China hat seinen Vorsprung als wichtigster Markt für Autos mit Elektroantrieb weiter ausgebaut. Mehr als die Hälfte aller reinen Elektroautos (BEV) und Plug-in-Hybride (PHEV) der Welt fährt laut einer Analyse des Stuttgarter Forschungsinstitutes ZSW auf chinesischen Strassen. Der dortige Bestand kletterte bis zum Jahreswechsel auf 14,6 Millionen Fahrzeuge. Das sind 53 Prozent der weltweit 27,7 Millionen Stromer.
Normaler Nachmittagsverkehr in #Shanghai. Grüne Nummernschilder sind E-Autos, blaue Verbrenner. pic.twitter.com/ovNjLm87Qa
— Christina Kunkel (@Kunkeline) April 18, 2023
Auf den weiteren Plätzen folgen die USA mit 3,4 und Deutschland mit 1,9 Millionen E-Autos, Frankreich mit 1,1 Millionen und das Vereinigte Königreich mit einer Million.
Insgesamt ist Europa abgeschlagen hinter China, aber weit vor Nordamerika, der zweitwichtigste Markt für E-Autos und Plug-in-Hybride.
Und der Vorsprung Chinas als grösster und wichtigster Markt für die Stromer wächst: Vergangenes Jahr wurden dort laut ZSW 6,5 Millionen reine Elektroautos und Plug-in-Hybride neu zugelassen – das sind knapp 61 Prozent der weltweiten Neuzulassungen in dieser Fahrzeugkategorie. Auch hier geht der zweite Platz an die USA – mit knapp einer Million – vor Deutschland mit 833'000.
Auch in der Kategorie reine E-Autos (BEV) – also ohne Plug-in-Hybride – ist China der mit Abstand wichtigste Markt.
Die Zahlen verdeutlichen, warum Tesla, Toyota, VW und Co. grösste Anstrengungen unternehmen, um in China weiterhin eine führende Rolle zu spielen. Diese ist gefährdet, da chinesische Marken viel schneller wachsen als die ausländische Konkurrenz.
«Die Zahlen zeigen eindeutig, dass der weltweite Trend zur nachhaltigen Mobilität trotz vieler Krisen weiter ungebrochen ist», sagte Andreas Püttner vom ZSW. Chinas rasantes Wachstum bei der Elektromobilität begründet Püttner mit Fördermassnahmen der Regierung und den dort relativ niedrigen Preisen für neue E-Autos.
Zur Einordnung: In Deutschland gebaute Elektroautos sind laut der Unternehmensberatungsfirma PwC rund 40 Prozent teurer als die gleichen Modelle, die in China gebaut und verkauft werden. Chinesische Autokonzerne verkaufen ihre Stromer in Europa ebenfalls rund 40 Prozent teurer als in China, wo es gerade weitere Preissenkungen gegeben hat. Hohe Preise in Europa und den USA und tiefe in China befeuern den E-Auto-Boom im Reich der Mitte.
Von der staatlichen Förderung profitierten auch die chinesischen Akkuhersteller, die ihre technisch führenden Batterien längst auch an Tesla, VW und Co. liefern.
Die Förderung der Elektromobilität inklusive der wichtigen Akkuherstellung ist für China ein wichtiger Schritt für die angestrebte Energiewende. Der Staat fördert nebst E-Auto-Herstellern auch die heimische Photovoltaik-Industrie, um die CO2-Ziele zu erreichen. In beiden Bereichen macht China viel schneller Fortschritte als der Westen und keine andere Nation baut ihre erneuerbaren Energien schneller aus.
China ist der grösste CO₂-Verursacher der Welt, aber auch die führende Nation, wenn es um den Ausbau erneuerbarer Energien geht.
