Nur wenige hätten damit gerechnet, dass Starlink in einem europäischen Kriegsgebiet benötigt würde.
Tatsächlich könnte der vom amerikanischen Raumfahrt-Unternehmen SpaceX betriebene Satelliten-Internet-Dienst zu einem kriegsentscheidenden Faktor werden.
Im weiteren Verlauf des Krieges werde Starlink immer mehr an Bedeutung gewinnen, prognostizieren Beobachter: Etwa dann, wenn Stromausfälle und Internet-Störungen in der Ukraine durch russische Angriffe weiter zunehmen.
Tatsächlich kam es am Montag zur bislang schwersten Cyberattacke auf die Internetversorgung. Betroffen war der grösste Provider des Landes, quasi die Swisscom der Ukraine.
In diesem Beitrag gehen wir der Frage nach, welche Rolle Starlink in der Ukraine spielt. Du erfährst aber auch, wie ein einzelner Tweet den Kriegsverlauf beeinflusst hat.
Aus drei Gründen:
Am Montag kam es zur bislang schwersten Cyberattacke auf die Ukraine seit der Invasion durch die russischen Streitkräfte. Betroffen war Ukrtelecom (Ukrainisch: Укртелеком) – eine ehemals staatliche Telefongesellschaft, die laut eigenen Angaben der grösste Festnetzbetreiber im Land ist.
Am selben Tag, wenige Stunden früher, hatte das ukrainische Gesundheitsministerium in einer Mitteilung informiert, dass Starlink auch die zivile Infrastruktur verstärkt stütze. 590 Satelliten-Empfangsstationen seien an Spitäler und andere medizinische Einrichtungen übergeben worden.
Starlink helfe der Ukraine, «den Drohnenkrieg zu gewinnen», titelte der britische «Telegraph» am 18. März. Elon Musks Satelliten-Kommunikationssystem ermögliche es den Streitkräften, trotz Stromausfällen in Verbindung zu bleiben und russische Panzer und Stellungen anzugreifen.
Dabei tut sich seit Beginn des Krieges eine ungewöhnliche Luftaufklärungseinheit besonders hervor. Sie nennt sich Aerorozvidka. Den rund 30 Mitgliedern gelang es laut übereinstimmenden Berichten, einen mächtigen, 60 Kilometer langen russischen Militärkonvoi, der auf die Hauptstadt Kiew zurollte, mit gezielten Attacken zu stoppen.
Laut «Guardian» wurde Aerorozvidka «von jungen Ukrainern mit Universitätsabschluss gegründet». Diese hätten am Maidan-Aufstand 2014 teilgenommen und sich freiwillig gemeldet, um ihre technischen Fähigkeiten im Widerstand gegen die Invasion auf der Krim und im Donbass einzusetzen.
Was vor acht Jahren als eine Gruppe freiwilliger IT-Spezialisten und Tüftler begann, hat sich zu einem wichtigen Element im militärischen Widerstand der Ukraine entwickelt und wird auch in Propaganda-Aktionen hervorgehoben.
Ausgestattet sind die Soldaten lediglich mit Nachtsichtbrillen, Scharfschützengewehren, ferngezündeten Minen, Drohnen mit Wärmebildkameras und anderen Fluggeräten, die bis zu 1,5 Kilogramm schwere Bomben abwerfen können.
Zum einen nutze Aerorozvidka die Drohnen zur Überwachung und Koordinierung von Artillerie-Schlägen. Zum andern attackiere die Einheit auch direkt russische Panzer und Stellungen. Demnach stellen die Drohnen-Operateure über Starlink zunächst eine Verbindung zu den Datenbanken der ukrainischen Streitkräfte her. So können sie konkrete Ziele bestimmen, um sie dann bei Nachteinsätzen zu attackieren.
Die erfahrenen Drohnenpiloten hätten bereits Dutzende militärische Ziele ausgeschaltet, heisst es. Zudem fliege die Truppe bis zu 300 Aufklärungsmissionen täglich. Die so gewonnenen Informationen würden in ein von der Nato unterstütztes Überwachungs-Computersystem eingespeist.
Allerdings gilt festzuhalten, dass die ukrainischen Einheiten die Starlink-Basisstationen nur mit grösster Vorsicht einschalten – und möglichst schnell den Standort wechseln.
Eine tödliche Gefahr für Starlink-User im Kriegsgebiet besteht darin, dass die Empfangsgeräte während des Betriebs gesichtet oder geortet werden. Dann droht Beschuss durch die russische Artillerie oder durch ferngesteuerte Raketen.
Kurz nachdem die ersten Satelliten-Terminals Anfang März ausgeliefert wurden, twitterte Musk:
Nicholas Weaver, ein amerikanischer Informatik-Professor, sagte gegenüber «Business Insider», dass die Starlink-Terminals nicht ausreichend getarnt werden können, da sie eine ungehinderte Sicht auf den Himmel benötigen, um sich mit Satelliten zu verbinden. Zudem könnten die Funksignale aufgespürt werden, wie ein weiterer Experte betonte:
Dann ist da noch die Frage der Stromversorgung.
