
Raphaël Grave alias Jean Pormanove wollte angeblich aussteigen, schaffte es aber nicht.Bild: watson
Analyse
Mit dem live im Internet übertragenen Sterben eines 46-Jährigen hat das sogenannte «Trash Streaming» einen neuen Tiefpunkt erreicht. Mittendrin im Sumpf: die Streaming-Plattform Kick.
20.08.2025, 17:3120.08.2025, 17:31
Raphaël Grave war während Jahren Schikanen, Gewalt und Demütigungen ausgesetzt – und dies «freiwillig», vor laufender Kamera. Hunderttausende, ja Millionen Internet-User sahen dabei zu. Am vergangenen Montag starb der 46-jährige Franzose während eines Livestreams auf der australischen Streaming-Plattform Kick.
Während die Staatsanwaltschaft in Nizza Ermittlungen zur Todesursache eingeleitet hat, häufen sich die kritischen Stimmen zum Phänomen «Trash Streaming», mit dem Kick Jahr für Jahr Millionen umsetzt.
Kick ist nicht nur ein «Twitch-Konkurrent», sondern dient den windigen Eigentümern, um Online-Glücksspiel bei jungen Leuten salonfähig zu machen.
Dieser Beitrag beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die frei zugängliche Website.
Was ist Kick?

Die Startseite der australischen Live-Streaming-Plattform.Screenshot: watson
Wie das vor allem bei Gamern beliebte Twitch des US-Konzerns Amazon ist auch Kick eine Live-Video-Streaming-Plattform, aber deutlich kleiner und berüchtigt, weil die Moderationsregeln lasch sind.
Kick wurde 2022 lanciert. Dahinter stecken die australischen Internet-Unternehmer Bijan Tehrani und Ed Craven. Die beiden haben enge Verbindungen zur Glücksspiel-Industrie und sind mit ihrer eigenen Online-Casino- und Sportwetten-Website Stake zu Milliardären geworden. Auf Kick schalten sie regelmässig Werbung für Stake, das nur mit Kryptowährungen operiert.

Spielsucht kombiniert mit Bitcoin: Ed Craven und Bijan Tehrani lancierten 2016 das Online-Casino Stake.com und wurden steinreich.Screenshot: youtube.com
Warum ist Kick bei Influencern populär?
Weil sie dort mehr Geld verdienen.
Kick unterscheide sich von anderen Live-Streaming-Plattformen vor allem durch «sein äusserst attraktives Zahlungssystem» für Inhalte-Ersteller. Dies hält die französische Zeitung «Le Monde» in einem Bericht fest.
Die Plattform behalte nur 5 Prozent der von Usern für Kanalabonnements gezahlten Beträge ein, während beispielsweise Twitch 30 bis 50 Prozent kassiere.
Kritiker munkeln jedoch, die Betreiber kauften sich Online-Reichweite, ohne dass klar sei, ob das Geschäftsmodell langfristig tragfähig ist. Die Plattform werde durch die Glücksspiel-Milliarden der beiden Kick-Gründer querfinanziert.
Was hat es mit den problematischen Inhalten auf sich?
Der zweite Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Plattformen ist «die deutlich freizügigere Moderationspolitik». Tatsächlich werden auf Kick nicht nur Aktivitäten wie Glücksspiel live übertragen, die auf Twitch verboten sind. Es gibt auch viel mehr sexuell anzügliche Inhalte, die Demütigungen und Gewalt beinhalten.
Viele Trash-Streams sind für Jugendliche ungeeignet, sie sind aber auf Plattformen wie Kick ohne echte Alterskontrolle zugänglich. Problematische Inhalte wie Gewalt, Drogen, Sexismus oder Glücksspiel werden so normalisiert.
Tatsächlich haben die Kick-Betreiber in der Vergangenheit wiederholt berüchtigte Influencer angelockt, die wegen frauenfeindlichen und rassistischen Äusserungen bereits auf anderen Plattformen gesperrt wurden und Provokation als Geschäftsmodell nutzen.
Zu den berüchtigten Akteuren zählen der bekannte amerikanische Streamer Amouranth, der wegen zu sexualisierter Videos bei Twitch rausgeworfen wurde, aber auch der homophobe Pro-Trump-Influencer Adin Ross. Letzter will nun zusammen mit dem kanadischen Skandal-Rapper Drake die Beerdigungskosten für den gestorbenen französischen Streamer übernehmen.
