Viele kennen ihn von schrillen Filmauftritten, als «Borat» oder «Ali G». Doch der britische Schauspieler Sacha Baron Cohen hat auch ein feines Gespür für die dunklen Seiten des Internet-Zeitalters. Schon 2019 warnte er vor der «grössten Propagandamaschine der Geschichte». Und meinte damit Facebook und Co.
Keine fünf Jahre später wissen wir, dass Cohen richtig lag. Die grossen Social-Media-Plattformen sind das bewährte Werkzeug für extremistische Kräfte, die nicht weniger als die Demokratie beseitigen wollen.
In ihrem 2020 veröffentlichten Sachbuch «Digitaler Faschismus» (siehe Quellen) beschreiben die beiden deutschen Wissenschaftler Maik Fielitz und Holger Marcks, wie aus den Social-Media-Plattformen «ein Motor für die Rechtsextremen» werden konnte.
Egal, ob amerikanische Tech-Oligarchen wie Mark Zuckerberg, Elon Musk oder Jeff Bezos davon profitieren – oder wie bei TikTok das autoritäre Regime in Peking: Zu wenig regulierte Plattformen schaden der Gesellschaft. Sie gefährden den Zusammenhalt und die Demokratie.
Trumps Wahlkampfmanagerin Kellyanne Conway erfand 2016 die Bezeichnung «alternative Fakten», um die stetigen Lügen-Orgien ihres Chefs zu verharmlosen.
Und nun kündigte Zuckerberg kurz vor der Rückkehr Trumps ins Weisse Haus an, dass der Facebook-Konzern bei der Bekämpfung von Falschbehauptungen auf seinen Plattformen kapituliert und unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit mehr Lügen und Hass zulässt.
Die Techkonzerne – respektive deren Eigentümer – tragen wegen des Einflusses ihrer Plattformen auf die Gesellschaft eine grosse Verantwortung. Und wenn sie dieser Verantwortung nicht mehr gerecht werden wollen, stellt sich für uns die dringliche Frage, warum wir ihnen solch eine Macht überhaupt noch zugestehen?
Anzumerken ist, dass der Meta-Konzern schon bislang viel zu wenig unternommen hat, um Desinformation und Hass auf seinen Plattformen zu bekämpfen. Darum ist es kein Trost, dass die Faktenchecker in Europa laut Versprechen von Meta vorläufig bleiben sollen.
Tatsächlich sind wir wegen der toxischen Kombination von Social-Media-Plattformen und Rechtspopulismus mit einer besonderen Bedrohungslage konfrontiert. Der deutsche Medienwissenschaftler Martin Andree bringt das Problem in einer Analyse auf den Punkt:
Schon vor dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten musste die Welt mitverfolgen, wie Donald Trump und seine willigen Helfer die USA umkrempeln und dabei die reichweitenstärksten Social-Media-Plattformen für ihre Zwecke instrumentalisieren. Was auffällt: Sie attackieren auch vermehrt die Institutionen, die gemeinhin als die vierte Gewalt bekannt sind: die Medien. Denn diese sind unverzichtbar für demokratische Staaten.
Journalistinnen und Journalisten schaffen Transparenz, prangern Missstände an und tragen entscheidend zur politischen Meinungsbildung bei. Wer die Medien aus dem Weg räumt, hat freie Hand. Dies zeigt sich in allen autoritären Staaten – von China bis Russland.
Wenn Extremisten an die Macht kommen, ist es vorbei mit der Meinungsäusserungsfreiheit, für die sie sich so lauthals eingesetzt hatten. Das ist heute schon am Verhalten von Elon Musk zu erkennen. Der reichste Mann der Welt hat aus Twitter eine Waffe gemacht, mit der er unliebsame Personen verunglimpft und attackiert. Zudem führt (begründete) Kritik an ihm dazu, dass man bei X an Reichweite verliert oder gar ausgesperrt wird.
