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ESL: Die wichtigsten Fragen und Antworten nach dem Super-League-Kollaps

A banner hangs from one of the gates of Stamford Bridge stadium in London where Chelsea fans were protesting against Chelsea's decision to be included amongst the clubs attempting to form a new E ...
War es der Protest der Fans, der die englischen Klubs zum Umdenken bewegte?Bild: keystone

Die wichtigsten Fragen und Antworten nach dem Super-League-Kollaps

Die Super League ist tot, lang lebe die Champions League. Doch war die Kontroverse um das «Dreckige Dutzend» nur ein Ablenkungsmanöver, um die Reform der Königsklasse sauber durchzubringen? Und ist jetzt alles wieder gut? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
21.04.2021, 11:5321.04.2021, 14:01
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Nur 48 Stunden nach der öffentlichen Lancierung ist die European Super League (ESL) schon wieder kollabiert. Selbst die Ehe von Britney Spears mit ihrem Jugendfreund Jason Alexander hielt länger (55 Stunden).

Als erstes Team machte Chelsea einen Rückzieher. Es folgten im Laufe des gestrigen Abends die restlichen fünf Gründerklubs aus England, sowie Inter Mailand, Atlético Madrid und der FC Barcelona. Damit ist das Projekt faktisch vom Tisch – zumindest für den Moment. Was bleibt von den 48 Stunden Chaos im europäischen Fussball?

Ist das Projekt Super League jetzt vom Tisch?

Noch nicht ganz. Als Organisation liess die Super League am Mittwoch verlauten, dass die Pläne nicht vom Tisch seien. «Wir schlagen einen neuen europäischen Wettbewerb vor, weil das bestehende System nicht funktioniert», heisst es in einem Statement. Ungeachtet des angekündigten Ausscheidens der Premier-League-Vereine «sind wir überzeugt, dass unser Vorschlag vollständig mit den europäischen Gesetzen und Vorschriften in Einklang steht», wird darin betont.

«Angesichts der aktuellen Umstände werden wir die am besten geeigneten Schritte zur Neugestaltung des Projekts überdenken und dabei stets unser Ziel im Sinn haben, den Fans die bestmögliche Erfahrung zu ermöglichen und dabei die Solidaritätszahlungen für die gesamte Fussballgemeinschaft zu erhöhen», wird in dem Statement betont. Die Super League sei davon «überzeugt, dass sich der Status quo des europäischen Fussballs ändern muss».

Mittlerweile hat sich aber selbst Juve-Präsident Andrea Agnelli, der als einer der grossen Initianten der Super League gilt, vom Projekt distanziert:

Waren es die Fans, die die Klubs zum Umdenken bewogen haben?

Nicht nur. Die heftigen Reaktionen und Proteste der Fans schienen die Verantwortlichen beim «dreckigen Dutzend», wie die zwölf Gründerklubs mittlerweile genannt werden, zumindest überrascht und erschreckt zu haben. Arsenal und Liverpool haben in ihren Statements die Fans als Grund für den Rückzieher angegeben und gar um Entschuldigung gebeten.

Andere Stakeholder dürften aber einen deutlich grösseren Einfluss auf die Entscheidung der Klubs gehabt haben. Etwa die englische Regierung. Der grosse Rückzug fing erst an, als der englische Premierminister Boris Johnson ankündigte, mit legislativen Mitteln verhindern zu wollen, «dass sich englische Teams diesem Kartell anschliessen». Selbst Prinz William sprach sich explizit gegen die Super League aus.

Ein anderer Faktor dürften Trainer und Spieler gewesen sein. Manchester Citys Trainer Pep Guardiola und Liverpool-Coach Jürgen Klopp kritisierten die Super-League-Pläne ebenfalls scharf in der Öffentlichkeit.

Derweil organisierte sich Liverpools Captain Jordan Henderson mit den anderen Spielführern der Premier-League-Klubs, um gemeinsame Proteste zu lancieren. Spieler diverser Klubs zeigten kein Interesse daran, in der Super League zu spielen. Die Spieler von Manchester City dachten gar über einen Boykott nach. «Das war entscheidend», sagte ein anonymes Mitglied im Vorstand eines Premier-League-Teams gegenüber «The Athletic». «Wenn die Spieler nein sagen zur Super League, ist das die Silberkugel, die dieses Projekt erledigt.»

War die Super League nur eine Ablenkung für die Champions League Reform?

Die überhastete Ankündigung der Super League und der Kollaps nur 48 Stunden später, just zu der Zeit, als das UEFA-Exekutivkomitee eine umfassende Champions-League-Reform absegnete, machten diverse Fans und Beobachter stutzig.

