Die politische Konkurrenz schrie auf, als Christoph Blocher vor Jahresfrist über die Lancierung einer Gratis-Sonntagszeitung nachdachte. Mit der geplanten Auflage von 500'000 Exemplaren hätte die Zeitung so viele Leser erreicht wie kein anderer Sonntagstitel. Vor einem «weiteren Schritt in Richtung Blocherisierung» warnte Sozialdemokrat Matthias Aebischer damals.
Nun hat Blocher die Befürchtungen seiner Gegner noch übertroffen. Mit dem Kauf des Zeitungs-Imperiums Zehnder verfügt die «Basler Zeitung»-Holding neu über 25 Lokalzeitungen in den Regionen Aargau, Kreuzlingen, Luzern, Oberaargau, Olten, Bodensee, Thurgau, St.Galler Rheintal und Oberland, St.Gallen, Toggenburg, Wil, Winterthur, Zürcher Unterland und Zug. Die Gratiszeitungen, die wöchentlich erscheinen, haben zusammen eine Auflage von über 720'000 Exemplaren und erreichen knapp 800'000 Leser.
Politikberater Mark Balsiger sagt: «Mit der Gesamtauflage spielt Blocher neu in der Liga der Gratiszeitung ‹20 Minuten›.» Der SVP-Doyen erhalte auf einen Schlag mehr Leser, als er mit einem eigenen Sonntagstitel jemals gehabt hätte – das sei verlockend. «Für Blocher und seine SVP sind diese Zeitungen Gold wert», so Balsiger. Sie erlaubten es, «subtil an der öffentlichen Meinung zu schrauben».
Denn: Während sich die Aktivitäten der BaZ Holding AG bisher auf das rot-grüne Basel konzentrieren, sind die meisten der aufgekauften Wochenzeitungen in ländlichen Regionen oder Agglomerationen zuhause. «Das ist der ideale Nährboden für eine nationalkonservative Ausrichtung – am Rheinknie hingegen sind die Blochers mit der Herstellung von Basler Läckerli besser beraten», so Balsiger.
Dazu kommt: Während eine neue SVP-Sonntagszeitung zuerst mühsam und in einem übersättigten Markt aufgebaut werden müsste und direkt mit der Partei in Verbindung gebracht würde, sind die 25 Wochenzeitungen in den entsprechenden Regionen gut verankert. «Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Die meisten Leserinnen und Leser werden eine Gratiszeitung nicht ins Altpapier werfen, nur weil sie Christoph Blocher gehört.»
Dass Blocher mit seiner ausgebauten Medienmacht versuchen wird, politischen Einfluss auszuüben, ist für Balsiger klar. «Als Unternehmer will er Geld verdienen, als Politiker seine Agenda durchsetzen.» Einerseits sei eine stärkere Ausrichtung des redaktionellen Teils auf Themen aus dem nationalkonservativen Spektrum denkbar. Andererseits sei für die SVP auch die Möglichkeit attraktiv, jederzeit grossflächige Inserate schalten zu können – zu günstigen Konditionen.
Diese Aussicht schreckt linke Medienpolitiker auf. Regula Rytz, Präsidentin der Grünen, sagt: «Für unsere Demokratie ist es höchst problematisch, falls es in gewissen Regionen nur noch Zeitungen gibt, die unter der Kontrolle einer rechtsbürgerlichen Partei sind.» Zwar sei es das gute Recht des SVP-Mäzens, im freien Markt Verlage zu kaufen. «Nun muss aber die Medienpolitik reagieren.»
Bereits im März hat Rytz den Bundesrat dazu aufgefordert, in einem Bericht aufzuzeigen, wie eine direkte oder indirekte Medienförderung die publizistische Medienvielfalt in der Schweiz sicherstellen könnte. Ihr schwebt dabei ein Modell nach skandinavischem Vorbild vor, bei dem insbesondere kleine Regionalzeitungen oder Onlineprojekte vom Staat finanziell unterstützt werden, sofern sie gewisse Kriterien erfüllen. «Noch wichtiger wird nun zudem ein Nein zur No-Billag-Initiative – sonst haben Medientycoons wie Blocher bald komplett freie Bahn.»
SVP-Nationalrätin Natalie Rickli kann die Aufregung nicht verstehen. «Diese Lokalzeitungen sind sehr beliebt – es ist doch super, dass sie einen Käufer gefunden haben, der ihr Weiterbestehen garantiert.» Sie sei froh um alle Medien, die noch privat finanziert sind. Demokratiepolitisch sieht Rickli keine Probleme: «Mündige Bürger können selber entscheiden, ob sie eine Zeitung lesen wollen oder nicht. Und sie werden auch nicht gezwungen dafür zu bezahlen, wie das bei der SRG der Fall ist.»
Klar ist für die SVP-Nationalrätin: «Eine direkte Medienförderung, wie sie Regula Rytz vorschlägt, wäre Gift für die Medienfreiheit.» Denn so entstünde eine journalistische und finanzielle Abhängigkeit vom Staat. «Bezahlen müssten dies wieder die Bürger.» Besser sei es, die Rahmenbedingungen für Medienunternehmen zu verbessern. «Ganz nach dem Motto Innovationen statt Subventionen.»
Blocher selber versichert in einer Stellungnahme, dass er mit der Publikation keine politischen Ziele verfolge. Ohnehin habe die politische Berichterstattung bei diesen Gratiszeitungen nur einen sehr kleinen Stellenwert. Die «Basler Zeitung» gehört je zu einem Drittel Christoph Blocher, Chefredaktor Markus Somm und Verwaltungsratspräsident Rolf Bollmann. Letzterer wird nun auch Chef der neuen Zehnder-Gruppe.