Noch nicht einmal 20 Jahre hat Paul Bäumer hinter sich gebracht, schon hockt er in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs, um ihn herum liegen die Toten. Die Halbtoten versuchen ihre herausquellenden Gedärme mit den Händen zurückzustopfen. Und irgendwo versucht einer mit zerschmetterten Gliedmassen davonzukriechen. Als sich ein Franzose Schutz suchend in seinen Graben wirft, rammt ihm Paul ein Messer zwischen die Rippen:
«Kamerad, ich wollte dich nicht töten. Sprängst du noch einmal hier hinein, ich täte es nicht, wenn auch du vernünftig wärest. Aber du warst mir vorher nur ein Gedanke, eine Kombination, die in meinem Gehirn lebte und einen Entschluss hervorrief – diese Kombination habe ich erstochen. Jetzt sehe ich erst, dass du ein Mensch bist wie ich. Ich habe gedacht an deine Handgranaten, an dein Bajonett und deine Waffen – jetzt sehe ich deine Frau und dein Gesicht und das Gemeinsame. Vergib mir, Kamerad! Wir sehen es immer zu spät. Warum sagt man uns nicht immer wieder, dass ihr ebenso arme Hunde seid wie wir, dass eure Mütter sich ebenso ängstigen wie unsere und dass wir die gleiche Furcht vor dem Tode haben und das gleiche Sterben und den gleichen Schmerz. Vergib mir, Kamerad, wie konntest du mein Feind sein. Wenn wir diese Waffen und diese Uniform fortwerfen, könntest du ebenso mein Bruder sein.»
Erich Maria Remarque, im Westen nichts Neues
Das sind die Worte, die der Protagonist von Remarques berühmtem Roman «Im Westen nichts Neues» an sein sterbendes Opfer richtet.
Kriege werden geführt, seit es Menschen gibt. Obwohl ihn die wenigsten wollen.
Das 20. Jahrhundert forderte 100 bis 185 Millionen Kriegsopfer. Heute werden auf fünf von sieben Kontinenten (ohne Australien und Antarktis) bewaffnete Konflikte ausgetragen.
Es sollen hier weder Kriegsverbrechen noch dahinterstehende Ideologien relativiert werden. Es geht darum zu zeigen, dass Individuen an der Front standen, die inmitten dieses unmenschlichen Schreckens einen Rest Menschlichkeit zu bewahren vermochten.
Juli 1941, Ukraine: Sowjetische Soldaten spielen mit ukrainischen Kindern in einem kleinen Dorf. Kurz darauf kämpfen sie in der Kesselschlacht bei Uman gegen die deutsche Wehrmacht. Die Rote Armee verliert ca. 200'000 Mann.
Juli 1943, Russland: Deutsche Soldaten verbringen den Tag mit russischen Dorfbewohnern nahe Belgorod. Die Rote Armee geht in dieser Zeit gerade zum Angriff auf die deutschen Fronten über (Belgorod-Charkower Operation). Am 5. August wird es ihr gelingen, Belgorod von der deutschen Besatzung zu befreien. Das Foto stammt vom deutschen Kriegsfotografen Franz Grasser, der ein Jahr später als Kriegsgefangener in Noworossijsk am Schwarzen Meer starb.
Juli 1944, Pazifikinsel Saipan: Ein amerikanischer Soldat wartet mit einem verletzten japanischen Jungen in seinem Cockpit, bis er in ein Feldlazarett gebracht werden kann. Draussen tobt die Schlacht um Saipan, die im Rahmen des Pazifikkrieges ausgefochten wird. In der 20-tägigen Schlacht verlieren fast 44'000 Menschen ihr Leben.
Geschätzte 12'000 davon waren japanische Zivilisten. Die Zahl ist so hoch, weil sich viele – verängstigt durch die anti-amerikanische Propaganda – lieber von der felsigen Nordspitze der Insel in den Tod stürzten, als sich den Besatzern zu ergeben. Diejenigen, die sich dennoch ergeben wollten, wurden nach amerikanischen Zeugenaussagen teilweise von den eigenen Soldaten erschossen.
Das Foto stammt vom «Life Magazine»-Fotografen Peter Stackpole.
