Bild: shutterstock/Saikat Paul
Yonnihof
Our daughter’s name is Jyoti Singh. We have no problem in revealing her name. In fact, we are happy to reveal it. Jyoti has become a symbol. In death, she has lit such a torch, not only in this country but throughout the world. But at the same time she posed a question: What is the meaning of a woman? How is she looked upon by society? And I wish that whatever darkness there is in this world should be dispelled by this light.
Diese Worte äussert Badri Singh am Ende des BBC-Dokumentarfilms «India’s Daughter». Der Film beschäftigt sich mit dem Fall der Medizinstudentin Jyoti Singh, die am 16. Dezember 2012, nachdem sie mit einem Freund im Kino war, einen Bus bestieg. In der Folge wurde ihr Freund bewusstlos geschlagen, sie in den hinteren Teil des ansonsten leeren Buses gezerrt und dort von sechs Männern vergewaltigt, darunter ein 17-jähriger Junge.
Der Film ist nichts für Zartbesaitete. Einer der Täter schildert detailgetreu, dass die Vergewaltigungen nur der Anfang waren. Die Männer bissen Jyoti derart tief ins Gesicht und in den Körper, dass sie anhand der Bissspuren überführt werden konnten. Sie schlugen und penetrierten die junge Frau mit einem Eisenrohr. Der Täter erzählt, wie «der Jugendliche» (the juvenile) in sie hineingriff und etwas Langes herauszog. Ihre Eingeweide.
Nachdem die Männer sowohl Jyoti als auch ihren Freund aus dem Bus an den Strassenrand geworfen hatten, sagte der Junge zu seinem Mittäter: «Das, was ich aus ihr rausgerissen habe, habe ich weggeworfen. Ich habe es in ein Tuch gepackt und weggeworfen.» Die Männer verabredeten, sich gegenseitig zu decken.
Jyoti wurde ins Spital gebracht. Gemäss der Mutter hatte einer der Ärzte gesagt, sie sei so gravierend verletzt gewesen, dass in ihrem Körper keine Grundlage mehr für menschliches Leben bestanden habe – es sei nicht mehr ersichtlich gewesen, welches Teil wo hin gehörte. Jyoti erlag ihren Verletzungen 13 Tage nach der Tat. Sie wurde 23 Jahre alt.
Die sechs Täter wurden innert kürzester Zeit gefasst und gestanden. Fünf von ihnen wurden zum Tod verurteilt, der Jugendliche bekam die höchstmögliche Strafe: Drei Jahre Gefängnis.
Jyotis Vergewaltigung trat bereits am Tag nach der Tat eine Kettenreaktion los. Zu tausenden gingen Studenten, später das gesamte (jüngere) Volk – Frauen und Männer gleichermassen – auf die Strasse. Sie lieferten sich Strassenschlachten mit der Polizei, verlangten schreiend nach Freiheit für Frauen.
Im absoluten Kontrast dazu stehen die im Film gezeigten Ansichten des Täters. «Mädchen sind an Vergewaltigung viel eher Schuld als Jungen», sagt der junge Mann in seiner Zelle im Todestrakt sitzend. «Mädchen sollten nicht um diese Uhrzeit auf die Strasse. Und dann noch mit einem Mann, der nicht ihr Verwandter ist. Wir hatten ein Recht dazu, ihnen zu zeigen, dass das falsch war». Er verzieht dabei keine Miene.
Man könnte vermuten, dass es nur die jungen, ungebildeten Männer der indischen Unterschicht sind, die solche Ansichten auch heute noch haben – kurz nach der Urteilsverkündung sagte der Verteidiger der Täter jedoch vor laufender Kamera sinngemäss, wenn seine Tochter sich so hurenhaft und unflätig verhalten würde (zur Erinnerung, wir reden davon, dass Jyoti abends um acht mit einem Freund vom Kino nachhause fuhr), würde ich sie vor meiner versammelten Familie mit Benzin übergiessen und anzünden.
Ich persönlich habe schon seit Langem keinen Film mehr gesehen, der mich so durchgeschüttelt hat wie dieser. An mehreren Stellen brach ich einfach in Tränen aus – aus Wut, aus Trauer, aus Verzweiflung, aber auch vor Rührung.
Wut über die niederträchtige Arroganz der Männer in diesem Film. Männer, die sagen, es sei ihr Recht, Frauen zu missbrauchen und aber gleichzeitig behaupten, die Schuld an einem Missbrauch liege bei der Frau. Trauer über die unsagbaren Dinge, die Jyoti angetan wurden. Verzweiflung über den Kampf, den junge Frauen in Indien zu kämpfen haben. In einem Indien, das wirtschaftlich gigantische Sprünge gemacht hat in den letzten zwei Dekaden und das eigentlich gute Möglichkeiten für junge Frauen bieten würde, welche jedoch kaum genutzt werden können, weil eine Frau für viele grosse Tiere dort noch immer weniger Wert ist als ein Mann.
Rührung über die vielen jungen Männer und Frauen, die aufstanden, furchtlos auf die Strasse gingen. Rührung darüber, dass Wandel tatsächlich möglich scheint, denn solche Aufstände gab es in Indien in dieser Form noch nie.
Und auch Wut über all die Male, wo ich über Frauenrechte geschrieben habe und mir irgendein Schweizer schrieb: «Bis doch eifach froh, dass nöd z’Indie/ime arabische Land/wo auch immer läbsch. Ihr händs doch super da!» FUCK YOU! Frauenrechte sind Frauenrechte und es sterben noch immer junge Frauen oder Mädchen an der Unterdrückung durch Männer. Nur weil wir hier nicht zu Tode geprügelt werden, sind Frauenrechte doch nicht plötzlich nicht mehr unser Problem.
Ein aufgeklärter, guter Mann fühlt sich nicht angegriffen durch Kritik an Unterdrückern! Er übt sie selber!
Die Ausstrahlung des Filmes «India's Daughter» wurde in Indien verboten. Einmal mehr kann man nur hoffen, dass Jyotis Tod langfristige Folgen hat. Es wurden bereits Gesetzesänderungen erlassen, die u.a. den Begriff sexueller Gewalt breiter definieren. Ich kann mir nur wünschen, dass diese auch implementiert werden und ein Schritt zu mehr Unabhängigkeit und Freiheit für indische Frauen sind. Auch wenn's nur ein kleiner ist.
Wie Jyotis Vater am Ende des Films sagt:
This incident is a storm that came and went. And what was there before it and what will come after – this is what we need to see.
Yonni Meyer
Yonni Meyer schreibt als Pony M. über ihre Alltagsbeobachtungen –direkt und scharfzüngig. Tausende Fans lesen mittlerweile jeden ihrer Beiträge. Bei watson schreibt die Reiterin ohne Pony – aber nicht weniger unverblümt.
Pony M. auf Facebook Yonni Meyer online
Lust auf ein paar milde und weihnachtliche Wintertage ohne lange Anreise? Dann schnapp dir deine Liebsten und mach dich mit dem ÖV auf in den Süden der Schweiz. Die stimmungsvollen Weihnachtsmärkte im Tessin warten auf dich.
Im Tessin ist die Weihnachtszeit einfach magisch. Überall funkeln bunte Lichter, und der Duft von frisch gebackenen Guetzli und gerösteten Kastanien liegt in der Luft. In den Bäckereien prangen die goldenen Panettoni, die zur Tessiner Weihnachtstradition genauso gehören wie das Christkind.