Ich bin jetzt in einem Alter, wo mein gleichaltriges Umfeld sich langsam niederlässt. Und mit «gleichaltrig» meine ich auch Menschen, die gute zehn Jahre jünger sind als ich. Verlieben, verloben, verheiraten. Voilà.
Auch diejenigen, die damals in der Kanti noch fanden, dass die Institution «Ehe» uns Frauen unterjochen würde und dass sie sich ja niemals im Leben so an einen Typen binden würden. Wäh, Bindung.
Heute findet man auf den Facebookseiten genau dieser Frauen Bilder vom Schatz, wie er auf dem Säntis im Partnerlook-Softshell-Jäckchen auf die Knie geht und seiner Angebeteten einen Gelbgold-Verlobungsring mit einem Diamäntchen in Herzschliff entgegenstreckt. Hat er ganz allein ausgesucht – leider. Die Herzdame jedoch ist ganz aus dem Hüüsli und es folgen geschätzte 48 Selfies von Schatz und Schatz und dem Ring («meeeeein Schaaaaaatzzzz») vor dem Panorama gen Westen, wo die Sonne langsam untergeht und sich die Japaner in kleinen Grüppchen lustig tummeln. Dabei sind entweder die Schätze oder der Ring scharf, aber das macht nichts.
Alsdann ändern Schatz und Schatz natürlich sofort ihren FB-Beziehungsstatus auf «verlobt», worauf die eine Hälfte der Kommentatoren mit «OMG OMG OMG! SÜÄSSI! OMG! KONGRÄTZ, BELLA!», die andere Hälfte mit «Shit, bisch schwanger?!» reagiert.
Schatz (weiblich) macht sich denn auch sofort an die Hochzeitsvorbereitungen und sucht online so lange nach einer Klimatabelle, bis sie eine findet, die ihr für den geplanten Hochzeitstermin eine mehr oder minder positive Prognose liefert.
Selbstverständlich setzt sie sich und Schatz (männlich) sofort auf Diät, woran sich jedoch nur einer der Schätze halten wird.
Innert Kürze wird eine Hochzeits-Homepage erstellt, worauf man in sehr amerikanischer Manier alle Info findet, die genau so auch auf Facebook stünde und eigentlich ist bereits fünf Monate vor dem Termin alles vorbereitet: Vom Caterer über die Blumen, das Essen, die Kirche, die Manschettenknöpfe, den Coiffeur bis hin zum Winkel, in welchem die Schleppe hinter der Braut hergetragen werden soll.
Das alles wird minutiös auf Facebook berichtet, sodass man als Freundin/Hochzeitsgast schon vor Beginn der ganzen Chose die Schnauze voll hat und sich die störrische Freundin aus der Kanti zurückwünscht, die nie heiraten wollte.
Am Tag der Hochzeit kommt dann aber doch alles anders, denn das Blumenmädchen hat die ganze Nacht gekotzt, der Fahrer der Limo riecht verdächtig nach Whiskey und Schatz (männlich) muss endlich zugeben, dass das mit der Diät fehlgeschlagen ist und sein massgeschneiderter Anzug von vor drei Monaten ihm die äusserliche Grazie des Michelin-Männchens verleiht. Die Braut hat nicht geschlafen und auf ihrer Stirn prangt ein Pickel, der an seiner Grösse gemessen eine eigene Postleitzahl verdienen würde. Oma Erna ist in Bern in den falschen Zug gestiegen und wird nun von Onkel Markus per Handy von Luzern nach Zürich gelotst. Die Ex vom Bräutigam sieht in den Augen der Braut viel zu sexy aus und das Musikduo, das nach dem Essen spielen soll, kann nun das Lied aus «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» doch nicht spielen für den Brauttanz (die meinten Disney's Aschenbrödel).
Als Gast und Nicht-Heiratswütige könnte man in einem solchen Moment in leichte Schadenfreude oder Sarkasmus verfallen. Aber wenn die beiden sich dann vor dem Altar gegenüberstehen, einander anstrahlen und sich feierlich schwören, einander alles zu geben, was sie haben, einander alles zu geben, was sie sind – ja, dann verfliegt alle Bitterkeit und die Tränen rollen. Bei mir zumindest. Denn es ist ja eigentlich egal, welchen Stempel die Verbindung zweier Menschen trägt, wo und wie sie gefeiert wird: Es ist und bleibt die grosse Liebe. Und dagegen wird die Bitterkeit immer verlieren.