Der erste dunkelhäutige Schwingerkönig? «Für mich ist das die grösste Motivation»
Sie haben sich nach dem Esaf in Mollis eine Treichel aus dem Gabentempel ausgesucht. Wo steht die jetzt?
Sinisha Lüscher: Momentan steht sie bei mir im Wohnzimmer. Dort hat sie ein gutes Plätzli – aber es ist noch nicht definitiv, dass sie dort bleiben wird. Sie ist ziemlich gross, darum müssen wir noch schauen, ob das langfristig der beste Ort ist (lacht).
Weshalb haben Sie nicht einen der anderen, praktischeren und vor allem lukrativeren Preise genommen?
Für mich ist es wichtig, dass ein Preis eine Erinnerung trägt. Beim ersten Eidgenössischen in Pratteln vor drei Jahren habe ich mich bereits gefragt, ob ich eine Glocke nehmen soll – einfach wegen der Symbolik. Aber damals hatte ich das Gefühl, ich hätte mir diesen Preis noch nicht verdient. Dieses Mal war es anders: Ich wollte etwas, das bleibt und mich immer an diesen speziellen Moment meiner Karriere, den eidgenössischen Kranzgewinn, erinnert. Das Geld ist irgendwann weg, aber die Treichel bleibt.
Ist diese Treichel auch ein wenig ein Symbol für Ihre Bodenständigkeit?
Ja, vielleicht. Mir ist wichtig, dass es nicht nur ums Geld geht. Es darf auch das Herz entscheiden. Und ich finde die Treichel einfach wunderschön. Ich bin sehr zufrieden und stolz, so etwas Spezielles bei mir zu haben.
Was bedeutet Ihnen der Eidgenössische Kranz?
Sehr viel. Es gab nur 40 Kränze – einen davon zu gewinnen, ist unglaublich. Das ist ein grosser Schritt in meiner Karriere als Schwinger. Aber ich habe natürlich noch nicht alles erreicht. Es bleibt noch Luft nach oben.
Sie hatten nach Ihrer starken Saison schon einen gewissen Erwartungsdruck in Mollis. Am Wettkampf selbst wirkte es aber, als wären Sie ganz entspannt gewesen. Täuschte der souveräne Eindruck?
Ganz ehrlich? Ich war nervös. Wahrscheinlich hat man mir das nicht angesehen, aber innerlich war es so. Den Druck von aussen lasse ich nicht zu, aber den eigenen Druck hat man immer. Zum Glück konnte ich mit meinen Freunden Aaron Rüegger und Enea Grob, mit denen ich das Zimmer teilte, nach dem ersten Wettkampftag reden und abschalten – das hat mir am zweiten Tag, in welchen ich gut gestartet bin, sehr geholfen.
Nach Ihrem Kranzgewinn haben Sie unzählige Gratulationen erhalten. Wie viele waren es ungefähr?
Ich habe nicht gezählt, aber es waren Hunderte oder fast Tausend. Ich habe versucht, allen zu antworten – das war mir wichtig, weil ich mich sehr geehrt fühle, wenn mir jemand gratuliert. Besonders schön finde ich Nachrichten von Eltern, die sagen, ich hätte ihre Kinder inspiriert und sie sich wegen mir ans Schwingen gewagt. Das macht mich stolz.
In Mollis nach der Krönung wurden Sie auf dem Schwingplatz fast überrannt, mussten unzählige Selfies und Autogramme geben. Wie haben Sie diesen Moment erlebt?
Es war mega cool – mein Problem war: Ich musste eigentlich dringend aufs WC und kam kaum weg (lacht). Ich nehme mir gerne Zeit für Fotos oder Autogramme, wenn ich nicht im Wettkampfmodus bin. Ich bin stolz, dass die Leute zu mir kommen und mich als Inspiration sehen.
Auch während des Wettkampfs gab es nach Ihren siegreichen Gängen Jubel und Applaus von allen Tribünen, auch von den «gegnerischen». Ist Ihnen das aufgefallen?
Ja, ich habe gemerkt, dass es extrem laut war, speziell nach dem 7. Gang, als mein Kranzgewinn feststand. Von wo genau der Jubel kam, konnte ich nicht feststellen. Aber es hat mich tief berührt, diese Unterstützung zu spüren.
