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Jetzt kommt der 15-Minuten-Corona-Schnelltest – aber es gibt ein Problem

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Ein Laborant zeigt auf die Resultate der COVID-19-Schnelltests.Bild: keystone

Jetzt kommt der 15-Minuten-Corona-Schnelltest – aber es gibt ein Problem

Touristiker und Hausärzte hoffen auf die neuen Coronaschnelltests, die jetzt auf den Markt kommen. Ein Test für zu Hause ist das aber nicht.
23.09.2020, 07:41
Bruno Knellwolf / ch media
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Was sonst mit einem herkömmlichen PCR-Coronatest mehrere Stunden dauert, ist nun bald in einer Viertelstunde möglich. Denn diese Woche hat der neue Antigenschnelltest von Roche in der Schweiz die Zertifizierung erhalten so wie auch in anderen europäischen Ländern.

«Er wird in Kürze in der Schweiz erhältlich sein», sagt Nina Maeh­litz vom Basler Pharmaunternehmen. Mit dem Schnelltest verbindet man einige Hoffnungen im Kampf gegen die Pandemie.

Änderung im Epidemiegesetz nötig

Auf Schnelltests hoffen zum Beispiel die Hausärzte, die ihren Patienten dann schnell Gewissheit geben könnten. Doch so weit ist die Sache noch nicht gediehen. «Dazu müsste die entsprechende Verordnung im Epidemiengesetz geändert werden», sagt Daniel Dauwalder vom Bundesamt für Gesundheit BAG.

Momentan dürfen Ärzte nur Abstriche für die herkömmlichen PCR-Tests machen, die dann in einem Labor ausgewertet werden müssen.

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Die Florida Army National Guard führt bereits Schnelltests durch.Bild: keystone

Von diversen Firmen werden in den nächsten Wochen Antigenschnelltests auf den Schweizer Markt kommen. Neben dem von Roche zum Beispiel auch einer der Schweizer Firma Ender Diagnostics, der 30 Minuten dauert. «Diese Tests werden dann vom Schweizer Referenzzentrum und anderen Labors validiert werden. Diese Validierung ist wichtig, um zentrale Eigenschaften wie Sensitivität und Spezifität dieser Tests zu untersuchen», erklärt Dauwalder.

Die Sensitivität gibt die Empfindlichkeit an – bei welchem Prozentsatz der Patienten die Krankheit tatsächlich erkannt wird. Die Spezifität die Genauigkeit, also ob Gesunde auch tatsächlich als Gesunde erkannt werden. Nach dieser Validierung wird bestimmt, wo diese Tests sinnvoll eingesetzt werden können.

«Das BAG wird die Schnelltests in seine Teststrategie einschliessen und genauer definieren, in welchen Settings der Einsatz dieser Tests sinnvoll ist und wer die Tests durchführen sollte», sagt Dauwalder. Zum Beispiel könnten sie helfen, die Testkapazität im Winter zu erhöhen.

Diese Abklärungen seien derzeit im Gange und noch nicht abgeschlossen. Auch die Finanzierung von Schnelltests ist noch nicht klar. Bis jetzt vergüten die Krankenkassen nur die PCR-Tests, wenn sie von einem Arzt angeordnet werden. Ob auch Schnelltests übernommen würden, muss der Bundesrat entscheiden.

Zudem sind diese Schnelltests keine Selbsttests. «Unser Antigentest ist zwar einfach in der Handhabung, da er keine Laborinstrumente und Diagnosegeräte benötigt, dennoch muss er von medizinischem Fachpersonal durchgeführt werden. Der Grund ist die Entnahme der Probe», erklärt Nina Maehlitz von Roche. Und Patrick Barth von der Basler Pharmafirma ergänzt:

«Um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten, muss mit der Wattesonde ein ganz spezieller Bereich im hinteren Nasenrachenraum abgestrichen werden.»

Das bestätigt auch Oliver Nolte vom Zentrum für Labormedizin (ZLM) in St.Gallen: «Ganz allgemein sehen wir die Antigentests nicht als Selbsttests. Sowohl die klinische wie auch analytische Sensitivität hängen sehr stark von einer guten Abstrichentnahme ab», sagt Nolte. Und die Abstrichentnahme sollte nur in geschulten Händen liegen.

Labormedizinische Betreuung gehört dazu

Da es kein Selbsttest ist, bleibt die Frage, wie lange der Getestete trotz 15-Minuten-Tests auf das Resultat warten muss. Das hänge entscheidend von der strategischen Anwendung der Tests ab, sagt Nolte. Eine genaue Zeitangabe kann er nicht machen.

«Wird der Test in einem Labor betrieben, ist die Transportzeit von der Abnahme bis zur Ankunft im Labor beziehungsweise am Gerät massgeblich», erklärt Nolte.

