Schweiz
Romandie

Rassismus auf Whatsapp – die Lausanner Polizei hat mehrere Probleme

Le Syndic de la ville de Lausanne Gregoire Junod s'exprime aux cotes de Pierre-Antoine Hildbrand, conseiller municipal de Lausanne lors d'une conference de presse sur la prise de connaissanc ...
Sie zeigten sich schockiert: Stadtpräsident Grégoire Junod (SP, rechts) und Polizeidirektor Pierre-Antoine Hildbrand (FDP).Bild: keystone

Hakenkreuze und Rassismus auf WhatsApp – die Lausanner Polizei hat gleich mehrere Probleme

Die Staatsanwaltschaft ist bei Ermittlungen auf Polizistenchats mit schockierenden Inhalten gestossen. Vier Polizisten wurden von ihrem Dienst suspendiert.
26.08.2025, 05:0226.08.2025, 12:05
Kari Kälin / ch media

Für die Lausanner Polizei hat die Woche denkbar schlecht begonnen. Am Sonntag- und Montagabend kam es in der Stadt zu heftigen Ausschreitungen, nachdem ein 17-jähriger Schweizer mit schwarzer Hautfarbe auf der Flucht vor der Polizei mit einem Scooter gegen eine Mauer gefahren war und starb. Der Stadtrat sprach der Familie des Jugendlichen an einer Pressekonferenz öffentlich sein Beileid aus.

Der Zufall wollte es, dass am Montag Vertreter der Exekutive vor die Medien traten – mit einem Thema, das nicht dazu geeignet ist, das Vertrauen in die Ordnungshüter zu stärken. Es ging um rassistische Entgleisungen im Corps der Lausanner Stadtpolizei. Als erste Massnahme haben Polizeikommandant Olivier Botteron und Polizeidirektor Pierre-Antoine Hildbrand (FDP) vier Polizisten von ihrem Amt suspendiert. Weitere Freistellungen sind denkbar, je nach Verlauf der weiteren Untersuchungen.

Des policiers interviennent au milieu de l'avenue de Morges (quartier de prelaz) lors de la deuxieme nuit d'emeutes suite a l'accident mortel survenu a un jeune homme mineur en scooter  ...
Am Montagabend kam es erneut zu Ausschreitungen in Lausanne.Bild: keystone

Am Ursprung der Affäre steht ein Bild, welches das Westschweizer Radio und Fernsehen RTS am 11. Juni 2023 veröffentlichte. Es zeigt einen Lausanner Stadtpolizisten mit erhobenen Daumen vor einem Graffiti mit dem Slogan R.I.P. Mike Ben Peter.

Mike Ben Peter erlitt im Februar 2018 nach einer Polizeikontrolle einen Herzstillstand. Der 39-jährige Nigerianer starb in der Folge. Er wurde wegen Verdachts auf Drogenhandel kontrolliert. Der Polizist, der mit dem Daumen nach oben zeigte, arbeitet seit Juli 2023 nicht mehr bei der Stadtpolizei. Die Familie von Mike Ben Peter erstattete wegen des Bildes Anzeige gegen den Polizisten. Die Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren gegen ihn eröffnet.

Im Zuge der Ermittlungen entdeckte die Staatsanwaltschaft zwei Whatsapp-Gruppen, in denen mehr als 50 Polizisten seit 2016 Tausende Nachrichten austauschten. Die Staatsanwaltschaft hat 10’000 Seiten Dialog und 6000 Fotos und Videos ausgewertet. Darunter befanden sich rassistische, sexistische, antisemitische, islamfeindliche und weitere diskriminierende Botschaften.

Die Polizisten – einige haben das Corps unterdessen verlassen – äusserten sich zum Beispiel abfällig über Menschen mit schwarzer Hautfarbe, aber auch Personen mit einer Behinderung. Auch Hinweise auf Hitler kamen vor. Ein Bild zeigt einen Polizisten in Uniform, der mit einem Schild posiert, auf dem das SS-Symbol und das Hakenkreuz zu sehen ist.

Polizei kündigt Reformen an

Etwa 10 Prozent des Lausanner Corps waren Teil dieser Gruppen. Die Staatsanwaltschaft informierte Mitte August den Polizeikommandanten über die Auswertung der Chats. Die Polizei setzte darauf den Stadtrat ins Bild. Er traf sich am 16. August zu einer ausserordentlichen Sitzung.