April 1942, Russland: Ein deutscher Soldat gibt einem kleinen russischen Flüchtlingskind ein Stück Brot im sumpfigen Waldgebiet Mjasnoi Bor, in der Nähe von Nowgorod. Hundert Kilometer nördlich liegt Leningrad (St.Petersburg), belagert von der deutschen Wehrmacht.
Bis zum Ende der Blockade am 27. Januar 1944 werden etwa 1,1 Millionen Bewohner sterben. Die meisten verhungern. Dieser systematische Massenmord an der Leningrader Bevölkerung war eines der schlimmsten Kriegsverbrechen Nazi-Deutschlands.
Juni 1944, Italien: Ein neuseeländischer Soldat bietet einer alten italienischen Dame ein Stück Schokolade an. Sie ist gerade zurückgekehrt in die Ruinen ihres Hauses, das in Orsogna, Abruzzen, stand und im Zuge des Italienfeldzugs zerstört wurde.
Mit ca. 320'000 alliierten und über 330'000 deutschen Gesamtverlusten – Verwundete und Vermisste inklusive – war Italien einer der mörderischsten Kriegsschauplätze in Westeuropa.
August 1944, Frankreich: Nach der Befreiung der Normandie lässt ein amerikanischer Soldat drei Mädchen durch seinen Feldstecher gucken.
Juli 1943, Russland: Ein sowjetischer Soldat teilt seine Zigaretten mit deutschen Kriegsgefangenen in Kursk. Im Rahmen des «Unternehmens Zitadelle» startet die deutsche Wehrmacht eine letzte Grossoffensive im Krieg gegen die Sowjetunion. Sie wird auf Hitlers Geheiss am 16. Juli 1943 endgültig abgebrochen.
1942, Russland: Sowjetische Soldaten spielen in den Ruinen von Nowoschachtinsk eine Nocturne für ihre Kameraden. In den Kohlebergwerken der Stadt waren tausende deutsche Kriegsgefangene beschäftigt. Das Foto stammt vom St.Petersburger Fotografen Jakow Chalip, der während des Deutsch-Sowjetischen Krieges als Frontkorrespondent arbeitete.
Januar 1918, Frankreich: Truppen der britischen Heeres-Luftwaffe proben in Bapaume, Pas-de-Calais, für eine Aufführung des «Cinderella»-Märchens. Die Soldaten-Schauspieler kramten dafür alles zusammen, was sie an der Front finden konnten, um ihre Requisiten zusammenzubasteln.
Unterhaltungsprogramme waren während des Ersten Weltkrieges sehr wichtig, um die Kampfmoral mit teilweise patriotischen Inhalten aufrechtzuerhalten.
Oktober 1917, Frankreich: Auch professionelle Schauspieler wurden für den Krieg eingezogen – ihre Unterhaltungsfunktion war zweitrangig. Hier geben «The Jocks», die Unterhaltungstruppe der schottischen 15. Division, in den Ruinen bei Arras eine Aufführung.
Irgendwo an der Westfront, 1916: Zwei deutsche Soldaten haben ihrem Esel eine Gasmaske aufgesetzt. Im Ersten Weltkrieg kamen auch Pferde, Hunde und Tauben zum Einsatz. Eine Million Pferde wurden von Grossbritannien übers Meer geschickt. Und nur 62'000 kehrten zurück.
Dezember 1914, Ostfront: Weihnachtsgrüsse aus der Heimat: Deutsche Soldaten in einem Schützengraben in Ostpreussen packen die «Liebesgaben» von Kaiser und Vaterland aus.
Der Papst verlangt nach Frieden und bittet die kriegführenden Mächte inständig, die Waffen wenigstens in der Nacht schweigen zu lassen, in der die Engel zu Ehren des Jesuskindes gesungen hatten. Die Kriegsführer lassen sich nicht erweichen – sie kauern nicht in den Gräben irgendwo im Niemandsland und schauen dabei zu, wie die Ratten an den Körpern ihrer toten Kameraden nagen.
Dezember 1914, Westfront: Hier kehrt er ein, der unautorisierte Weihnachtsfriede. Die Deutschen zünden Kerzen an und stellen die kleinen Christbäume auf, die ihnen der Kaiser geschickt hat. Der britische Grenadier Graham William sieht das Licht aus den feindlichen Gräben aufflackern:
«Es waren Kerzen auf geschmückten Christbäumen, ihr Schein strahlte in die frostklare Luft. Die anderen Wachposten sahen dies natürlich auch und gaben Alarm. Als unsere Kameraden schlaftrunken aus ihren Unterständen herauskamen, stimmten unsere Gegner ‹Stille Nacht, Heilige Nacht› an. Wir sangen ‹The First Noël›. Zum Schluss sangen Deutsche und Engländer gemeinsam ‹O du fröhliche› in ihren Sprachen.»
