Die Schweiz ist keine Pirateninsel, doch im Gegensatz zu den umliegenden Ländern gibt es hierzulande keine knallharte Gesetzgebung gegen Downloader. Dazu gleich mehr.
Doch zuerst zu Thomas (Name geändert), der kürzlich einen gehörigen Schrecken erleben musste. So, wie vermutlich einige andere Internet-Nutzer auch.
Thomas hat den Hollywood-Streifen «13 Hours – The Secret Soldiers of Benghazi» (2016) heruntergeladen. Das tat er mit dem Gratis-Bittorrent-Programm Transmission und deaktivierte vorher – weil er die rechtliche Situation kennt und ein vorsichtiger Mensch ist – die automatische Upload-Funktion.
Umso mehr erschreckt ihn die Mitteilung seines Internet-Providers, die Tage später in seinem Postfach landet. Darin weist ihn die Innerschweizer Firma auf ein eingegangenes Schreiben der bekanntesten Piratenjäger der Welt hin. Der eigentliche Absender und Auftraggeber: ein mächtiges Hollywood-Studio.
Es ist einer von unzähligen Fällen, in denen Paramount Pictures gemeinsam mit dem Anti-Piraterie-Dienstleister IP-Echelon gegen Bittorrent-Nutzer vorgeht. Dabei will man zunächst einmal die Weiterverbreitung des Materials über das Peer-to-Peer-Netzwerk verhindern. Der Provider von Thomas wird aufgefordert, die erforderlichen technischen Schritte zu treffen.
Was daraufhin beim Provider geschieht, ist watson nicht bekannt. Eine Mitarbeiterin des Kunden-Supports schreibt Thomas: «Aus rechtlicher Sicht besteht für uns kein Handlungsbedarf.»
Als der junge Mann telefonisch beim Support nachfragt, erhält er die beruhigende Auskunft, dass keinerlei persönliche Daten an Dritte weitergegeben würden. Und: Als Provider erhalte man Hunderte solcher Schreiben aus den USA.
Straf- oder zivilrechtliche Konsequenzen hat das Vorgehen für Thomas nicht. Oder nur vorläufig nicht? In dem Schreiben, das watson vorliegt, verlangt IP-Echelon vom Internet-Provider, sämtliche «Beweise» (wie etwa Logdaten) nicht zu zerstören.
Wie schon bei früheren Fällen ist nicht klar, ob das Hollywood-Studio tatsächlich Klagen oder sonstige Formen der Abmahnung plant. Allerdings sind juristische Schritte angesichts der dünnen (oder nicht existenten?) Beweislage äusserst unwahrscheinlich und es dürfte sich nur um eine Drohgebärde handeln.
watson hat bei IP-Echelon um eine Stellungnahme gebeten und sich insbesondere danach erkundigt, wie die Firma die angeblichen Urheberrechtsverletzungen beweisen will. Die Antwort steht aus und wird an dieser Stelle nachgeliefert.
Gemäss Einschätzung des Schweizer Anwalts Martin Steiger, der auf Internet-Recht spezialisiert ist und bereits Personen in Strafverfahren wegen Urheberrechtsverletzungen vertreten hat, laufen solche Beschwerden im Auftrag der US-Unterhaltungsindustrie weitgehend automatisiert ab. Dies komme regelmässig vor.
Interessant sei bei diesem Fall, dass es einen Access-Provider betreffe und nicht einen Hosting Provider. In diesem Bereich gebe es weder eine gesetzliche Verpflichtung noch eine Selbstregulierung. Dies bestätigt ein weiterer Provider, den watson kontaktiert hat: Bei Swisscom erklärt Sprecher Armin Schädeli auf die Frage, wie das Standard-Vorgehen bei Beschwerden wegen angeblicher Copyright-Verletzungen sei:
Laut Steiger ist die Überwachung von Peer-to-Peer-Netzwerken und die damit verbundene massenhafte Sammlung von User-Daten (Monitoring) hierzulande nicht gestattet.
Das Vorgehen widerspreche seines Erachtens einem Bundesgerichtsurteil aus dem Jahr 2010. Mit dem so genannten Logistep-Entscheid kam das Bundesgericht einer Klage des eidgenössischen Datenschützers nach. Das Sammeln von IP-Adressen von Filesharing-Usern durch eine private Firma sei nicht zulässig. Es fehle an einem Rechtfertigungsgrund, wie ihn das Datenschutzrecht verlangt.
Das Peer-to-Peer-Netzwerk-Monitoring funktioniert laut Steiger unabhängig vom Uploaden. Ob man die von IP-Echelon erhobenen Daten in einem Strafverfahren überhaupt verwenden dürfe, sei noch nicht abschliessend geklärt. Betroffenen Unternehmen stünde schon heute die Möglichkeit offen, Strafantrag zu erheben. Und aus Sicht der Internet-User gelte:
Noch ist das Herunterladen von urheberrechtlich geschützten Videos zum Eigengebrauch legal. Dies gilt für:
Was vielen Konsumentinnen und Konsumenten nicht bewusst sein dürfte: Sie entrichten über standardisierte Preisaufschläge auf digitale Speichermedien – ob beim iPad, dem USB-Stick oder der SSD-Festplatte – eine Entschädigung. Die Verwertungsgesellschaften, die das Geld im Auftrag der Inhalte-Produzenten kassieren, bezeichnen dies als «Leerträgervergütung».
Fraglich bleibt, ob in der Schweiz die Copyright-Gesetze verschärft werden und dereinst – wie im umliegenden Europa – der Download von geschützten Werken unter Strafe gestellt wird. So wie dies etwa für Software-Titel bereits der Fall ist.
Dieses Jahr soll es mit der Revision des Urheberrechtsgesetzes (URG) weitergehen. Die öffentliche Vernehmlassung endete vor einem Jahr. Sie sah unter anderem Netzsperren vor und wollte die Massenüberwachung von Peer-to-Peer-Netzwerken legalisieren. Nun erarbeitet das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) einen Vorschlag, der bis im Sommer dem Bundesrat unterbreitet werden soll.
Vertreter der Zivilgesellschaft, darunter die Digitale Allmend und die Digitale Gesellschaft, hatten wiederholt kritisiert, dass Verhandlungen hinter geschlossenen Türen geführt wurden.