Die spinnen, die Römer! – Aber warum machen wir es ihnen nach?

Lawrence Alma-Tadema: Pompejanische Szene, 1890.
Lawrence Alma-Tadema: Pompejanische Szene, 1890.
bild: wikipedia

Die spinnen, die Römer! – Aber warum machen wir es ihnen nach?

Das alte Rom war eine krude Mischung aus Aristokratie und Demokratie, genau das System, auf das unsere Gesellschaft im 21. Jahrhundert zusteuert.
27.02.2016, 10:5627.02.2016, 13:40

Nicht nur bei den Asterix-Fans sind die Römer hoch im Kurs. Sie haben die Menschen fasziniert, seit ihr Reich untergegangen ist. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts schrieb der Engländer Edward Gibbon ein Buch über den Aufstieg und Zerfall des römischen Reiches, das bis heute als epochal gilt. Es hat unzählige Nachfolger gefunden.  

Das jüngste Geschichtsbuch über die Römer stammt von der Cambridge-Historikerin Mary Beard und heisst «SPQR». Die Abkürzung steht für «Senatus PopulusQue Romanus» oder «Der Senat und das römische Volk».  

Mary Beards neustes Werk.
Mary Beards neustes Werk.
bild: books.ch

In der Regel wird die Geschichte Roms als Warnung vor der drohenden Dekadenz missbraucht. Söhne ermorden ihre Väter und begehen Inzest mit ihren Müttern; Nero hat Rom niedergebrannt und Caligula wollte ein Pferd zum Konsul machen, etc. Nun, die Römer waren keine Hippies, aber die Horrorgeschichten sind gemäss Beard übertrieben. Auch in Rom wurde die Geschichte von den Siegern geschrieben, die ein Interesse daran hatten, die Verlierer schlecht aussehen zu lassen.

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Ein wahnsinniger Nero, gespielt vom grandiosen Peter Ustinov im Film «Quo Vadis» (1951) nach der Romanvorlage des polnischen Literaturnobelpreisträgers Henryk Sienkiewicz.
gif: watson

Im Zeitalter von Donald Trump & Co. und dem Entstehen eines neuen Geldadels ist ohnehin eine ältere Epoche der Römer viel interessanter, die Zeit zwischen 200 vor Christus und den 14 Imperatoren, die mit Augustus begann. Aber der Reihe nach:

Rom war ursprünglich ein Königreich. Nachdem der Königssohn Tarquin die unschuldige Lukretia vergewaltigt hatte, kam es zu Aufstand. Rom wurde eine Art Republik und der Ausdruck König zum Schimpfwort.

König Sextus Tarquinius Superbus bedrängt Lucretia, Gemälde eines flämischen Malers aus dem 16. Jahrhundert. Fortan sollte nie wieder ein König in Rom geduldet werden.
König Sextus Tarquinius Superbus bedrängt Lucretia, Gemälde eines flämischen Malers aus dem 16. Jahrhundert. Fortan sollte nie wieder ein König in Rom geduldet werden.
bild: wikipedia

Damit begann auch der unaufhaltsame Aufstieg der Römer, der nicht – wie gemeinhin vermutet – mit besonderen militärischen Fähigkeiten zusammenhing, sondern damit, dass sie es meisterhaft verstanden, ihre besiegten Nachbarn für ihre Zwecken einzuspannen. «Es gab nur eine Pflicht, welche die Römer denjenigen, die unter ihre Kontrolle kamen, auferlegten»,  schreibt Beard. «Nämlich, Truppen für die römischen Armeen zu liefern.»

Hannibal, der karthagische Feldherr, der mit seinen Elefanten über die Alpen kam, brachte den Römern in der Schlacht von Cannae 216 v. Chr. (Zweiter Punischer Krieg) die Niederlage ihres Lebens ein.
Hannibal, der karthagische Feldherr, der mit seinen Elefanten über die Alpen kam, brachte den Römern in der Schlacht von Cannae 216 v. Chr. (Zweiter Punischer Krieg) die Niederlage ihres Lebens ein.
Bild: kolorierter Holzschnitt von Heinrich Leutemann, 1866

Mit der Ausdehnung des Reiches stellte sich bald einmal die Frage: Wer ist überhaupt römischer Bürger? Bisher war dieses Privileg den Einwohnern der Ewigen Stadt vorbehalten, allmählich wurde es auf alle römischen Kolonien ausgedehnt.

«Das richtete die Bühne für eine Art von Bürgertum und Zugehörigkeit, das einen gewaltigen Einfluss auf die römischen Vorstellungen von Regierung, politischen Rechten, Ethnizität und Nationalität hatte», schreibt Beard.

«Dieses Modell wurde auch über das Mittelmeer exportiert und wurde zum Grundpfeiler des römischen Imperiums.»
Mary Beard

Die Römer kannten keine Verfassung und sie waren auch nie eine Demokratie im Sinne von Athen. Demokratie war eine griechische Idee, die den Römer stets fremd blieb. Was sich entwickelte, war eine Mischung aus Monarchie, Aristokratie und Demokratie. Es war gemäss Beard eine «delikate Beziehung von ‹checks and balances› zwischen den Konsuln, dem Senat und dem Volk, und zwar so, dass weder die Monarchie, noch die Aristokratie, noch die Demokratie sich vollständig durchsetzen konnte».

