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Berichten, was ist. Ohne Rücksicht darauf, ob es denn politisch korrekt daherkommt. Es geht um ein Spiel der zweiten Gruppe des Eishockey-Frauenturniers. Normalerweise folgen einer solchen Vorrunden-Partie bei einem olympischen Turnier vielleicht zehn bis zwanzig Chronistinnen und Chronisten. Sie verlieren sich im Medienzentrum wie Vögel, die den Zug nach Süden verpasst haben.
Aber am Samstagabend ist alles anders. Es geht nicht in erster Linie um Sport. Es geht um Politik. Zum ersten Mal in der olympischen Geschichte tritt ein Team des vereinigten Korea an. Spielerinnen aus dem Süden und Norden haben sich in einem Team vereinigt. Ein sportliches «Dutzend-Ereignis» dominiert die internationalen Schlagzeilen. Gibt es ein schöneres Zeichen für die völkerverbindende Kraft der olympischen Idee? Nein.
Die vereinigten Koreanerinnen feiern ihre olympische Premiere gegen die Schweiz. Nie zuvor in der Geschichte hat eine Partie unseres Frauenhockeyteams so viel mediale Beachtung gefunden.
Im Medienzentrum ist schon zwei Stunden vor dem grossen Ereignis kein Platz mehr frei. Über 100 Medienschaffende sind da. Sogar ein Vertreter aus Katar. Er erkundigt sich, ob das Spiel eigentlich in zwei Halbzeiten oder drei Dritteln ausgetragen werde.
Der Chef der Fotografen ruft seine Berufskolleginnen und Kollegen über die Lautsprecheranlage im Medienzentrum dazu auf, respektvoll miteinander umzugehen. Es hat viel zu wenig Plätze für die Fotografinnen und Fotografen rund ums Eisfeld. Wo er recht hat, hat er recht. Das wäre eine schöne Blamage, wenn es um die begehrten Plätze zu tätlichen Auseinandersetzungen käme. Womöglich noch vor einer TV-Kamera.
Berichten, was ist. Ohne Rücksicht darauf, ob es denn politisch korrekt daherkommt. Eine kuriose Situation. Natürlich ist dieser erste Auftritt eines gemeinsamen koreanischen Teams ein Meilenstein in der olympischen Geschichte. Aber worüber nun berichten? Ein Matchbericht oder gar eine taktische Analyse über das einseitige Operetten-Spiel kann es ja nicht sein.
Interessanter als der Sport ist vorerst alles drum herum. Ist die Schwester von Kim auch da? Ja, sie ist da. Ist der südkoreanische Präsident auch da? Ja, er ist da. Ist das helvetische Staatsoberhaupt Alain Berset da? Ja, er sitzt auf der Tribune. Ist IOC-Boss Thomas Bach da? Ja, auch er ist da. Der machtbewusste teutonische IOC-Vorsitzende an einem Vorrunden-Frauen-Eishockeyspiel der Schweizerinnen. Welch eine Ehre. So ist das halt, wenn es um Politik und nicht um Sport geht.
Berichten, was ist. Ohne Rücksicht darauf, ob es denn politisch korrekt daherkommt: Diese Partie ist, bei Lichte besehen, ein schlauer Propaganda-Schachzug des nordkoreanischen Machthabers. Er hat sein Einverständnis zum gemeinsamen Team mit dem Süden gegeben und so die olympische Bühne für seine politische Propaganda gerockt.
Alle reden, schreiben, senden über dieses vereinigte koreanische Team. Für einmal ist nicht mehr die Rede vom grausamen Diktator, vom grössenwahnsinnigen Raketenmann und Atombombenbauer. Es fehlt nicht mehr viel und er wäre vor dieser Partie als Friedensfürst gefeiert worden. Wegen seines ach so grossmütigen vereinigten Hockeyteams.
Kim hat mit 12 Spielerinnen (drei sind gegen die Schweiz eingesetzt worden) auch rund 200 Cheerleaderinnen in den Süden entsandt. Alleine die Bilder des Grenzübertrittes gingen um die Welt. Weil ein Grenzübertritt seit dem Ende des Koreakrieges (1953) nicht möglich ist.
Ganz in Rot, in drei Blöcke auf den zwei vordersten Sitzplatzreihen zusammengefasst und straff geführt, dominieren Kims «Propaganda-Soldatinnen» mit ihren Gesängen die Stimmung in der Arena und reissen die Zuschauerinnen und Zuschauer immer wieder mit. Die «Kim-Girls» als Mikroversion der Massenaufmärsche aus Tausenden von Menschen, die wir aus Propaganda-Bildern aus Kims Reich kennen.
Jubel braust auf, wenn es einer Koreanerin auch nur gelingt, ein paar Zentimeter ins Verteidigungsdrittel der Schweizerinnen einzudringen. Und erst recht, wenn mit heroischem Einsatz wieder einer der eidgenössischen Angriffe abgewehrt ist.
Die Schweizerinnen nehmen keine Rücksicht auf politische Befindlichkeiten. Sie blenden das Polit-Spektakel aus. Für sie geht es um Sport. Und nur um Sport. Um drei Punkte als gute Ausgangslage um in den Gruppenspielen gegen Korea, Japan und Schweden mindestens Platz 2 und die Viertelfinals zu erreichen. Der ganze Rummel wird den Koreanerinnen zum Verhängnis. Sie finden nie ins Spiel.
Keine Schweizer Geschenke in Kims Propagandaspiel. Nur reines, über weite Strecken begeisterndes Eishockey. Vom Anfang bis zum bitteren sportlichen Ende für die vereinigten Koreanerinnen, die weit unter den Erwartungen bleiben – immerhin haben sie vor nicht allzu langer Zeit gegen die Schweiz ein Testspiel nur 1:2 nach Verlängerung verloren. Auch die sechs im Süden eingebürgerten Amerikanerinnen und die drei eingesetzten Nordkoreanerinnen gehen mit dem Team unter. Hockey ist halt ein Teamsport.
Die Schweiz gewinnt 8:0 bei 52:8 Torschüssen. Nach dem Spiel eilt Bundespräsident Alain Berset in die Kabine. Um zu gratulieren. «Er hat uns gelobt, weil wir uns nicht ablenken liessen und uns aufs Eishockey konzentrierten» erzählt Torhüterin Florence Schelling. Sie hatte nur 8 Schüsse zu halten und hatte in der Anfangsphase bei einem Lattenschuss Glück. Es war der einzige gelungene Angriff der Koreanerinnen.
Alina Müller egalisiert zwei olympische Rekorde. Am meisten Tore (4) und am meisten Punkte (6) in einem Spiel. Sie erzielte die vier Treffer zwischen der 11. und 22. Minute aus nur 7 Schüssen. Die Linie mit Lara Stalder, Alina Müller und Sara Benz erzielt 6 der 8 Tore und kombiniert sich durch die gegnerischen Reihen wie einst die «Big Red Machine» der Sowjets zu den besten Zeiten.
Die Schwester von NHL-Verteidiger Mirco Müller hat schon wieder Geschichte geschrieben. Vor vier Jahren erzielte sie in Sotschi im Bronzespiel gegen Schweden (4:3) den Siegestreffer der Schweizerinnen. Sie war damals mit 15 die jüngste Spielerin des Turniers.
Nun reicht am Montag ein Sieg gegen Japan für die Viertelfinals. Das ist die sportliche Erkenntnis aus Kims Propagandaspiel.