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Wie Amazon die Ukraine vor dem digitalen Super-GAU bewahrte

Auf diesem Archivbild (aus den USA) sind SSD-«Koffer» zu sehen, mit denen auch die ukrainischen Daten in Sicherheit gebracht und schliesslich in die Cloud hochgeladen wurden.
Auf diesem Archivbild (aus den USA) sind SSD-«Koffer» zu sehen, mit denen auch die ukrainischen Daten in Sicherheit gebracht und schliesslich in die Cloud hochgeladen wurden.bild: amazon
Analyse

Wie Amazon die Ukraine vor den russischen Invasoren und dem IT-GAU rettete

Während die verbrecherischen Angriffe Russlands auf die ukrainische Zivilbevölkerung anhalten, gibt es gute Nachrichten von der IT-Front: Die wichtigsten Daten des Landes sind vor Putins Schergen sicher.
22.12.2022, 18:4623.12.2022, 07:04
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Eine Woche bevor die russische Armee in die Ukraine einmarschierte, verabschiedete das ukrainische Parlament ein Gesetz, das die Verlagerung wertvoller Daten der Regierung und der Privatwirtschaft in die Cloud erlaubt.

Das war ein wichtiger, ja überlebenswichtiger Entscheid, wie der 31-jährige ukrainische Vizepremierminister und Minister für digitale Transformation später sagte.

Mykhailo Fedorov meint es todernst, wenn er auf die Kooperation mit dem US-Techkonzern Amazon und dessen Tochter Amazon Web Services (AWS) zu sprechen kommt.

«Die Führung von Amazon Web Services hat eine Entscheidung getroffen, die die ukrainische Regierung und Wirtschaft gerettet hat.»

Seit dem 24. Februar 2022, dem Tag, an dem Russland seine Invasion startete, hat Amazon eng mit der Ukraine zusammengearbeitet. Konkret ging es um die Rettung unverzichtbarer Regierungs-, Steuer-, Bank- und Eigentumsdaten, die anfällig für Zerstörung und Missbrauch waren und nicht den russischen Eindringlingen in die Hände fallen durften.

Wie wurden die Daten ausser Landes gebracht?

In speziell geschützten, kofferartigen Speichereinheiten von Amazon, die «Snowball Edge» genannt werden. Es handelt sich um mächtige Solid-State-Datenträger (SSD), die im Gegensatz zu herkömmlichen Festplatten keine beweglichen Teile verbaut haben und deshalb auch unempfindlich gegen Stösse, Erschütterungen und Vibrationen sind.

Das Exportieren über das Internet, also das Hochladen in ausländische Rechenzentren, kam aus mehreren Gründen nicht infrage. Zum einen attackierten russische Hacker die Kommunikationsnetzwerke der Ukraine. Vor allem aber waren es schlicht zu grosse Datenmengen: Gemäss einem aktuellen Bericht der «Los Angeles Times» ist es gelungen, «10 Millionen Gigabyte» (= 10 Petabyte) in Sicherheit zu bringen. Damit ist das Hochladen in die um den Globus verteilten AWS-Rechenzentren und die Speicherung in der Cloud gemeint.

«Russische Raketen können die Cloud nicht zerstören.»
Mykhailo Fedorov

Wie wichtig war diese Aktion?

Es handle sich quasi um die ganze «kritische Informationsinfrastruktur» der Ukraine, schilderte Fedorov. Diese Daten bildeten «den Kern für das Funktionieren der Wirtschaft, des Steuersystems, der Banken und der Regierung».

Die Daten umfassten auch Grundeigentum: Deren sichere Aufbewahrung trage dazu bei, den Diebstahl ukrainischer Häuser, Geschäfte und Grundstücke zu verhindern (oder zu einem späteren Zeitpunkt rückgängig zu machen).

Die Amazon-Spezialisten halfen über Monate, an die 30 ukrainische Regierungsstellen und andere staatliche Institutionen in die Cloud zu migrieren und damit ausserhalb der Reichweite der russischen Invasionstruppen zu bringen.

Wer hat das eingefädelt?

Seit Februar spiele Amazon den Weihnachtsmann für die Ukraine, bringt die «Los Angeles Times» das Engagement auf den Punkt. Der US-Handelsriese liefere Flugzeugladungen mit Waren, darunter Decken, Hygienesets, Windeln, Lebensmittel und Spielzeug, für die vom Krieg gebeutelte Nation und die Flüchtlinge in Polen sowie anderen Teilen Europas.