Haben Sie eine Erklärung für Ihre Popularität?
Vielleicht wegen meiner Geschichte. Ich bin immer drangeblieben, auch in schwierigen Momenten, und hatte immer ein tolles Team um mich. Viele kennen mein Ziel – jeder Schwinger träumt vom Königstitel. Vielleicht bin ich deshalb für manche ein Vorbild.
Sie sind jetzt auch für Sponsoren noch interessanter geworden. Merken Sie schon etwas davon?
Ja, ich habe deutlich mehr Anfragen erhalten. Das freut mich sehr, weil es zeigt, dass Firmen einen Mehrwert darin sehen, mit mir zusammenzuarbeiten – oder es einfach cool finden, was ich mache.
Brauchen Sie jetzt einen Manager?
Nein, ich habe keinen Manager. Es gab zwar schon die entsprechenden Kontaktaufnahmen. Aber ich mache das bewusst im kleinen Rahmen. Mein Fokus bleibt beim Schwingen. Natürlich schaue ich mir Anfragen genau an, aber nur wenn ich wirklich dahinterstehen kann. Für eine Zigaretten- oder Alkoholwerbung würde ich zum Beispiel nie unterschreiben – das gehört sich nicht als Sportler.
Wer unterstützt Sie bei diesen Entscheidungen?
Vor allem Claudio Flückiger, der auch meine Website und meinen Fanclub betreut. Er ist für mich eine sehr vertrauensvolle Person geworden. Er gibt seine Einschätzung ab, genauso wie mein Fitnesscoach Jürg Monhart. Am Ende entscheide aber ich selbst.
Worauf achten Sie bei Partnerschaften? Welche Werte sind Ihnen wichtig?
Mir ist wichtig, dass ich mich als Mensch mit einem Produkt identifizieren kann. Ich finde es toll, wenn Sponsoren aus der Region kommen, die mich teilweise schon seit Beginn meiner Karriere treu begleiten, – aber auch grössere Partner, die für die Schweiz stehen, wie zum Beispiel Migros. Wichtig ist, dass es zu mir passt und authentisch ist.
Sie sind nach dem Esaf gemeinsam mit Ihrer Mutter nach Paris gereist. Was bedeutete Ihnen diese Reise?
Sehr viel. Meine Mutter hat mir all die Jahre den Rücken freigehalten. Jetzt konnte ich sie endlich einladen und ihr einmal etwas zurückgeben – obwohl das erst ein kleiner Teil ist angesichts dessen, was sie alles für mich gemacht hat. Wir haben in Paris einfach Zeit miteinander genossen – Sightseeing, Velo fahren, gut essen. Es war schön, einmal nur Sohn und Mutter zu sein, ohne den Alltagsstress und abseits vom Sport.
Mit dem Eidgenössischen Kranz und den drei Sternchen hinter dem Namen steigen die Erwartungen – und auch die Gegner werden noch härter und motivierter. Belastet Sie das?
Nein. Für mich gilt immer das gleiche Motto: Ich nehme Schwingfest für Schwingfest und dort Gang für Gang. Klar, von aussen wird man jetzt vielleicht anders gesehen, aber mein Anspruch bleibt gleich wie vorher: Ich will einfach jeden Gang gewinnen.
Was fehlt Ihnen noch, um auch die besten Schwinger zu schlagen und ganz an die Spitze zu kommen?
Technisch kann ich im Angriff sicher noch variabler werden. Auch körperlich gibt es Baustellen – zum Beispiel im Rumpfbereich. Da will ich über den Winter viel investieren. Und auch punkto Ausdauer, weil ich so auch grossgewachsene Gegner ans Limit bringen kann. Meine eher kleinere Statur hat Vor- und Nachteile, und ich muss versuchen, meine Vorteile konsequent zu nutzen.
Ihr Traum ist es, der erste dunkelhäutige Schwingerkönig zu werden. Treibt Sie das weiter an?
Auf jeden Fall. Für mich ist das die grösste Motivation. Ich werde alles geben, um mir diesen Traum zu erfüllen. (riz/aargauerzeitung.ch)