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Warum die Impf-Studien aus Israel mit Vorsicht zu geniessen sind

epa09063610 A nurse prepares a shot of COVID-19 vaccine in downtown Jerusalem, 09 March 2021. Israeli government approved the easing of coronavirus restrictions allowing bars, restaurants, event halls ...
Eine Krankenpflegerin bereitet eine Impfung vor, Jerusalem (Archivbild vom März).Bild: keystone

Warum die Impf-Erkenntnisse aus Israel mit Vorsicht zu geniessen sind

Das israelische Gesundheitsministerium hat festgestellt, dass der Impfstoff von Biontech/Pfizer weniger gut gegen die Delta-Variante schützt als gegen Alpha. Britische Studien attestieren demselben Vakzin eine höhere Schutzwirkung. Warum die Erkenntnisse aus Israel noch mit Vorsicht zu geniessen sind und wie es um den Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf steht.
06.07.2021, 18:03
Bruno Knellwolf / ch media
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Das israelische Gesundheitsministerium hat in einer Vorstudie herausgefunden, dass der Impfstoff von Biontech/Pfizer nur eine 64-prozentige Wirksamkeit gegenüber der Delta-Variante hat. Das ist ein Drittel weniger als gegen die anderen Stämme des Virus, insbesondere gegen die bei uns noch dominierende Alpha-Variante. Somit wird aufgrund dieser israelischen Erhebung im vergangenen Monat befürchtet, dass diese mRNA-Impfung wegen der aktuellen Ausbreitung von Delta weniger zum Ende der Pandemie beiträgt, als das bei anderen Virusvarianten der Fall war.

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Die Studie basiere allerdings nur auf vorläufigen Zahlen zur Wirksamkeit des Impfstoffs, die von den Gesundheitsbehörden laufend erhoben würden, warnte Professor Nadav Davidovitch in der «Financial Times». Davidovitch ist Mitglied des Covid-19-Expertenausschusses der israelischen Regierung.

Der Schutz vor schwerer Infektion ist intakt

«Es ist durchaus möglich, dass der Impfschutz gegen jegliche Infektion tiefer ausfällt, gegen schwere Erkrankung aber erhalten bleibt», sagt Richard Neher von der Universität Basel, der in der Schweiz für das Sequenzieren der Coronaviren zuständig ist. Die Resultate aus Israel seien zu erwarten gewesen. «Der Schutz vor schwerer Infektion ist intakt, aber milde Infektionen nehmen zu», sagt Neher.

Hinzu komme, dass es in Israel jetzt schon fast sechs Monate her sei, dass ein Grossteil der Bevölkerung geimpft wurde. Von der Grippe-Impfung weiss man, dass der Schutz mit jedem Monat ein paar Prozent abnimmt. Dieser Effekt sei bei Corona zwar noch nicht bekannt. Aber bei Sars-CoV-1 seien T-Zellen und Antikörper auch nach Jahren noch vorhanden. Wie sich dies im Impfschutz übersetze, sei noch nicht klar. Neher sagt:

«Weitere Wellen sind möglicherweise nicht zu vermeiden und eine hohe Durchimpfung ist daher essenziell, um den Druck auf das Gesundheitssystem in Grenzen zu halten.»

Die Impfung sollte aber nach wie vor die Übertragung verlangsamen.

Tatsächlich zeigen die Zahlen aus Israel zwar eine verminderte Wirkung auf mögliche Infektionen, aber einen hohen Schutz von Biontech/Pfizer gegenüber schwerer Covid-Erkrankung. Der Impfstoff ist nach der Vorstudie zu 93 Prozent wirksam, wenn es darum geht, Spitalaufenthalte und schwere Krankheitsverläufe zu verhindern. Deshalb sagt der israelische Corona-Experte in der «Financial Times», die Delta-Variante sei viel infektiöser, scheine aber nicht zu so vielen schweren Erkrankungen und Todesfällen zu führen, weil man den Impfstoff habe.

Mit Biontech/Pfizer sind in Israel fünf Millionen der neun Millionen Einwohner geimpft. Davidovitch sagt, dass bei einem weiteren Anstieg der Delta-Infektionen in Israel sofort auch die eine Million Ungeimpften im Land geimpft werden müssten, um sie vor Erkrankung zu schützen. Auch der Green-Pass, das Covid-Zertifikat, müsste reaktiviert werden.

Britische Studien zeigen höhere Wirksamkeit gegen Delta

Die Zahlen aus Israel widersprechen den Untersuchungen der englischen Gesundheitsbehörde Public Health, die im Mai festgestellt hat, dass Biontech/Pfizer nur leicht reduziert wirke. Mit 88 Prozent statt mit 93 Prozent wie gegen Alpha. Und auch dort wurde gesehen, dass es trotz der vielen Neuinfektionen in Grossbritannien mit Delta nur zu einem kleinen Anstieg der Hospitalisationen und Todesfälle gekommen ist.

Eine aktuelle Studie aus Schottland hat die Wirksamkeit sowohl von Biontech/Pfizer als auch von Astra/Zeneca untersucht, der in Grossbritannien hauptsächlich gespritzt wird. Dort zeigte sich, dass die Wirksamkeit von Biontech/Pfizer gegenüber Delta höher ist als jener von Astra/Zeneca. Biontech erzeugte in der schottischen Untersuchung eine Wirksamkeit von 79 Prozent gegenüber Delta, Astra/Zeneca nur von 60 Prozent. Gegen Alpha wirkte Biontech in dieser Studie mit 92 Prozent, Astra/Zeneca mit 73. Generell ist der Impfschutz gegen Delta somit kleiner als gegen Alpha, aber auch in Schottland hat die Impfung Spitalaufenthalte und schwere Erkrankungen verhindert.

Pfizer sagt: abwarten

In der «Financial Times» erklärt die Firma Pfizer, dass die israelischen Daten nur vorläufig und noch nicht geprüft seien. Viele reale Studien aus aller Welt und Labortests zeigten, dass die Impfung viele besorgniserregende Varianten, inklusive Delta, erfolgreich bekämpften.

Dass es auch unter Geimpften wieder zu Ansteckungen kommen kann, ist nicht überraschend. Denn kein Anbieter hat eine Wirksamkeit von 100 Prozent versprochen.

Gemäss den klinischen Studien reduziert sich beim Vergleich von Geimpften und Placebogruppen die Ansteckung mit dem Urtyp von Sars-CoV-2 um 95 Prozent. Das ist gut, aber nicht umfassend. Betagte und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, die ungeimpft ein erhöhtes Risiko haben, an Covid-19 schwer zu erkranken oder zu sterben, werden auch mit Impfung etwas weniger geschützt als gesunde Menschen. Das bedeutet, dass auch mit Impfung mehr Betagte von Covid-19 betroffen werden - allerdings weniger als ohne Impfung. (bzbasel.ch)

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