War das Theater um die Super League nur ein Versuch, um von der Champions-League-Reform abzulenken? Schliesslich erhalten die besten Klubs Europas dort vieles von dem, was sie sich von der Super League erhofften: erleichterte Teilnahme in einem elitären Zirkel und viel Geld.

Doch das scheint nicht wahrscheinlich. Die UEFA hätte die Champions-League-Reform so oder so durchgebracht und braucht dafür kein Ablenkungsmanöver. Das «dreckige Dutzend» hatte nicht nur einen immensen administrativen Aufwand (der Rahmenvertrag umfasste beispielsweise 167 Seiten), sondern nun auch einen massiven Image-Schaden erlitten.

Die Teambesitzer haben sich mit ihrem Hin und Her bis auf die Knochen blamiert und dabei Misstrauen gesät – bei den Fans, bei den Verbänden und der nationalen Konkurrenz. Das nimmt niemand auf sich, nur um von einem anderen unangenehmen Thema abzulenken. Aber für die UEFA ist das natürlich eine willkommene Gelegenheit, sich selbst als Retter des Fussballs aufzuspielen.

Ist jetzt alles wieder gut?

Fussballfans in ganz Europa freuen sich über den Zerfall der Super-League-Pläne. Auch UEFA-Präsident Aleksander Ceferin war erfreut, als Manchester City als erstes Team offiziell den Rückzug ankündigte: «Sie haben grosse Intelligenz gezeigt, indem sie auf die vielen Stimmen – insbesondere auf ihre Fans – gehört haben. [...] Wie ich auf dem UEFA-Kongress sagte, braucht es Mut, einen Fehler zuzugeben, aber ich habe nie daran gezweifelt, dass sie die Fähigkeit und den gesunden Menschenverstand hatten, dies einzugestehen.» Ein Ausschluss aus der Champions League scheint so definitiv vom Tisch zu sein.

Doch nicht überall wird diese Freude geteilt. Die 14 Premier-League-Klubs, die nicht Teil der Super-League-Pläne waren, zeigten sich erzürnt. Rasch wurde ein Zoom-Meeting einberufen, wo mögliche Konsequenzen für die «abtrünnigen» Teams besprochen wurden.

Ein Team-Abgeordneter sagte gegenüber «The Athletic», dass die Landschaft innerhalb der Liga nachhaltig zerrüttet worden sei: «Wie können wir jemals wieder mit diesen Leuten zusammenarbeiten? Sie haben uns verraten und uns jahrelang mitten ins Gesicht gelogen.» Einige Klubs, dabei sollen Everton und Aston Villa besonders offensiv vorgengangen sein, forderten Punktabzüge für Manchester City, Manchester United, Liverpool, Chelsea, Arsenal und Tottenham.

Auch in der spanischen Liga hängt der Haussegen schief. Fernando Roig, Präsident von Villarreal nannte Real Madrids Präsident Florentino Perez einen «Egoisten, der nur an Real Madrid denkt». Bei Villarreal müssten sie nicht von Perez gerettet werden. Der Real-Präsident war der grösste Treiber der Super League und nannte es «das einzige Mittel, um den Fussball zu retten.»

Was sind die Konsequenzen für die Klubs?

Der Rummel um die Super League sorgt teilweise gar für rollende Köpfe. Manchester Uniteds Geschäftsführer Ed Woodward hat am späten Dienstagabend bekannt gegeben, dass er Ende Jahr zurücktreten werde. Dabei erwähnte er nicht explizit, dass die ESL-Kontroverse der Grund dafür gewesen sei. Gemäss Medienberichten sei der 49-Jährige aber ebenfalls eine der treibenden Kräfte hinter dem Projekt gewesen, das am Dienstagabend auseinander fiel.

Derweil wackelt auch der Stuhl von Arsenal-Besitzer Stanley Kroenke. Selbst Klub-Legende Ian Wright, der sich sonst mit Kritik an der Vereinsführung eher zurückhält, forderte mit einem Tweet den Rücktritt des US-Amerikaners.

Andere Klubs werden finanzielle Auswirkungen spüren. Bei Manchester United und Juventus Turin stürzte der Aktienkurs ab. Der FC Liverpool verlor einen Sponsor. Der Schweizer Uhrmacher Tribus habe gemäss Medienberichten die Partnerschaft mit den «Reds» aufgrund der Super-League-Pläne beendet.

Mit Material der Nachrichtenagentur keystone-sda.

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