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Du willst nur das Beste? Voilà:
Während meiner vierjährigen Zeit in der psychologischen Forschung beschäftigte ich mich vertieft mit Humor und im Speziellen mit gelächterspezifischen psychologischen Phänomenen, nämlich der Angst davor, ausgelacht zu werden (Gelotophobie), der Freude daran, ausgelacht zu werden (Gelotophilie) und der Freude daran, andere auszulachen (Katagelastizismus). Ich konzentrierte mich auf den Katagelastizismus, den man in etwa mit Schadenfreude vergleichen kann, der jedoch noch etwas darüber hinaus geht, weil Katagelastizisten auch aktiv und mit Absicht Situationen kreieren, in denen andere sich zum Affen machen und man sie dann in der Gruppe oder alleine auslachen kann.
Meine Masterarbeit hiess denn auch «It’s funny until somebody gets hurt – then it’s hilarious» (dt.: Es ist lustig, bis sich einer weh tut – dann ist’s noch viel lustiger). Hauptfokus war die Suche nach Empathie in Katagelastizisten, also die Frage, ob Menschen, die andere mit Absicht lächerlich machen, verminderte Empathiefähigkeiten haben. Wissen sie nicht, wie sehr sie den Ausgelachten wehtun oder sie blamieren? Oder sind sie sich durchaus bewusst, was sie tun, haben aber andere, eventuell sadistische Motive? In einer meiner Stichproben liess sich eine solche Tendenz tatsächlich nachweisen. Ich war die Erste, die sich mit diesem Zusammenhang auseinandersetzte, die Instrumente, mit denen man Empathie erheben konnte, waren zu diesem Zweck eher dürftig und ich konnte aus diesem marginalen Ergebnis leider keine definitiven Schlüsse ziehen (so sehr ich mir das für meine Arbeit auch gewünscht hätte).
Trotzdem ist diese Fragestellung eine, die sich nicht nur auf bösartigen Humor beziehen lässt. Und es ist eine, die ich mir in der letzten Zeit öfter stelle: Mangelt es uns an Empathie? Wissen wir nicht, was wir tun?
Ich beziehe meine oben gestellten Fragen spezifisch auf zwei Situationen: auf den Flüchtlingsstrom und damit einhergehende extreme Aussagen und auf mich selber, wenn ich auf ebendiese Aussagen extrem reagiere.
Zum Beispiel Flüchtlingskrise: Weiss einer, der «Am besten noch mehr davon ersaufen lassen» schreibt, was er tut? Kann er das überhaupt? Oder fehlt da tatsächlich irgendwas? Und kann man das flicken?
Es besteht Hoffnung. Erica Hepper von der University of Surrey fand 2014 mit ihrer Forschungsgruppe heraus, dass selbst Individuen mit hohen Narzissmuswerten (also Individuen mit Schwierigkeiten mit der Abkehr vom Ich) empathisches Denken erlernen können, wenn man ihnen wirklich brutale Bilder vorhält. Dasselbe liess sich im September auch bei der nicht-narzisstischen Bevölkerung beobachten, nachdem das Bild vom toten Aylan in die Medien geraten war. Plötzlich änderte sich der Tenor und selbst Medien, die zuvor noch eher negativ bis hin zu hetzerisch vom Flüchtlingsstrom berichtet hatten, riefen gross angelegt zu Hilfe auf.
Braucht es einfach härtere Ohrfeigen?
Natürlich ist es einfacher, jemanden zu verstehen, wenn man öfter mit ihm konfrontiert ist. Beispiel dafür wäre die Tatsache, dass in Gebieten mit hohem Immigrantenanteil eher pro Immigration gestimmt wird.
Aber wie gesagt: Empathie kann gelernt werden. Es gibt Institute, die ganze Seminare dazu anbieten. Und es ist simpler als man denkt, denn so komplex einem der Begriff auch erscheinen mag, stecken dahinter oft simple Handlungen wie Zuhören und Nachfragen. Dazu gehört aber auch, und hier kommt Beispiel Nummer zwei ins Spiel, das Hinterfragen der eigenen Persönlichkeit und der eigenen Empathieskills.
Wo ich mich selber als sehr empathische Person bezeichnen würde und ich auch, wie oben, in vielen Leuten die Empathie vermisse, muss ich mir doch eingestehen, dass meine eigene Empathie zum Teil sehr selektiv ist. Ich war und bin voller Empathie für die Flüchtlinge, auf der anderen Seite, bei den «Asylkritikern», sieht's mit dem Mitgefühl meinerseits zugegebenermassen jedoch eher spärlich aus. Ja, ich sollte da empathischer sein.
Ich rede dabei nicht von den Handlungen von Neonazis – der Vorwurf, man müsse als toleranter Mensch auch Intoleranz in extremis tolerieren, macht in meinen Augen wenig Sinn. Im Gegenteil: Mein humanitäres Gedankengut verbietet es mir meiner Meinung nach, angezündete Asylheime, öffentliche Hetze und Hass zu tolerieren (man darf mir da weiterhin widersprechen, ich verstehe durchaus, dass man das anders sehen kann). Auch muss ich nicht tolerieren, wenn man andere (oder auch mich) voller Hass bedroht oder beleidigt.
Ich kann aber versuchen, zu verstehen, woher dieser Hass kommt.
Bei den Rechts- und den Linksextremen und den 50 Shades of Grau dazwischen. Ich muss mich zwar zwingen, aber ich kann mich durchaus in einen SVP-Wähler hineinversetzen und nachvollziehen, warum er tut, was er tut und warum er denkt, wie er denkt. Seltenst tun Menschen Dinge aus reinem bösen Willen – sie tun sie, weil sie aus ihrer Perspektive, aufgrund ihres Wissens, ihrer Lebensgeschichte und ihrer momentanen Emotionen richtig sind und Sinn machen. Ich muss sie deshalb nicht gutheissen, aber ich kann sie eventuell besser verstehen. Und aus diesem Verständnis kann/soll Respekt fürs Gegenüber hervorgehen, auch wenn es so gänzlich anders ist als man selbst.
Natürlich kommt dann immer mal wieder der Gedanke: «Aber die versuchen ja auch nicht, mich zu verstehen.» Einmal mehr habe ich aber letztendlich nur auf mich selber sofortigen Einfluss und trage die Verantwortung für mein Tun und das von niemand anderem.
Das alles führt zu einer sehr schwierigen Fragestellung, deren Antwort ich selber nicht kenne. Wie weit sind wir für unser Denken und unser Tun verantwortlich? Bis wohin kommt man mit «Ich bin halt einfach so» durch und wo beginnt man, verantwortungslos oder ignorant zu sein (und damit meine ich durchaus auch mich selber)?
Empathie: Ist unser Rucksäckli aus Persönlichkeit, Lebenserfahrung und Erziehung unsere Pauschalausrede oder haben wir als Menschen die Pflicht, mindestens eine Meile in des anderen Schuhen zu gehen, egal, woher er/sie kommt?
(1): Mit dieser Pauschalisierung bin ich persönlich nicht einverstanden.