Amazon hat gemäss eigenen Angaben bisher 75 Millionen US-Dollar in die Unterstützung der Ukraine investiert, einschliesslich der Datenrettung mithilfe der SSD-Koffer.

Fedorov, der im Dezember an einer von AWS organisierten Techkonferenz in Las Vegas vor Publikum aufgetreten war, bezeichnete die Datenrettung als «unbezahlbar».

Was die für das Computerzeitalter bislang einmalige Rettungsaktion betrifft, ist ein hochrangiger Amazon-Manager aus Grossbritannien zu erwähnen. Liam Maxwell trägt den Titel «Director of Government Transformation» bei AWS.

Zuvor war er der Top-Technologieberater der britischen Regierung und gehörte zu den führenden Köpfen, die für eine Cloud-First-Strategie verantwortlich waren.

Liam Maxwell, Amazon Web Services (AWS)
Liam Maxwell baute als hochrangiger Beamter starke Verbindungen zu Techkonzernen auf und wechselte schliesslich die Seiten – zum Cloud-Betreiber Amazon.Screenshot: Twitter

Am Tag der russischen Invasion traf sich der umtriebige Techmanager mit dem ukrainischen Botschafter in London zum Mittagessen. Dort einigten sie sich darauf, die ukrainischen Regierungssysteme in die Cloud zu migrieren. Resultat: Die Behörden konnten im Krieg weiterarbeiten – ungeachtet des von Russland angerichteten Schadens.

Am 29. November unterzeichneten Fedorov und Maxwell ein Memorandum, in dem sie vereinbarten, die Partnerschaft bis 2023 fortzusetzen.

Warum tut Amazon das und wer profitiert?

watson hat die Künstliche Intelligenz (KI) von OpenAI gefragt, welche Motive das gewinnorientierte US-Unternehmen Amazon mit seiner Ukraine-Hilfe verfolgen könnte.

Die KI antwortete, Amazon könnte mehrere Motive haben, bei der Sicherung der ukrainischen Daten zu helfen:

  • «Erstens könnte es ein Werbemittel für Amazons eigene Cloud-Services sein, indem es signalisiert, wie sicher und zuverlässig die Dienste sind.
  • Zweitens könnte es ein Weg sein, um das Image von Amazon als globaler Akteur zu stärken, der nicht nur kommerzielle, sondern auch soziale Verantwortung übernimmt.
  • Drittens könnte Amazon versuchen, durch die Hilfe für die Ukraine eine engere Beziehung zu Regierungen und anderen Unternehmen aufzubauen, die ihre Dienste möglicherweise in Anspruch nehmen werden.
  • Viertens könnte es eine gute Gelegenheit sein, um die technischen Fähigkeiten und das Know-how von Amazon zu demonstrieren und zu bewerben, sowie seine Erfahrung im Umgang mit komplexen Sicherheitsaufgaben zu zeigen.
  • Schliesslich könnte Amazon versuchen, einen langfristigen Einfluss auf die ukrainische Wirtschaft auszuüben, indem es die Nachfrage nach seinen Diensten vorantreibt und die ukrainischen Unternehmen darin unterstützt, ihr Geschäft zu erweitern und weiterzuentwickeln.»

Das Fazit des Redaktors: Die gelungene Migration der ukrainischen Regierungs- und Wirtschaftsdaten in die Amazon-Cloud ist eine Win-win-Situation – für alle direkt Beteiligten, aber auch für die westlichen Demokratien. Der Zusammenbruch der Ukraine muss unter allen Umständen verhindert werden: weil dieser (unermessliches) zusätzliches Leid bei der betroffenen Bevölkerung anrichten würde. Und weil die auf einen gesellschaftlichen Kollaps folgenden Flüchtlingsströme ganz Westeuropa destabilisieren könnten.

Quellen

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80 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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B-M
22.12.2022 18:56registriert Februar 2021
Für den Fall, dass die Schweiz ihre Daten zu Amazon migrieren möchte: akzeptieren die auch Fax?
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Amadeus
22.12.2022 20:02registriert September 2015
Warum fragt man eine künstliche Intelligenz um Antorten und nicht direkt bei Amazon?
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Holzkopf
22.12.2022 20:33registriert November 2017
So gut ich das für die Ukraine finde, so sehr ist es mir grundsätzlich zuwider, dass private Firmen wie Starlink oder Amazon zu derart mächtigen Playern geworden sind.
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