Es begann am Montag mit einem Tweet des Tech-Journalisten und Microsoft-Kenners Tom Warren. Er schrieb auf X: «Ich werde gleich eine Reihe interner E-Mails von Microsoft twittern.» In den nächsten 24 Stunden folgten rund zwanzig Posts mit vertraulichen E-Mails und Dokumenten, die einen ungewohnten Einblick in den Microsoft-Konzern geben.
An Datenlecks aus Hacks haben wir uns schon fast gewöhnt. Das Spezielle an diesem Fall: Microsoft selbst ist für die riesige Menge an durchgesickerten Informationen verantwortlich, die ein neues Xbox-Design, unangekündigte Spiele, Überlegungen von Führungskräften über den Kauf von Nintendo und vieles mehr ans Licht brachten.
This is Microsoft’s new disc-less Xbox Series X design with a new controller. This refreshed Xbox Series X will launch next November, complete with a front USB-C port, 2TB of storage, Wi-Fi 6E, and Bluetooth 5.2 support. Full details here: https://t.co/USTJd88Sim
— Tom Warren (@tomwarren) September 19, 2023
Die Dokumente stammen aus dem Rechtsstreit zwischen der US-Handelsaufsicht FTC und Microsoft. Die FTC wollte Microsofts 69 Milliarden Dollar schweren Kauf des Game-Publishers Activision Blizzard verhindern, scheiterte aber vor Gericht. Am Dienstag bestätigte die zuständige Richterin Jacqueline Scott Corley, dass Microsoft selbst für das Datenleck verantwortlich sei. Zuvor hatte bereits die FTC Gerüchte dementiert, dass man etwas mit dem Leck zu tun habe.
Was lief schief? Für die Klage der Wettbewerbsbehörde FTC gegen Microsoft mussten beide Parteien dem Gericht interne Dokumente offenlegen. Dabei passierte Microsoft offenbar ein seltsames Missgeschick. Die Rechtsabteilung wollte dem Gericht anscheinend ein fünfseitiges PDF zur Verfügung stellen, dem aber versehentlich über hundert vertrauliche und teils nicht geschwärzte Dokumente angehängt waren. Sie waren laut NBC News seit Freitag auf der Webseite des Gerichts abrufbar.
«Microsoft war für den Fehler beim Hochladen dieser Dokumente an das Gericht verantwortlich», bestätigte die FTC.
Am Dienstag entfernte das Gericht alle online verfügbaren Dokumente zum Fall FTC gegen Microsoft – natürlich zu spät. Tom Warren, der den Rechtsstreit «FTC gegen Microsoft» seit über einem Jahr eng verfolgt, war das Missgeschick längst aufgefallen.
a massive amount of highly confidential and unredacted Microsoft docs have leaked as part of the FTC v. Microsoft case. They were attached to a single file and incorrectly hidden and posted publicly. A huge error that has led to a giant leak. More to come.
— Tom Warren (@tomwarren) September 19, 2023
Warren begann am Montag, über Microsofts vertrauliche Pläne für sein Gaming-Geschäft (Xbox-Sparte) zu posten. Nebst eher belanglosen E-Mails von Führungskräften, die etwa ihre Gedanken zu Sonys Playstation 5 äussern und diskutieren, ob Sony Microsofts Game-Streaming-Dienst auf der Playstation blockieren würde, geben die vertraulichen Dokumente auch Einblick in Microsofts Hardware- und Plattform-Strategie.
So plant oder plante Microsoft offenbar einen neuen Xbox-Controller für 2024, eine neue Xbox-Konsole für 2028 und ist bereit, gigantische Millionenbeträge zu zahlen, um wichtige Games vom ersten Tag an in seinem Game-Pass-Abo zu haben.
Ach ja, «Elder Scrolls VI» wird laut Datenleck nicht auf der Playstation erscheinen und Xbox-Chef Phil Spencer hat vergangenes Jahr eine PS5 gekauft, wie er seinen Arbeitskollegen in den geleakten E-Mails mitteilte. Verwundern sollte letzteres niemanden. Der Xbox-Chef spielt auch gerne mit seinen Kindern «Super Mario» auf der Nintendo Switch und hat kein Problem damit, dies öffentlich kundzutun.
Had a great time visiting #PAXWest2023 today with my family. Fun to get to walk the floor and just play games. Had a blast playing 4 player #SuperMarioWonder at Nintendo Live, thank you to @NintendoAmerica for letting everyone play. pic.twitter.com/z5qXSGmy8l
— Phil Spencer (@XboxP3) September 3, 2023
Von Microsoft hört man bislang nichts. Dafür hat Xbox-Chef Phil Spencer seine Mitarbeitenden am Dienstag in einer E-Mail über das Datenleck informiert. Darin deutet er an, dass sich die Pläne von Microsoft inzwischen geändert haben könnten, zumal einige Dokumente veraltet sind. Spencer schreibt: «Ich weiss, dass dies enttäuschend ist, auch wenn viele der Dokumente weit über ein Jahr alt sind und sich unsere Pläne weiterentwickelt haben.»
Und weiter: «Wir alle stecken unglaublich viel Leidenschaft und Energie in unsere Arbeit, und wir möchten niemals, dass diese harte Arbeit auf diese Weise mit der Community geteilt wird.»
Spencers vollständige Nachricht wurde von The Verge veröffentlicht.
Datenlecks in diesem Ausmass sind selten. Ein Grund dafür ist laut Warren, dass Unternehmen wie Microsoft ihre Dokumente und Produktfotos mit versteckten Wasserzeichen präparieren, um Leaker zu erwischen.
this is why a lot of Xbox stuff doesn’t leak super early. Microsoft uses hidden watermarks in files and photos to identify leakers 👀 pic.twitter.com/ozU7d9jqXD
— Tom Warren (@tomwarren) September 19, 2023