China 🇨🇳 is adding more renewables each year than the EU 🇪🇺, US 🇺🇸 and India 🇮🇳 combined pic.twitter.com/tAfjmkGSzV
— Science Is Strategic (@scienceisstrat1) August 5, 2023
Mit der staatlichen Förderung der Elektromobilität will China endlich den europäischen Automarkt erobern, was im Zeitalter der Verbrenner-Autos nie gelungen ist. Bislang feiert man vor allem im Heimmarkt Erfolge, aber die Exporte sind zuletzt rasant angestiegen.
China 🇨🇳 is becoming an auto export giant 🚙
— Science Is Strategic (@scienceisstrat1) April 16, 2023
➡️ China exported 1 million vehicles in Q1 2023, up 58.3% year-over-year
➡️ Overseas shipments of new-energy vehicles, which mainly include pure electric and hybrids, surged 110% to 248,000 units
Cc: @ElbridgeColby @Noahpinion pic.twitter.com/Fo35dcyXQp
Betrachtet man die kumulierten Neuzulassungen der Auto-Konzerne, liegt Tesla mit 3,6 Millionen Autos noch an der Spitze. Der Vorsprung des US-amerikanischen Unternehmens ist aber um gut eine halbe Million Autos geschrumpft, denn die Nummer zwei, BYD aus China, hat kräftig aufgeholt und liegt nun bei 3,3 Millionen. SAIC, ebenfalls chinesisch, verdrängt mit inzwischen 2,4 Millionen den VW-Konzern vom dritten Platz. Die Wolfsburger rutschen mit 2,3 Millionen auf Rang 4, gefolgt von BMW mit 1,3 Millionen.
Bei den Neuzulassungen hatte BYD vergangenes Jahr bereits die Nase vorn und kommt auf 1,8 Millionen. Dahinter folgt Tesla mit 1,3 Millionen und auch hier verdrängt SAIC mit knapp 1,2 Millionen VW vom dritten Platz. Die Wolfsburger liegen laut ZSW mit 831'000 auf Rang 4. BMW kommt mit 433'000 auf Platz 6, Mercedes mit 319'000 auf den achten Rang.
«Wenn Deutschland nicht abgehängt werden will, dürfen sich die deutschen Autobauer nicht nur im Premiumsegment bewegen, zumal chinesische Unternehmen sukzessive auf den ausserchinesischen Markt drängen», betonte Püttner. Denn chinesische Hersteller deckten die komplette Pkw-Bandbreite ab: vom Kleinst-Pkw bis zu den grossen Premiumfahrzeugen. Das reiche für einen Marktanteil von rund 50 Prozent.
Die häufigsten Elektroautomodelle der Welt sind der Analyse zufolge allerdings nach wie vor Teslas: Das Model 3 kommt auf 1,8 Millionen Stück, das Model Y auf 1,2 Millionen. Deutsche Hersteller sind in dieser Kategorie nicht unter den ersten zehn vertreten. Dass Tesla dieses Ranking anführt, liegt auch daran, dass Elon Musks Konzern nur zwei Modelle in grossen Stückzahlen produziert. Bei anderen Herstellern verteilen sich die Verkäufe auf ein Dutzend oder mehr Modelle.
Abgeschlagen ist der weltweit grösste Autobauer Toyota. Die Japaner verkaufen bisher fast keine reinen E-Autos, da Toyota sich lange gegen den E-Auto-Trend gestemmt hat. Toyota setzt in China daher künftig teils auf chinesische E-Auto-Plattformen, um dort schneller günstige E-Autos anbieten zu können. Gleiche Pläne verfolgt mit VW der zweitgrösste Autohersteller.
Westliche Autohersteller müssen in China schon seit vielen Jahren in Kooperation mit heimischen Herstellern Verbrenner-Autos bauen. Früher kam dabei die Technik aus dem Westen, bei den E-Autos geben vermehrt die Chinesen den Ton an. China hat früh erkannt, dass die Elektromobilität eine Chance ist, die CO2-Emissionen zu reduzieren und gleichzeitig den internationalen Automarkt zu erobern.
(oli/sda/dpa)