Die Reparaturprofis von iFixit zerlegen regelmässig neue Laptops, Smartphones und Wearables und prüfen, wie gut sich die Geräte reparieren lassen. Viel zu oft fällt das Ergebnis ernüchternd aus. Der Wettlauf um immer dünnere, kleinere und leichtere Geräte verhindert in vielen Fällen gut reparierbare und somit nachhaltige Produkte. Die neuen Airpods 3 von Apple erhalten beispielsweise auf der von 0 bis 10 reichenden Reparaturskala von iFixit eine «Null». Sie sind wie die Airpods Pro praktisch irreparabel.
Am anderen Ende der Skala befindet sich das Fairphone 4: Das neue Fairphone besteht den Reparatur-Test mit Bravour und erhält 10 von 10 möglichen Punkten.
Fairphone ist weltweit der einzige Smartphone-Hersteller mit dieser Bestnote. Das iPhone 13 Pro erhält 5, das Galaxy S21 Ultra von Samsung magere 3 von 10 Punkten. Für die beiden führenden Hersteller ein Armutszeugnis.
Reparaturguru Taylor Dixon von iFixit schreibt:
Wie bereits beim Fairphone 2 und 3 können Reparaturen wie der Austausch von Akku, Display, Rückabdeckung, Selfie-Kamera, Hauptkameras, Lautsprecher und USB-C-Anschluss von den Nutzerinnen und Nutzern einfach selbst durchgeführt werden.
Hierzu lässt sich das auf Langlebigkeit ausgelegte Smartphone auch von Laien ohne Werkzeug leicht öffnen, reparieren und wieder zusammenbauen. Rückseite und Akku können ohne Schraubenzieher gewechselt werden. Für den Austausch von Display, Kamera, Lautsprecher etc. braucht es nicht mehr als einen handelsüblichen Schraubenzieher und ein paar Minuten, wie das Erklärvideo von iFixit am Ende des Artikels zeigt. Die einfache Reparatur ist möglich, da im Unterschied zu fast allen anderen Smartphones kein Ersatzteil verklebt ist.
iFixit lobt, dass insbesondere häufig defekte Teile wie das Display leicht selbst ausgetauscht werden können. Den Reparaturprofis gefällt ansonsten, dass der Speicherplatz per microSD-Karte erweitert werden kann, was heutzutage immer seltener wird. Auch dies erhöht die Langlebigkeit.
Bedauert wird das Fehlen einer klassischen Kopfhörerbuchse. Kabelgebundene Kopfhörer müssen also via USB-C angeschlossen werden. Zudem verkauft Fairphone neuerdings kabellose Kopfhörer, die zu 30 Prozent aus recyceltem Kunststoff bestehen. Dass sich diese ähnlich leicht wie das Fairphone reparieren lassen, scheint unwahrscheinlich. Samsung hat allerdings mit seinen kabellosen Kopfhörern bereits 2019 vorgemacht, dass mit gutem Willen selbst winzige Kopfhörer teils reparierbar gebaut werden können. Die Galaxy Buds erhielten im Reparatur-Index von iFixit immerhin 6 von 10 Punkten.
Ersatzteile können zu fairen Preisen auf der Webseite des Herstellers nachbestellt werden. Ein Akku kostet beispielsweise rund 30 Franken, Display und Kamera je 80 Franken. Ich habe bereits vor zwei Jahren das Vorgängermodell Fairphone 3 selbst zerlegt und wieder zusammengesetzt und kann bestätigen: Die Reparatur ist sogar für Menschen mit zwei linken Händen spielend leicht.
Wichtig ist, dass die Ersatzteile fünf Jahre oder besser länger verfügbar bleiben. Auch bei Fairphone war das in der Vergangenheit nicht immer der Fall, aber ein Blick auf die Webseite des Herstellers zeigt, dass selbst die Ersatzteile für das Fairphone 2 von Ende 2015 derzeit noch nachbestellt werden können.
Ein modulares Design, bei dem defekte Bauteile selbst ausgetauscht werden können, bieten bislang nur wenige Nischenhersteller wie Fairphone oder Shiftphone. Diese Konstruktion hat aber auch Nachteile: Das Fairphone 4 ist etwas dicker, schwerer und klobiger als viele andere Smartphones. Zudem ist es wegen der abnehmbaren Rückseite nur gegen Regen und Spritzwasser geschützt, länger untertauchen sollte es also nicht.
Dass die grossen Hersteller kein Interesse an modularen und leicht reparierbaren Smartphones haben, hat nebst praktischen auch finanzielle Gründe: Teure Displayreparaturen, teils über 300 Franken, dürften lukrativ sein. Und wenn sich der Kunde, abgeschreckt von den Reparaturpreisen, doch für ein neues Gerät entscheidet, um so besser für den Hersteller.
Wohl mindestens so wichtig: Die modulare Konstruktion ohne verklebte Teile erschwert und verteuert die Produktion. Die dafür notwendige Ersatzteillagerung erhöht die Kosten zusätzlich. Statt Ersatzteile für DIY-Reparaturen verkaufen die grossen Hersteller lieber kostenpflichtige Garantieverlängerungen – mutmasslich ein höchst lukratives Zusatzgeschäft. Fairphone hingegen gibt neu ohne Zusatzkosten fünf Jahre Garantie auf das Gerät, was in der Smartphone-Branche einzigartig sein dürfte.