Um den Einsatz in Kriegszeiten zu unterstützen, habe SpaceX die Starlink-Terminals so angepasst, dass sie Strom aus den Zigarettenanzünder-Buchsen von Autos beziehen können, berichtet der «Economist». Das US-Unternehmen habe dafür spezielle Adapter mit in die Ukraine geschickt. Und man habe herkömmliche «Energiespender» in Form von Solaranlagen, Akku-Packs und Stromgeneratoren geliefert.
Die Internet-Monitoring-Organisation NetBlocks, die auch die Internetverfügbarkeit in der Ukraine überwacht, sagte der BBC, dass sie in einigen Gebieten einen Zusammenbruch des Internets beobachtet habe, wie etwa in Sievierodonetsk, dem Verwaltungszentrum der Oblast Luhansk.
Neben gezielten Angriffen auf die ukrainische Infrastruktur versucht Russland, mit starken Störsendern (am Boden) den Starlink-Internetzugang aus dem All zu blockieren. Tatsächlich stören die russischen Angreifer seit Wochen den Satelliten-Breitbanddienst. Dies wird als «Jamming» bezeichnet.
SpaceX hat aber bereits reagiert und erklärt, man habe eine Lösung dagegen gefunden: Via Twitter liess Musk verlauten, dass ein neues Software-Update den Stromverbrauch senke und (russische) Störsender umgehen könne.
Dass die Starlink-Aktivitäten auf russischer Seite für Hektik sorgen, zeigt die Reaktion eines Putin-Vertrauten: Dmitri Olegowitsch Rogosin, Chef der russischen Weltraumbehörde Roskosmos, beklagte Anfang März, dass Starlink eine Einmischung der westlichen Welt in den Krieg darstelle. Einem russischen TV-Sender sagte der Politiker:
Hierzu gibt es verschiedene Theorien und Erklärungsansätze.
Fakt ist, dass die Ukraine über eine vergleichsweise starke nationale Internet-Infrastruktur verfügt. Laut «Economist» gebe es eine ungewöhnlich grosse Zahl von Providern. Zudem würden sich die regionalen Anbieter stark unterstützen.
Dies bedeute, dass das nationale Netzwerk nur wenige Engpässe aufweise und schwer auszuschalten sei.
Zudem haben die USA und ihre Nato-Verbündeten in den vergangenen Jahren massive «Cyberhilfe» geleistet. Die Fachleute sprechen von einer grossen Cyber-Widerstandsfähigkeit der Ukraine. Diese Resilienz könnte auch ein Zeichen dafür sein, dass die Nato weiter aktiv helfe, zitierte der «Economist» einen früheren Hacker des US-Geheimdienstes NSA.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Die russische Armee war nachweislich schlecht vorbereitet für den militärischen Grossangriff auf das Nachbarland. Fachleute vermuten, dass die russischen Streitkräfte wohl bewusst Teile der ukrainischen Telekommunikation in Ruhe gelassen haben, weil sie selber darauf angewiesen sind. Ihre eigene Ausrüstung sei für die militärische Kommunikation knapp oder unzureichend.
Schliesslich ist davon auszugehen, dass Russlands Nachrichtendienste und die staatlichen Elite-Hacker militärische Aufklärung betreiben und Gegner übers Internet ausspionieren. Das heisst, es besteht seitens der russischen Aggressoren kein Interesse daran, die Ukraine offline zu setzen.
Laut Fachleuten werden Social-Media-Plattformen gescannt und abgefangene Texte und Anrufe ausgewertet, um strategisch wichtige Informationen zu beschaffen. So liessen sich etwa Standorte für Artillerieangriffe herausfinden.
Nach jüngsten Erkenntnissen betreiben russische Geheimdienste zudem massive Desinformations-Kampagnen, um die ukrainische Bevölkerung zu verunsichern. Seit Beginn des Krieges hat der ukrainische Sicherheitsdienst (SSU) fünf Bot-Farmen mit über 100'000 gefälschten Social-Media-Konten entdeckt und geschlossen, berichtet Bleeping Computer.
Das Netzwerk, das in mehreren Regionen tätig war, zielte darauf ab, ukrainische Bürger zu entmutigen und Panik zu schüren, indem es falsche Informationen über die russische Invasion und den Status der Verteidiger verbreitete.
Dazu passen auch die neusten Cyberangriffs-Statistiken, die das Computer Emergency Response Team (CERT) der Ukraine in der vergangenen Woche veröffentlicht hat:
Das wäre technisch möglich.