Wer adlig war, betrieb Politik und wer Politik betrieb, war adlig. Gemälde von Cesare Maccari, 1888: Cicero, der vor dem römischen Senat die Verschwörung des Catilina (63 v. Chr.) aufdeckt.
Wer adlig war, betrieb Politik und wer Politik betrieb, war adlig. Gemälde von Cesare Maccari, 1888: Cicero, der vor dem römischen Senat die Verschwörung des Catilina (63 v. Chr.) aufdeckt.
bild: augustusforum

Chancen, an die Schalthebel der Macht zu gelangen, hatte jedoch nur eine kleine Elite. «Die erste Voraussetzung, die für ein politisches Amt qualifizierte, war Reichtum, und zwar auf einer substanziellen Ebene», schreibt Beard. 

«Niemand konnte für eine Wahl kandidieren, der nicht zuerst den Finanztest bestanden hatte.»
Mary Beard

Ob Konsul oder Senator, sie mussten gewählt werden. «Die Stimmen der Armen waren wichtig und wurden eifrig umworben», stellt Beard fest. «Auch die Reichen waren selten einig, und die Wahlen waren sehr kompetitiv.»

Gemälde von Gustave Boulanger: Ein Patron empfängt seinen Klienten. Das Treueverhältnis zwischen ihnen verlangte vom Patron, dass er seinen Schutzbefohlenen vor Gericht vertrat, während der Klient in  ...
Gemälde von Gustave Boulanger: Ein Patron empfängt seinen Klienten. Das Treueverhältnis zwischen ihnen verlangte vom Patron, dass er seinen Schutzbefohlenen vor Gericht vertrat, während der Klient in den Ämterwahlen für seinen Schutzherr stimmte. 
bild: wikipedia

Das Resultat war etwas, das uns heute sehr bekannt vorkommt: Ein permanenter Wahlkampf mit einem riesigen Aufwand an Geld. Beard erzählt die Geschichte des syrischen Königs Antiochus IV: Er lebte als junger Mann lange in Rom und nahm die Sitten der Römer an. Als er in seine Heimat zurückkehrte, benahm er sich für das Empfinden seiner Bürger äusserst seltsam: Er begab sich auf den Marktplatz, schüttelte wildfremden Menschen die Hände und bat um ihre Stimme. Kein Wunder erhielt er das Attribut «durchgeknallt» angehängt.  

Nicht die Dekadenz der römischen Imperatoren ist es, vor denen wir derzeit gewarnt werden müssen. Vielmehr ist es die Pseudo-Demokratie, die 200 Jahre vor Christus entstand.

Die Armen konnten niemals an die Spitze der römischen Politik aufsteigen; und es war axiomatisch: 

«Je reicher ein Bürger war, desto mehr politisches Gewicht hatte er. Diese Art von Ungleichgewicht ist auch weit verbreitet in vielen sogenannten modernen Demokratien.»
Mary Beard
Wenigstens hätte Trump dann mal eine anständige Frisur.
Wenigstens hätte Trump dann mal eine anständige Frisur.
bild: watson

Tatsächlich: Donald Trump, aber auch Hillary Clinton hätten sich im alten Rom wie zuhause gefühlt. Kein besonders tröstlicher Gedanke, wenn man daran denkt, wie dieser Film geendet hat.

(Gestaltung: Anna Rothenfluh)

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dracului
27.02.2016 12:16registriert November 2014
Spannend, diese Parallelen sind verblüffend. Was war das wohl für ein Finanztest? Leider sind wir diesbezüglich ohne Qualitätssicherung unterwegs. In der Schweiz kann jeder, ohne die geringste Kompetenzprüfung, Politiker werden und es sogar bis zum Finanzminister schaffen.
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peter999
27.02.2016 13:36registriert Januar 2014
Historische Vergleiche kommen immer süffig daher. Doch zwischen der römischen Epoche, die Arthur Löpfe mit den heutigen USA vergleicht und dem Schluss, den er daraus zieht, bzw. dem Ende von Westrom, liegen 500 Jahre. Das ist etwa so, wie wenn wir von den Verhältnissen im 30jährigen Krieg auf die heutige Schweiz schlessen würden.
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Kookaburra
27.02.2016 15:45registriert November 2015
Crassus hatte etwa 2000 Mrd (also 2 Billionen). (Trump hat 4. Mrd. Gates hat 80.

In Rom wurden bis zu 50% durchgefüttert. In den USA sind es etwa 10%.

Herr Löpfe hat aber recht. Wir steuern wieder auf solche Zustände zu, aber erst wenn die Roboterisierung überhand nimmt. Denn Roboter sind (im Verhältnis Kosten/Ertrag) die neuen Sklaven.

Aber wenn wir Glück haben, behalten uns die Besitzer der Roboter als Haustiere. (Allerdings reichen dazu wohl 0,01%.)

Das Problem sehe ich darin, dass (zur Roboteriesierung) mit jedem neuen Menschen (exponentiell) der Wert des Einzelnen inflationär abnimmt.
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