Dass modulare, leicht reparierbare Geräte einen schweren Stand haben, liegt auch an uns: Viele Konsumentinnen und Konsumenten werden von dünnen, leichten, aber kaum reparierbaren Geräten magisch angezogen.
Dass Smartphones möglichst dünn sein müssen, sieht man bei Fairphone naturgemäss anders:
Leicht reparierbare Geräte kommen der Umwelt und dem Geldbeutel von Konsumentinnen und Konsumenten zugute: Eine internationale Bewegung fordert daher seit Jahren ein «Recht auf Reparatur». In der EU und in den USA wächst der politische Druck auf die Wirtschaft, Reparaturanleitungen und den Zugang zu Ersatzteilen zur Verfügung zu stellen. «Seit März müssen die Hersteller von bestimmten Geräten in der EU genau diese Forderungen erfüllen», aber «digitale Geräte wie Smartphones oder Notebooks sind davon bislang nicht betroffen», schreibt SRF.
Trotzdem kommt Bewegung in die Branche: In Frankreich gibt es seit Anfang 2021 einen Reparatur-Index für Smartphones, Laptops, Fernseher und andere Geräte. Ein Punktestand zwischen 0 und 10 soll Kunden auf einen Blick zeigen, wie gut ein Gerät reparierbar ist. Da der Wert auf Herstellerangaben basiert, ist seine Aussagekraft beschränkt. Dennoch zeigen sich bereits positive Effekte: Um seine Bewertung zu erhöhen, hat Samsung als erster der grossen Hersteller damit begonnen, kostenlos eine französische Reparaturanleitung für das Galaxy S21 Plus anzubieten (oft machen die Hersteller Reparaturanleitungen nicht öffentlich oder nur gegen Bezahlung, um DIY-Reparaturen zu verhindern).
Fairphone wirbt auf seiner Webseite mit einem Reparierbarkeits-Score «von 9,3 von 10 Punkten basierend auf dem französischen Reparierbarkeitsindex». Für Samsung macht sich die Bereitstellung der Reparaturanleitung bezahlt: Das Galaxy S21 Plus kommt so auf schmeichelhafte 8,2 Punkte. Apples iPhone 13 Pro erhält 6,2 Punkte.
Apple hat im November angekündigt, man werde den Zugang zu Original-Ersatzteilen nicht mehr so stark begrenzen wie bisher. Theoretisch könnten iPhone-User künftig Akku, Bildschirm und Kameramodul selbst austauschen. Der Haken: Moderne Geräte wie das aktuelle iPhone 13 lassen sich von Laien in aller Regel nicht selbst reparieren, da sie schlicht nicht dafür konstruiert wurden. Verklebte und mit speziellen Schrauben gesicherte Teile machen die DIY-Reparatur für Anfänger zum Albtraum.
Apples Entgegenkommen erfolgt denn auch nicht freiwillig: US-Präsident Joe Biden hat im Juli 2021eine Verfügung unterzeichnet, die das «Recht auf Reparatur» fordert. Apple lenkt wohl auch ein wenig ein, um weitergehende Forderungen abzuwenden.
Vergessen wir nicht: Apple, Microsoft, Amazon, Google und eine Reihe anderer Konzerne kämpfen seit Jahren gegen das «Recht auf Reparatur». Sie führen gerne Sicherheits- und Gesundheitsrisiken bei unsachgemässen Reparaturversuchen ins Feld. Apple ging gar so weit, Reparaturen durch Kunden oder unabhängige Reparaturfirmen per Software-Tricks zu erschweren. Wie fast immer geht es am Ende des Tages ums liebe Geld. Apple verdient seit Jahren sehr gut an seinem Quasi-Reparaturmonopol. Auch deshalb verkaufte das Unternehmen nur begrenzt offizielle Ersatzteile und veröffentlichte keine Reparaturanleitungen. Zumindest dies ändert sich nun.
Zurück zum Fairphone: Das neue Fairphone 4 macht technisch gegenüber dem Fairphone 3, respektive 3 Plus einen grossen Sprung nach vorne, es ist aber auch deutlich grösser als die Vorgänger. Wie erwähnt wurde der separate Kopfhöreranschluss gestrichen. Positiv sei nochmals die fünfjährige Herstellergarantie erwähnt. Hinzu kommt, dass das Android-Smartphone mindestens fünf Jahre lang mit Updates versorgt wird. Fairphone stellt gar sieben Jahre Software-Support in Aussicht. Dass dies machbar ist, beweist der Hersteller mit dem Fairphone 2 von 2015. Es wird im Frühling 2022 ein weiteres Android-Update erhalten.
Anders als die Vorgänger ist das Fairphone 4 ein Gerät, das auch anspruchsvolle Smartphone-User zufriedenstellen dürfte. Ein ausführlicher Testbericht erscheint in wenigen Tagen auf watson.