Im November 2021 testete Russland ein Anti-Satelliten-Waffensystem (ASAT), indem es einen seiner eigenen, inaktiven Satelliten in der Erdumlaufbahn zerstörte.
Auf der ganzen Welt zeigten sich daraufhin Nationalstaaten und Raumfahrtunternehmen gleichermassen entsetzt über den Abschuss. Astronauten im Weltraum waren gezwungen, wegen der Trümmerteile in Deckung zu gehen.
Der Starlink-Chef nahm in einem aktuellen Interview (mit «Business Insider», siehe Quellen) auch Bezug auf die russische Anti-Satelliten-Technologie. Diese habe viel Ärger verursacht bei den Betreibern solcher Systeme.
Dass die Russen die Starlink-Satelliten abschiessen könnten, erachtet der Techunternehmen als unwahrscheinlich.
Die BBC hält fest, dass eine Reihe von Ländern die technischen Mittel besitzt, Satelliten vom Boden aus zu zerstören, darunter die USA, Russland, China und Indien.
Das im Silicon Valley angesiedelte US-Unternehmen Viasat bietet mit seinem Dienst KA-SAT weltweit schnelle satellitengestützte Internetverbindungen an. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar (siehe Chronologie, unten) hatten Kunden in Teilen Europas mit erheblichen Ausfällen zu kämpfen, wie der «Spiegel» berichtete. Der Grund: Um fünf Uhr in der Früh, am Morgen der russischen Invasion, aktivierten unbekannte Angreifer ein fehlerhaftes Update für bestimmte Kunden des Viasat-Dienstes KA-SAT.
Im Visier war offensichtlich die Ukraine. Wie Reuters unter Berufung auf entsprechende Regierungsverträge berichtete, seien sowohl das ukrainische Militär als auch die ukrainische Polizei mit KA-SAT-Anschlüssen ausgestattet. Doch nun waren diese Verbindungen nicht mehr verfügbar.
Nur Tage später rollte Hilfe an. In Form von Satelliten-Internet-Empfangsgeräten des US-Herstellers SpaceX. Erste Starlink-Terminals wurden in Rekordzeit geliefert.
Dies war offenbar möglich, weil sich Elon Musks Unternehmen schon vor Kriegsbeginn darauf vorbereitet hatte, den Dienst in Osteuropa zu lancieren, bzw stärker zu forcieren.
Während sich Nato-Mitglieder wie Deutschland mit Waffenlieferungen in die Ukraine zunächst schwertaten und es Wochen dauerte, bis die ersten versprochenen Panzerfäuste und anderen Waffensysteme ankamen, lieferte SpaceX in Rekordzeit. Und Elon Musk strafte alle Zweifler Lügen.
Keine 12 Stunden nachdem der ukrainische Vize-Ministerpräsident ihn via Twitter um Starlink-Unterstützung gebeten hatte, konnte der Techunternehmer grünes Licht geben.
Warum es so schnell ging, wissen wir dank Gwynne Shotwell, Chief Operating Officer (COO) bei SpaceX. Die US-Managerin verriet in einem Vortrag Anfang März, dass die Satelliten-Empfangsgeräte bereits vorhanden und einsatzbereit waren. Die Herausforderung, sie zu liefern, sei nicht technischer, sondern nur noch bürokratischer Natur gewesen.
Demnach war SpaceX bereit für die Lancierung von Starlink in der Ukraine und hatte schon wochenlang daran gearbeitet, die Genehmigung für den Dienst zu erhalten.
Laut der SpaceX-Managerin wartete das Unternehmen nur noch auf ein formelles Schreiben aus Kiew, das die offizielle Genehmigung zum Start des Dienstes erteilt hätte. Aber die ukrainische Regierung – zweifellos abgelenkt von der bevorstehenden Invasion – schickte es nie ab.
Als dann die Russen in die Ukraine einfielen und der ukrainische Minister seinen Hilferuf twitterte, entschied Elon Musk, dass nun unbürokratische Hilfe erforderlich sei: Statt eines offiziellen Behörden-Briefes reichte ein Tweet des ukrainischen Digitalministers, um die Auslieferung zu starten.
Man schliesst Satelliten-Schüssel und Empfangsgerät an – oder das «Terminal», wie es offiziell heisst – und das System verbindet sich automatisch mit dem nächsten Starlink-Satelliten am Himmel. Davon umkreisen 2000 den Planeten.
Im Folgenden listen wir die wichtigsten Ereignisse auf im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und dem Satelliten-Internet-Dienst Starlink, der von SpaceX betrieben wird:
Roskosmos-Chef Dmitrij Rogosin
Dabei vergisst er, dass sie auch zivile Mobilfunktelefone in Gebrauch genommen haben, weil ihre militärischen Kommunikationsmittel nichts taugen.
Man kann jedes Kommunikationsmittel durch Militär oder Zivil nutzen.
Den einzigen denen man nicht vertrauen sollte, seid ihr selber.