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Kipppunkte der Erde rücken laut Forschern bedrohlich näher

FILE - In this July 22, 2017 file photo, a polar bear climbs out of the water to walk on the ice in the Franklin Strait in the Canadian Arctic Archipelago. Climate scientists point to the Arctic as th ...
In den Polarregionen zeigt sich der Klimawandel besonders deutlich.Bild: AP/AP

Forschende warnen: Kipppunkte der Erde rücken bedrohlich näher

13.10.2025, 06:5013.10.2025, 13:40

Mit seiner starken Erwärmung nähert sich unser Planet rasant katastrophalen und unumkehrbaren Kipppunkten – so die Warnung von 160 Klimaforschern aus 23 Ländern.

«Wir steuern rapide auf mehrere Kipppunkte des Erdsystems zu, die unsere Welt verändern könnten und zerstörerische Folgen für Menschen und Natur hätten», betonte Tim Lenton von der Universität Exeter, der mit einem internationalen Team den «Global Tipping Points Report» veröffentlicht. Es seien beispiellose und sofortige Massnahmen von politischen Entscheidungsträgern in aller Welt notwendig.

A diver inspects coral at the Great Barrier Reef in far North Queensland, Australia, Sept. 23, 2024. (Australian Institute of Marine Science via AP)
Australia Great Barrier Reef
Ein Taucher beim Great Barrier Reef vor der Küste Australiens.Bild: keystone

Ein Kipppunkt in der Klimaforschung ist ein kritischer Schwellenwert, bei dessen Überschreiten ein Teil des Erdsystems vergleichsweise plötzlich und oft unumkehrbar in einen neuen Zustand kippt – mit potenziell furchtbaren Folgen für die Menschheit. Forscher sehen es als essenziell an, Kipppunkte zu vermeiden, um schwerwiegende, nicht mehr rückgängig zu machende Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern.

  • Ein Kipppunkt ist dem Bericht zufolge mit dem grossen Korallensterben bereits erreicht. Die Temperaturschwelle für diesen Kipppunkt liege bei schätzungsweise 1,2 Grad – und sei bei der derzeitigen Erderwärmung von etwa 1,4 Grad schon überschritten. Selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass sich die Erderwärmung noch bei 1,5 Grad stabilisieren lasse, sei mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 99 Prozent davon auszugehen, dass Warmwasser-Korallenriffe verloren seien.
  • Der Amazonas-Regenwald, an dessen Rand in Kürze die Weltklimakonferenz stattfindet, ist durch eine Kombination aus klimabedingten Dürren und Abholzung ebenfalls gefährdet: Die Schwelle, ab der ein weitreichendes Absterben droht, sei niedriger als bislang angenommen – das untere Ende der angenommenen Spanne, an der das System kippen könnte, liege nun bei den schon fast erreichten 1,5 Grad, hiess es.
  • Die Atlantische Umwälzströmung könnte womöglich ebenfalls schon bei einer Erderwärmung von unter zwei Grad kollabieren, nehmen die Forscher an. Dies würde in Nordwesteuropa zu deutlich harscheren Wintern führen und unter anderem die Bedingungen für die Landwirtschaft in grossen Teilen durcheinanderwirbeln – mit drastischen Folgen für die weltweite Ernährungssicherheit. Prognosen zur Entwicklung des Strömungssystems gelten allerdings noch als sehr unsicher.
epa11588564 A drone photograph shows a fire that took over a green area in Manaus, Amazonas, Brazil, 05 September 2024. Amazonas, the largest state in Brazil, is suffering from an environmental crisis ...
Der Amazonas-Regenwald ist besonders gefährdet.Bild: keystone

Seit ihrer letzten Bestandsaufnahme vor zwei Jahren sehen die Forschenden auch Fortschritte beim Wandel. «Es gab eine radikale weltweite Beschleunigung, darunter die Verbreitung von Solarenergie und Elektroautos. Aber wir müssen mehr tun und uns schneller bewegen, um positive Kipppunkte zu erreichen», sagte Lenton. Bestenfalls ergäben sich Kettenreaktionen – etwa zwischen den Bereich Energie, Verkehr und Heizen. «Wir müssen viel mehr positive Kipppunkte identifizieren und auslösen», so das Team. (pre/sda/dpa)

Tropische Korallenriffe haben Kipppunkt erreicht
Die tropischen Korallenriffe der Erde haben infolge des Klimawandels einer Untersuchung zufolge mit ziemlicher Sicherheit ihren Kipppunkt erreicht und sind teilweise vermutlich nicht mehr zu retten. «Leider sind wir uns jetzt fast sicher, dass wir einen dieser Kipppunkte für Warmwasser- oder tropische Korallenriffe überschritten haben», sagte Tim Lenton, Klimaforscher an der Universität Exeter und leitender Autor eines am Montag veröffentlichten Berichts der Nachrichtenagentur AFP.

Die Schlussfolgerung der Forscher werde durch die Beobachtung eines «beispiellosen» Korallensterbens in tropischen Riffen gestützt, die seit Veröffentlichung der ersten wissenschaftlichen Bewertung von Kipppunkten im Jahr 2023 stattgefunden habe, erklärten die Autoren.

Durch die Erderwärmung von durchschnittlich 1,4 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter «erleiden diese Riffe ein beispielloses Absterben, das die Lebensgrundlage von Hunderten Millionen Menschen» sowie das Überleben von einer Million Meeresarten beeinträchtigt, erklärten die Wissenschaftler.

Für die Untersuchung hat ein internationales Team von rund 160 Forschern sogenannte Kipppunkte untersucht, die zu einer unumkehrbaren Zerstörung der Natur führen können. (sda/afp)
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188 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Chnebeler
13.10.2025 07:58registriert Dezember 2016
Und immernoch interessierts es leider grosse Teile der Bevölkerung nicht. Dabei wäre die Bekämpfung des Klimawandels neben der Erhaltung unserer Lebensgrundlagen auch die nachhaltigste Migrationspolitik der nächsten Jahrzehnete.
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_kokolorix
13.10.2025 08:09registriert Januar 2015
Die Mehrheit der Erdbevölkerung hat beschlossen, den Kopf in den Sand zu stecken. Daran ändern auch 160 Forscher nichts mehr.
Das ist wie jemand der aus einem Hochhaus stürzt und sich beim 3. Stock sagt, "bis jetzt ist nichts passiert" ☹️
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Señor Jenson
13.10.2025 08:37registriert Mai 2023
Müsste das nicht eigentlich die alles überragende Meldung des Tages sein und das sofortige Umsetzen aller Eindämmungsmöglichkeiten mit sich bringen? Als Artikel am meisten gelesen, am meisten diskutiert?
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