:

«Das ist die Freiheit und der Respekt vor dem Föderalismus.»
Gregor Rutz, SVP

Bühler, der einzige kantonale Politiker in der Runde, sieht das allerdings anders. Eine neue Steuer einzuführen, sei nicht ohne Weiteres machbar. Die Bürokratie, derer sich der Bund mit der Abschaffung des Eigenmietwerts entledige, lande so bei den Kantonen. Es sei eine Wahlfreiheit, die die Kantone gar nicht gewollt hätten. «Gut gemeint ist das Gegenteil von gut», gab er zurück.

Rutz, Mitte-Ständerätin Brigitte Häberli-Koller und Mitte-Nationalrat Markus Ritter sehen mit der Verfassungsänderung also Chancen für die Selbstbestimmung der Kantone, während Bühler im Namen der Kantonsregierungen diese heisse Kartoffel lieber zurückgeben will.

Martin Bühler (links) und Markus Ritter waren in der «Arena» zwar Pultnachbarn, vertraten aber unterschiedliche Positionen.
Martin Bühler (links) und Markus Ritter waren in der «Arena» zwar Pultnachbarn, vertraten aber unterschiedliche Positionen.Bild: screenshot srf

Der Durchblick kommt zum Schluss

Mitnahmeeffekte, Hypothekarzinsen, Objektsteuer – Immobilien-Laien mögen in der «Arena» zum Eigenmietwert wohl mehr als einmal nur Bahnhof verstanden haben. Langweilig war die Sendung deswegen aber noch lange nicht. Dafür sorgten Überraschungsmomente wie das Aufbegehren des Bündner FDP-Regierungsrats Martin Bühler gegen die bürgerlichen Bundespolitikerinnen und -politiker. Oder Gregor Rutz' Reaktion auf eine UBS-Prognose, die höhere Immobilienpreise voraussagte, sollte der Eigenmietwert abgeschafft werden: «Das ist esoterisch, was die UBS sagt!». Oder wiederum Bühler, der sich zweimal freundlich bei seinem Vorredner Rutz bedankte, nachdem ihm dieser heftig widersprochen hatte. Bühler erntete von Grossniklaus ein überraschtes: «Das war nett – so etwas kennt man in der ‹Arena› gar nicht.»

Hier äussert sich Gregor Rutz (SVP) zur UBS-Prognose:

Video: srf

Als sich die Abstimmungssendung langsam ihrem Ende zuneigte, wandte sich die Mitte-Politikerin Brigitte Häberli-Koller nochmals mit einem Appell an die Runde: «Es ist wichtig, dass wir jetzt eine Entscheidung treffen.»

Eine Entscheidung dürfte vielen Stimmenden wohl schon nur deswegen schwerfallen, weil das Wort «Eigenmietwert» auf dem Stimmzettel gar nicht erst vorkommt. Moderator Mario Grossniklaus hatte deswegen extra seinen eigenen Stimmzettel in die Sendung mitgenommen und erklärte nochmals klar und deutlich, ob man nun ein «Ja» oder ein «Nein» in die Urne legen muss, wenn man den Eigenmietwert abschaffen will. Und so kam er zum Schluss doch noch: ein kurzer Moment des Durchblicks.

Mario Grossniklaus hat seine Abstimmungsunterlagen dabei – und erklärt, was es mit der kryptischen Abstimmungsfrage auf sich hat.
Mario Grossniklaus hat seine Abstimmungsunterlagen dabei – und erklärt, was es mit der kryptischen Abstimmungsfrage auf sich hat.Bild: screenshot srf

Hier erfährst du, wie du für oder gegen die Abschaffung des Eigenmietwerts stimmst:

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001243.3e08972a@apple
13.09.2025 06:03registriert Juli 2024
Die Gewinner vom heutigen System sind die wirklich Reichen, die ihre Villa für 5 Mio. Oder mehr zum Maximalsatz von 80% belehnen können. Grosser Zinsabzug, das Kapital mit noch grösserem Ertrag steuerfrei an der Börse investiert und der Unterhalt der Riesenhütte ist abzugsfähig.
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johnny-be-good
13.09.2025 06:57registriert März 2025
«Der Eigenmietwert ist kein fiktives Einkommen, sondern ein Naturaleinkommen.» - Nein, ist es nicht. Es ist persönliches Eigentum, welches man nutzt. Komplett falscher Vergleich. Oder soll ich künftig noch jedes Jahr Steuern auf fiktives Einkommen zahlen, weil ich mein eigengenutzes Eigentum auch theoretisch vermieten könnte? Also auch fiktive Einkommenssteuern auf mein Velo, meine Klamotten etc? Besser hätte Herzog kaum für eine Abschaffung argumentieren können.
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Barth Simpson
13.09.2025 06:12registriert August 2020
Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir vor 30 Jahren ein kleines Eigenheim kaufen konnten. Wir haben es mit unserer Hände Arbeit hart erarbeitet und weitgehend abbezahlt. Wir wollten möglichst viel Eigenverantwortung wahrnehmen, damit wir in der Pension möglichst frei sind. Eine unsichere Pensionskasse war uns weniger wichtig, wie ein Eigenheim mit möglichst wenig Schulden. Der fiktive Eigenmietwert fühlt sich nun wie eine Strafe für diese Eigenverantwortung an. Wir versteuern nicht nur den Eigenmietwert, sondern auch den immer höher geschätzen Wert des Hauses als Vermögen. Unfair!
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