Der Lausanner Polizeidirektor Pierre-Antoine Hildbrand (FDP) zeigte sich an der Medienkonferenz erschüttert über die Rassismus-Chats. Er sagte, man könne noch nicht einschätzen, ob es sich um ein systematisches Problem des Corps handle oder ob es nur die Mitglieder der Whatsapp-Gruppen betreffe.

Polizeikommandant Olivier Botteron stellte Reformen in Aussicht, um solche Vorkommnisse in Zukunft zu vermeiden. Botteron zeigte sich schockiert.

«Zu sagen, dass wir nicht schlimmer als die anderen Polizeien sind, entspricht nicht meiner Art.»

Die Polizei müsse die Aufgaben, die ihr anvertraut werden, korrekt erfüllen. Für die Reformen greift die Polizei die Expertise von Adrian Duvillard zurück. Er war früher Delegierter des Sicherheitsverbundes Schweiz und Kommandant der Neuenburger Kantonspolizei.

Stadtpräsident Grégoire Junod (SP) sprach von einer Krise in der Lausanner Polizei und «systematischem Rassismus». Er befürchtet, dass die ans Licht gekommenen Chatinhalte auch den Ruf anderer Polizeikorps in der Schweiz beschädigen könnten. Er zeigte sich erschüttert, dass Repräsentanten des Staats sich zu solchen Äusserungen hinreissen liessen.

«Die Polizei muss alle Menschen gleich behandeln. Wenn man die Uniform missbraucht, zerbricht das Vertrauensverhältnis zwischen Polizei und Bevölkerung.»

In der Medienmitteilung schrieb der Stadtrat, er wünsche sich eine Polizei, welche die Menschenrechte respektiere. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Ausschreitungen in Lausanne
1 / 10
Ausschreitungen in Lausanne

Die Polizei hat bei erneuten Ausschreitungen in Lausanne am Montagabend sieben Personen festgenommen.

quelle: keystone / cyril zingaro
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Verwüstung nach Ausschreitungen in Lausanne
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
285 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Plusplus
26.08.2025 06:01registriert Dezember 2021
Im Umkehrschluss heisst das also dass 90% des Korps unbescholten und korrekt sind. Gut dass die fehlbaren Personen erkannt werden und die Konsequenzen tragen müssen.
Auch hier gilt, bitte nicht alle in den selben Topf werfen.
205120
Melden
Zum Kommentar
avatar
stronghelga
26.08.2025 08:23registriert März 2021
Es geht hier nicht „nur“ um Rassismus. Besonders schwer wiegen die abwertenden Bemerkungen gegenüber Menschen mit Behinderung: Sie sind unentschuldbar. Solche Aussagen sind eben kein „dummer Witz“, sondern Ausdruck eines tief verankerten Weltbildes, das auf systematische Abwertung, Benachteiligung und Unsichtbarmachung hinausläuft. Gerade in einem Polizeicorps entfalten sie eine besonders zerstörerische Wirkung – weil sie das Fundament des Vertrauens in eine neutrale, schützende Staatsmacht untergraben und damit die Glaubwürdigkeit der Institution selbst ins Wanken bringen.
7910
Melden
Zum Kommentar
avatar
Kerzenständer
26.08.2025 06:03registriert Juni 2021
«Die Polizei muss alle Menschen gleich behandeln. Wenn man die Uniform missbraucht, zerbricht das Vertrauensverhältnis zwischen Polizei und Bevölkerung.»

Stimme ich voll und ganz zu.
Doch das mit Vertrauen gilt auch anderswo.
Mein Vertrauen in das Migrations- und Asylwesen ist schon lange zerbrochen.
198154
Melden
Zum Kommentar
285
Warum du jetzt das älteste Gipfelhotel der Schweiz besuchen solltest
Die Schweizer Berge entwickelten sich seit dem späten 18. Jahrhundert zum Outdoor-Mekka. Das erste Berghotel des Landes steht noch heute an einem Ort, der besonders jetzt im Herbst ideal ist.
Die Rigi wird da und dort als «Inselberg» bezeichnet. Viel fehlt tatsächlich nicht und die Bergkette wäre eine Insel. So wird sie doch vom Vierwaldstättersee, Zugersee und Lauerzersee geradezu umzingelt.
Zur Story