Sollen die Ergebnisse noch schneller und dezentral vorliegen, zum Beispiel an einem Flughafen, läuft ein solcher Test ohne Diagnosegeräte gleich nach der Entnahme des Abstrichs vor Ort. Für Nolte ist aber klar, dass dafür eine labormedizinische Betreuung der Selbsttests organisiert sein müsste.

Schweizer Firma arbeitet mit Swiss zusammen

Der Antigentest von Roche vereinfache das schnelle, dezentralisierte Testen oder das Testen in Gegenden, wo keine ausreichende Laborinfrastruktur vorhanden ist, sagt Barth von Roche. Einen genau definierten Einsatzort sieht die Firma Ender Diagnostics für ihren Schnelltest. Sie arbeitet mit der Swiss zusammen, mit dem Ziel, alle Langstreckenbesatzungsmitglieder auf Sars-CoV-2 zu testen.

«Der Test ist so konzipiert, dass vor Ort und in Pop-up-Labors Schnelltests in verschiedenen Umgebungen durchgeführt werden können, beispielsweise auf Flughäfen und Kreuzfahrtschiffen», schreibt die Schweizer Firma.

Wegen der vereinfachten Arbeitsabläufe könnten bis zu achtmal so viele Tests wie herkömmliche PCR-Tests verarbeitet werden, ­beispielsweise auf Flughäfen und Kreuzfahrtschiffen. Das sei ein vielversprechender Schritt Richtung Massenscreening, erklärt Hans-Peter Frank von Ender Diagnostics.

Kein Test ohne geschultes Fachpersonal

Auf den Einsatz in Flughäfen hoffen vor allem Touristiker. Doch Nolte ist vorsichtig. Es gehe bei Antigenschnelltests immerhin um den Nachweis eines meldepflichtigen Erregers.

«Vor diesem Hintergrund würden wir es für problematisch halten, wenn beispielsweise an einem Flughafen ein Test betrieben wird, ohne dass labormedizinische Kompetenz vorhanden ist. Es ist aber sicher denkbar, Testzentren einzurichten, die von der Labormedizin betrieben oder betreut werden.»

So exakt wie die herkömmlichen PCR-Tests sind die Schnelltests zudem nicht. «Die Sensitivität ist deutlich geringer als die eines PCR-Tests», sagt Nolte. Allerdings wies der Roche-Test eine Sensitivität von 96.52 Prozent aus, ein PCR-Test hat etwa 99 Prozent.

Und die Spezifität lag nach Barth sogar bei 99.68 Prozent. «Diese Resultate wurden aus zwei unabhängigen Studienzentren in Brasilien und Indien ermittelt», sagt Barth. Aber natürlich gelte der PCR-Test als «Goldstandard».

Nolte sieht den Qualitätsunterschied bei schwach positiven Proben, die beispielsweise am Anfang einer Infektion aber auch beim Abklingen auftreten und im Schnelltest möglicherweise übersehen werden. Deshalb sagt Nolte:

«Diese Lücke zu eruieren, muss Gegenstand von Studien sein.»

Roche wird zu Beginn 40 Millionen Tests pro Monat liefern können. «Diese Zahl wird sich bis zum Jahresende verdoppeln», sagt Barth. Die Hoffnung der Tourismusbranche, dass Schnelltests zur Verkürzung der Quarantäne führen, ist im Moment nicht gross.

Gemäss den jetzigen «Covid-19-Anweisungen für Quarantäne» verkürzt ein negatives PCR-Ergebnis die Quarantänedauer nicht. Das gilt vorderhand auch für Schnelltests. (cki/chmedia)

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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meilestei
23.09.2020 09:01registriert März 2018
Ehrlichgesagt hoffe ich auf etwas mehr Normalität dank den Schnelltest.

Zum Beispiel planen wir mit Freunden nächstes Jahr eine Villa in Frankreich zu mieten und da wir eine grosse Gruppe sind wäre es sinnvoll, im Vorfeld zu wissen, ob wirklich alle gesund sind. Ein schnell Test würde ermöglichen, dass wir uns dann in den Ferien (isoliert von der Aussenwelt) ganz normal wie früher verhalten könnten inkl. Umarmungen und Küsschen.

Sehe es leider schon kommen... das hocheffiziente BAG wird einem wieder dermassen hohe bürokratische Hürden erlassen, dass dies ein absoluter Wunschtraum bleibt...
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ch.vogel
23.09.2020 09:27registriert Mai 2014
Gibt es schon irgendwelche Informationen zu den Kosten?

Und natürlich muss ein solcher Test dezentral eingesetzt werden!

Was bringen die 15min und einfache Handhabung, wenn davor und danach Stunden für Transport und Büro verlorengehen?

Solche Schnelltests werden in Zukunft immer wichtiger werden als Zugangskontrolle zu Massenveranstaltungen, da hochansteckende Personen (hohe Virenlast) auch ohne Symptome schnell und zuverlässig erkannt werden und so direkt nach Hause geschickt werden können.

Und für solche Zugangskontrollen muss es möglich werden, temporär Medizinpersonal abzustellen.
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