Hinter dem, was Raphaël Grave alias Jean Pormanove zum Verhängnis wurde, steht das Phänomen Trash-Streaming, das ursprünglich aus Russland stammt. Es handelt sich um eine besonders fragwürdige Form der Live-Übertragungen im Internet, bei denen der «Moderator» schockierende, gefährliche, demütigende oder anderweitig umstrittene Aktionen ausführt, an denen auch noch andere Personen beteiligt sein können.
In Reaktionen auf den tragischen Tod des Franzosen erwähnten viele Internet-User die populäre TV-Serie «Black Mirror». In der ersten Folge der siebten Staffel mit dem Titel «Common People» lässt sich ein verzweifelter Mann gegen Bezahlung bei demütigenden Handlungen filmen, um seine schwer kranke Frau zu retten.
Ist das legal?
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Die Betreiber könnten durchaus zur Verantwortung gezogen werden, wenn sich im Rahmen von Ermittlungen strafrechtlich relevante Handlungen zeigen. Sie verstehen es aber geschickt, in einem juristischen Graubereich zu agieren und sich drohenden Verfahren zu entziehen.
Für die Inhalte-Ersteller gilt, dass sie für strafbare Handlungen wie sexuelle Gewalt, Nötigung oder Missbrauch zur Verantwortung gezogen werden können. Denn selbst wenn die Plattform solche Inhalte toleriert, verstösst der Streamer gegen geltendes Recht.
Das französische Investigativ-Nachrichtenportal hatte bereits im Dezember 2024 das damit verbundene Geschäft des Online-Missbrauchs zu Unterhaltungszwecken angeprangert. Raphaël Grave machte trotzdem weiter. Nun müssen sich die zuständigen Regulierungs- und Justizbehörden den Vorwurf gefallen lassen, nicht rechtzeitig auf die Missstände reagiert zu haben.
Anzumerken bleibt, dass die Glücksspiel-Website Stake der Kick-Gründer in Frankreich verboten und der Zugriff in mehreren europäischen Ländern gesperrt ist. Und auch in den USA hat das Unternehmen Ärger. Die Justizbehörden mehrerer Bundesstaaten argumentieren, dass es gegen die Glücksspielgesetze verstosse.
Im vergangenen Jahr hat Kick auf die wachsende Kritik reagiert und mehrere Massnahmen ergriffen:
- Für die User wurde ein Meldesystem für problematische Inhalte eingeführt.
- Es gibt verschärfte «High-Risk»-Richtlinien für Streams, in denen potenziell gefährliche oder kontroverse Inhalte gezeigt werden.
- Seit dem 1. Februar 2025 gelten strengere Regeln bei Glücksspiel-Streams, inklusive Altersüberprüfung und Einschränkungen bei Casino-Inhalten.
Hier gibt's Hilfe bei Suchtproblemen!
Alkohol und andere Drogen sind nie die Lösung. Bei Suchtproblemen gibt es in der Schweiz diverse Anlaufstellen. Beispielsweise die kantonalen und lokalen Angebote der Schweizerischen Koordinations- und Fachstelle Sucht, die unter suchtindex.ch einfach nach Region und Thematik herausgefiltert werden können. Eine weitere Anlaufstelle ist Safezone.ch, die Online-Beratung des Bundesamtes für Gesundheit in Zusammenarbeit mit Kantonen und Suchtfachstellen.
Quellen
Islamwissenschaftler über Antisemitismus 2.0
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Islamwissenschaftler über Antisemitismus 2.0
Pro-palästinensische Kundgebungen entsprechen dem Kalkül der Hamas und fördern einen Antisemitismus 2.0, wie ein renommierter Schweizer Islamwissenschaftler gegenüber SRF erklärt.
quelle: keystone / monirul alam
«Die Tusse will mit Schön sein ihr Geld verdienen» – Twitch-Streamerin erzählt
Video: watson
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https://www.formula1.com/en/teams/kick-sauber
Ich wundere mich, wieso das nicht erwähnt wird.
Die Seite gehört meiner Meinung nach verboten.