Das Online-Medium The Intercept hat am Donnerstag mit einer Enthüllungsstory zum Projekt Dragonfly weltweit für Aufsehen gesorgt. Darin beschreiben ein früherer Google-Sicherheitsingenieur und drei aktuelle, nicht namentlich genannte Angestellte, wie sie von ihrem Unternehmen umgangen worden seien. Google habe eigene Sicherheits- und Datenschutz-Teams von dem Geheimprojekt ausgeschlossen.
Die Google-Ingenieurin Liz Fong-Jones rief via Twitter zu Protestaktionen gegen ihr Unternehmen auf.
Google engineer calls for a walkout over China censorship and raises $200K strike fund in hours https://t.co/SS9kWugGLc
— XENI (@xeni) 30. November 2018
Fong-Jones rief zur vorübergehenden Arbeitsniederlegung auf, falls die Google-Führung nicht einlenke. Und sie bot an, die ersten 100'000 Dollar an Spenden für einen Streikfonds zu sammeln, um Googler zu unterstützen, die beim «Walkout» mitmachen. Nur Stunden später hatten ihre Arbeitskollegen weitere 100'000 Dollar überwiesen.
Fong-Jones arbeitet für die Google-Abteilung, deren CEO zurücktreten musste, nachdem es einen Mitarbeiteraufstand gegeben hatte wegen eines Drohnen-Projekts (siehe unten).
Via Twitter meldeten sich auch Google-Angestellte, die dem Bericht von The Intercept widersprachen. Sie habe nicht gesehen, dass jemand kaltgestellt worden sei.
This story does not represent my experience working on security & privacy for Dragonfly, which were positive and thoughtful. I saw no sidelining whatsoever. https://t.co/N5KZVJvxhp
— Heather Adkins (@argvee) 29. November 2018
Die Google-Führung hält an der früheren Darstellung fest, dass das Unternehmen nicht kurz davor stehe, eine zensierte Suchmaschine in China zu lancieren. Es handle sich um ein «Sondierungsprojekt» (Exploratory Project), und es sei noch keine Entscheidung getroffen worden, ob Dragonfly überhaupt realisiert werde, sagte eine Sprecherin.
Auch seitens der chinesischen Regierung hiess es bislang, ein solcher Google-Dienst sei auf absehbare Zeit nicht realistisch.
Das zum Alphabet-Konzern gehörende US-Unternehmen, das in Zürich ein Forschungszentrum betreibt, kommt wegen Project Dragonfly nicht zur Ruhe.
Anfang Woche wurde über einen Offenen Brief berichtet, den 200 Ingenieure, Designer und Manager unterzeichnet haben. Darin wird die Google-Führung dafür kritisiert, nur unzureichend auf die Bedenken von Mitarbeitern sowie Menschenrechtsorganisationen einzugehen.
Die App für das mobile Betriebssystem Android solle angeblich den Zensurvorschriften der kommunistischen Führung in Peking entsprechen, berichtet Spiegel Online. Sie sperre vom Regime verbotene Websites und Suchbegriffe etwa zu Menschenrechten, Demokratie oder Religion.
Die kritischen Stimmen im Unternehmen argumentieren, Projekt Dragonfly könnte einen «gefährlichen Präzedenzfall schaffen, der es Google schwerer machen würde, anderen Ländern ähnliche Zugeständnisse zu verweigern».
Der Schutz der Privatsphäre ist für die Bürgerinnen und Bürger Chinas überlebenswichtig, denn im Einparteienstaat drohen Menschenrechtlern und Oppositionellen jahrelange Gefängnisstrafen oder gar der Tod.
Google sah sich dieses Jahr wiederholt mit heftigen Protesten und öffentlichen Unmutsbekundungen der eigenen Angestellten konfrontiert. Viele äusserten sich via Twitter.
Seit 2010 bietet Google seinen Suchdienst wegen Chinas Zensurbemühungen («The Great Firewall») nicht mehr von Festland-China aus an, sondern von Hongkong aus. Andere grosse US-Tech-Konzerne wie Apple und Microsoft haben sich bereits mit dem chinesischen Regime arrangiert.
Mit Material der Nachrichtenagentur SDA