Selbstfahrendes Taxi verzweifelt an Verkehrskegel und flüchtet vor Pannenfahrzeug
Nein, für einmal keine Meldung über den Tesla-Autopilot, beziehungsweise dessen fragwürdigen Einsatz durch ebenso fragwürdige Zeitgenossen. Hier geht es um die Waymo One, dem Taxidienst mit selbstfahrenden Autos.
Waymo ist eine Tochtergesellschaft der Firma Alphabet, zu der Google gehört. Sie stellt die direkte Nachfolge des Google Self-Driving Car Projects dar und ist für die Entwicklung der Systemsoftware Google Chauffeur zuständig. Ende 2018 wurde der kommerzielle Taxidienst Waymo One gestartet, der zunächst auf einzelne Personen ihres Early Rider Programs limitiert war. Seit Oktober 2020 bietet Waymo in Phoenix, Arizona einen öffentlichen Taxidienst per App an.
Phoenix – dies wohl, weil die Gesetze in Arizona für selbstfahrende Autos loser als im benachbarten Kalifornien sind. Und weil es so gut wie nie regnet, weshalb keine der Sensoren am Göppel durcheinander gebracht werden können. Und auch weil das dortige Strassennetzwerk grossflächig in einem überblickbaren Rastersystem aufgebaut ist, was nun wirklich keine sonderlichen Anforderungen ans Self-Driving-System stellen sollte. (Die aufrechten Bürger von Phoenix haben ihre Roboter-Overlords begrüsst, indem sie sie mit Eiern bewarfen, aber das ist eine andere Story.)
Zugegeben, für manche von uns bräuchte es schon etwas Überwindung, in ein leeres Auto zu steigen, das dann wie von Geisterhand gelenkt losfährt. Doch die Technikforscher pfeifen es seit je her von den Dächern: Die Roboterisierung des Alltags kommt, unweigerlich und unaufhaltsam.
Okay, vielleicht noch nicht so unaufhaltsam, wie uns Technikgläubige weismachen wollen. Aktuell nämlich ist künstliche Intelligenz sehr wohl – öh – aufhaltsam. Sie ist anhaltbar – und zwar durch einen bescheidenen Verkehrskegel.
Der Youtuber JJRicks Studios berichtet seit Beginn über den Taxidienst Waymo in Phoenix, indem er regelmässige Fahrten damit unternimmt und diese ungeschnitten online stellt. Seine jüngste Fahrt erwies sich als etwas, naja, problematisch:
- Anfänglich verhält sich das Auto recht gut. Es fährt durchaus vernünftig und führt einige schwierige Manöver aus, wie zum Beispiel eine ungeschützte Linkskurve. Es nimmt einige merkwürdige Abkürzungen durch Wohngebiete in der Nachbarschaft. Weshalb, weiss man nicht. Eventuell, weil diese Strassen für die AI einfacher sind?
- Dann kommt mal jene Rechtskurve und die Verkehrskegel, welche die rechte Spur der zweispurigen Strasse absperren. Interessanterweise erkennt die Waymo-Autosensorik besagten Kegel bereits vor dem Abbiegen. Doch einmal abgebogen klemmt's dann. Das Auto weiss nicht, wohin und bleibt stehen.
- Während das Auto nun ordentlich gefährlich mitten in der Strasse steht und den Verkehr aufhält, wird automatisch die Waymo-Assistenz angerufen, die dem Passagier erklärt, dass das Pannenfahrzeug (eins, mit einem echten, lebenden Menschen, weisch) unterwegs sei.
- Dies alles dauert freilich seine liebe Weile – ein Weile, in der inzwischen ein Strassenbaufahrzeug aufgekreuzt ist, das die Verkehrskegel einsammelt. Bevor das eigentliche Hindernis selbst (der Kegel, für den das Roboter-Auto angehalten hat) entfernt ist, hat der Waymo-Göppel offenbar einen Geistesblitz und fährt urplötzlich los ...
- ... bis es etwas weiter nochmals auf seine alte Nemesis Verkehrskegel trifft und erneut mitten auf der Fahrspur anhält. Nochmals bildet sich ein Rückstau, nochmals ist das Pannenfahrzeug unterwegs.
- Schliesslich kann der Pannendienst von Waymo sein abtrünniges Auto einfangen – aber erst nachdem das Auto etwa dreimal verwirrt angehalten hatte und zweimal vor dem Waymo-Support-Van davonfuhr.
Waymo hat inzwischen ein offizielles Statement zur Episode abgegeben (die JJRicks im Video publiziert):
Demnach liegt das Problem darin, dass die AI bei der «unusual situation» (=Verkehrskegel) Hilfe beim «Fleet Response» (=Menschen) anforderte, und diese dann eine falsche Anleitung gaben. Good old menschliches Versagen, also?
Chapeau vor JJRicks, der während der ganzen Episode erstaunlich ruhig bleibt und auch nie im Gespräch mit dem Support nie seine Contenance verliert. Einige Male probiert er aus dem Supportpersonal (und später auch dem Support-Fahrer) die Info zu entlocken, wie genau die Waymo-Pannenfahrzeuge disponiert sind. Wie viele Support-Fahrzeuge sind für wie viele Waymo-Bots unterwegs und folgen sie diese aktiv oder sind sie innerhalb eines Netztbereiches delegiert? Die Antworten bleiben aus.
Letztlich ist dies nur eine klitzekleine Fussnote im Wälzer zum Thema autonome Fahrzeuge. Solange aber zu jedem selbstfahrenden Taxi ein konventionelles, von Menschen gelenktes Fahrzeug zur Seite gestellt werden muss, um das Funktionieren des Systems zu gewährleisten, ist es mit der Robotisierung noch nicht so weit.