Hakenkreuze und Rassismus auf WhatsApp – die Lausanner Polizei hat gleich mehrere Probleme
Für die Lausanner Polizei hat die Woche denkbar schlecht begonnen. Am Sonntag- und Montagabend kam es in der Stadt zu heftigen Ausschreitungen, nachdem ein 17-jähriger Schweizer mit schwarzer Hautfarbe auf der Flucht vor der Polizei mit einem Scooter gegen eine Mauer gefahren war und starb. Der Stadtrat sprach der Familie des Jugendlichen an einer Pressekonferenz öffentlich sein Beileid aus.
Der Zufall wollte es, dass am Montag Vertreter der Exekutive vor die Medien traten – mit einem Thema, das nicht dazu geeignet ist, das Vertrauen in die Ordnungshüter zu stärken. Es ging um rassistische Entgleisungen im Corps der Lausanner Stadtpolizei. Als erste Massnahme haben Polizeikommandant Olivier Botteron und Polizeidirektor Pierre-Antoine Hildbrand (FDP) vier Polizisten von ihrem Amt suspendiert. Weitere Freistellungen sind denkbar, je nach Verlauf der weiteren Untersuchungen.
Am Ursprung der Affäre steht ein Bild, welches das Westschweizer Radio und Fernsehen RTS am 11. Juni 2023 veröffentlichte. Es zeigt einen Lausanner Stadtpolizisten mit erhobenen Daumen vor einem Graffiti mit dem Slogan R.I.P. Mike Ben Peter.
Mike Ben Peter erlitt im Februar 2018 nach einer Polizeikontrolle einen Herzstillstand. Der 39-jährige Nigerianer starb in der Folge. Er wurde wegen Verdachts auf Drogenhandel kontrolliert. Der Polizist, der mit dem Daumen nach oben zeigte, arbeitet seit Juli 2023 nicht mehr bei der Stadtpolizei. Die Familie von Mike Ben Peter erstattete wegen des Bildes Anzeige gegen den Polizisten. Die Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren gegen ihn eröffnet.
Im Zuge der Ermittlungen entdeckte die Staatsanwaltschaft zwei Whatsapp-Gruppen, in denen mehr als 50 Polizisten seit 2016 Tausende Nachrichten austauschten. Die Staatsanwaltschaft hat 10’000 Seiten Dialog und 6000 Fotos und Videos ausgewertet. Darunter befanden sich rassistische, sexistische, antisemitische, islamfeindliche und weitere diskriminierende Botschaften.
Die Polizisten – einige haben das Corps unterdessen verlassen – äusserten sich zum Beispiel abfällig über Menschen mit schwarzer Hautfarbe, aber auch Personen mit einer Behinderung. Auch Hinweise auf Hitler kamen vor. Ein Bild zeigt einen Polizisten in Uniform, der mit einem Schild posiert, auf dem das SS-Symbol und das Hakenkreuz zu sehen ist.
Polizei kündigt Reformen an
Etwa 10 Prozent des Lausanner Corps waren Teil dieser Gruppen. Die Staatsanwaltschaft informierte Mitte August den Polizeikommandanten über die Auswertung der Chats. Die Polizei setzte darauf den Stadtrat ins Bild. Er traf sich am 16. August zu einer ausserordentlichen Sitzung.
Der Lausanner Polizeidirektor Pierre-Antoine Hildbrand (FDP) zeigte sich an der Medienkonferenz erschüttert über die Rassismus-Chats. Er sagte, man könne noch nicht einschätzen, ob es sich um ein systematisches Problem des Corps handle oder ob es nur die Mitglieder der Whatsapp-Gruppen betreffe.
Polizeikommandant Olivier Botteron stellte Reformen in Aussicht, um solche Vorkommnisse in Zukunft zu vermeiden. Botteron zeigte sich schockiert.
Die Polizei müsse die Aufgaben, die ihr anvertraut werden, korrekt erfüllen. Für die Reformen greift die Polizei die Expertise von Adrian Duvillard zurück. Er war früher Delegierter des Sicherheitsverbundes Schweiz und Kommandant der Neuenburger Kantonspolizei.
Stadtpräsident Grégoire Junod (SP) sprach von einer Krise in der Lausanner Polizei und «systematischem Rassismus». Er befürchtet, dass die ans Licht gekommenen Chatinhalte auch den Ruf anderer Polizeikorps in der Schweiz beschädigen könnten. Er zeigte sich erschüttert, dass Repräsentanten des Staats sich zu solchen Äusserungen hinreissen liessen.
In der Medienmitteilung schrieb der Stadtrat, er wünsche sich eine Polizei, welche die Menschenrechte respektiere. (aargauerzeitung.ch)