An anderen Frontabschnitten kletterten die Soldaten aus ihren Gräben hinein ins Niemandsland, um mit dem Feind zu reden und zu scherzen. Am nächsten Tag will man nicht kämpfen, sondern die gefallenen Kameraden beerdigen.
«Man sieht bald, dass der Mensch weiterlebt, auch wenn er nichts mehr kennt in dieser Zeit als Töten und Morden. Weihnachten 1914 wird mir unvergesslich bleiben», schreibt der Gefreite Josef Wenzl nach Hause. Am 6. Mai 1917 fällt er in der Schlacht an der Aisne unweit von Reims.
März 1951, Korea: Ein amerikanischer Soldat teilt sein Essen mit seinem Freund «Fuzzy» in der Nähe der Front. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wird Korea von Japan unabhängig, doch die konkurrierenden Besatzungsmächte Sowjetunion und USA teilen das Land.
Im Juni 1950 greifen nordkoreanische Truppen Südkorea an, das daraufhin die USA um Hilfe bittet. Den amerikanischen Streitkräften folgen UN-Truppen nach, doch sie werden von den Nordkoreanern bis nach Busan ganz im Süden der Insel zurückgedrängt. Danach wendet sich das Blatt: Die UN-Truppen stossen hinauf bis zum Fluss Yalu, der China und Nordkorea trennt. Jetzt greifen auch China und die Sowjetunion ein und unterstützen Nordkorea mit «Freiwilligenverbänden» und Waffen.
Am Ende hat der dreijährige Krieg einen Status quo ante gebracht – und mehr als vier Millionen Tote. Der Konflikt zwischen Nord- und Südkorea hält bis heute an.
1941, Ägypten: Ein deutscher Soldat steht vor dem Grab eines unbekannten englischen Leutnants. Vielleicht hat er dessen Flugzeug selbst abgeschossen. Und wahrscheinlich hat er ihn danach selbst begraben. Im Afrikafeldzug kämpften die Achsenmächte gegen die Alliierten in Libyen, Ägypten und Tunesien um die Vorherrschaft in Nordafrika.
März 1945, Burma (Myanmar): Eine burmesische Familie lebt während der Belagerung von Meiktila durch die Japaner in einem Bunker ausserhalb der Stadt und teilt ihren Tee mit einem britischen Soldaten.
Burma gehört vor dem Zweiten Weltkrieg zu Britisch-Indien. 1942 überschreiten die japanischen Truppen die Grenze, wenige Wochen nach dem Angriff auf Pearl Harbor, der den Kriegseintritt der USA nach sich zieht. Bis zum Juli 1945 schaffen es die Alliierten, fast ganz Burma zurückzuerobern.
Ca. 1916, Westfront: Ein schottischer Dudelsackspieler mit Kilt im Ersten Weltkrieg. Über 1000 «Pipers» sterben während des Krieges. Sie begleiten ihre Kameraden aufs Schlachtfeld. Der Spieler Harry Lunan, einer der Überlebenden, sagt über seinen Einsatz:
«Ich spielte einfach, was mir gerade in den Sinn kam. Ich war stets besorgt, dass ich über den unebenen Boden stolpern könnte, was mein Spiel unterbrochen hätte. Der Dudelsack ermutigte die Truppen. Die Musik erinnerte sie an ihre Familien, für die wir gekämpft haben. Der Feindbeschuss war mörderisch, die Männer um mich fielen tot um. Ich hatte Glück.»
Mai 1918, Paris: Mitglieder des Queen Mary's Women's Army Auxiliary Corps verbringen ihre Ferien am Paris-Plage. Die Einheit gehörte während des Ersten Weltkriegs zur britischen Armee und hatte zwischenzeitlich über 57'000 Mitglieder. Im März 1917 werden die ersten 14 Frauen als Köchinnen und Bedienungen nach Frankreich an die Front geschickt, 1918 kommen Krankenschwestern hinzu.