Musk hat bei X diverse Länder aufs Übelste attackiert und unter anderem die demokratisch legitimierten Regierungsparteien in Deutschland und Grossbritannien verunglimpft. Der gesellschaftliche Widerspruch auf seiner eigenen Plattform verhallt wirkungslos, weil der Techmilliardär die Algorithmen kontrolliert und damit die Aufmerksamkeit nach eigenem Gusto steuert.
Fragt sich, warum wichtige Persönlichkeiten wie die Schweizer Bundespräsidentin, Bundesrätin Karin Keller-Sutter, und die meisten ihrer Amtskolleginnen und -kollegen eine zunehmend toxische Plattform mit ihrer Präsenz weiter unterstützen.
Das Perverse an der heutigen Situation in der Schweiz und allen demokratischen Staaten ist, dass es wegen der Übermacht der Plattformbetreiber keine autoritären Regierungen braucht, um die journalistische Arbeit der redaktionellen Medien massiv zu beeinträchtigen.
Die vom Bundesrat beauftragten Expertinnen und Experten, die die «Plattformmacht» der grossen Techkonzerne untersucht haben, schlugen kürzlich Alarm.
Allen voran Google, Meta, Microsoft, Apple und Amazon haben mit ihren Plattformen eine gefährliche Position erreicht. Sie binden die grosse Mehrheit der User an sich und lassen der Konkurrenz keine faire Chance.
Die Abschaffung des Wettbewerbs in wichtigen digitalen Märkten hat gravierende Konsequenzen, wie sich die Fachleute einig sind. Denn dadurch verlieren die Medien zunehmend ihre Finanzierungsgrundlage.
Dazu der deutsche Medienwissenschaftler Andree:
Die Fachleute von der Eidgenössischen Medienkommission (Emek) geben zu bedenken, dass die Medien darauf angewiesen seien, dass ihre Inhalte über Suchmaschinen und Social Media angezeigt werden. Dies, weil sich viele Nutzerinnen und Nutzer heute nicht mehr direkt bei den Medien informieren, sondern via Plattformen.
Während Redaktionen die berichtenswerten Themen und Inhalte hauptsächlich nach professionellen journalistischen Kriterien auswählen und bei fehlerhafter Berichterstattung haften, verbreiten die Social-Media-Plattformen ungestraft Lügen, Hass und Hetze.
Durch die Empfehlungsalgorithmen werden insbesondere emotionale Inhalte stark verbreitet. Die Vorstellung einer angeblichen «Neutralität» der Plattformen sei deshalb irreführend, erklärt Andree.
Medienwissenschaftler Andree findet in seiner Ende 2024 publizierten Analyse deutliche Worte, was die Bedrohung durch Facebook und Co. betrifft:
Doch das lässt sich auf politischem Weg ändern. Ja, es muss sich ändern, wie die Eidgenössische Medienkommission Emek in ihrem Bericht schreibt: Die Markt- und Meinungsmacht der grossen Techkonzerne sollte mit einer umfassenden Strategie geknackt werden.
Auch der deutsche Medienwissenschaftler Andree schlägt in seiner Analyse mit dem Titel «The Hunger Games» mehrere Massnahmen vor, um die Quasi-Monopole von Google und Co. aufzuweichen.
Ein Hauptproblem bei Social-Media-Plattformen besteht bekanntlich darin, dass die Plattformbetreiber nicht für die von den Usern generierten Inhalte haften.
Der plausible Vorschlag von Andree:
Wer «wirtschaftliche Verantwortung» für konkrete Inhalte übernehme, indem er Werbegelder kassiere, müsse auch die volle inhaltliche Verantwortung übernehmen. Dies entspräche den Bedingungen, unter denen alle redaktionellen Medien (wie watson) seit je arbeiten.
Andree erklärt, dass eine solche Regelung das aktuelle Problem lösen würde, dass die Social-Media-Plattformen unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit «nach wie vor ungestört strafbare Inhalte zu Geld machen».
Zugleich wäre durch die Regelung die Meinungsfreiheit nicht betroffen, denn nicht die Verbreitung, nur die Monetarisierung strafbarer Inhalte würde unterbunden.
Auch medienökonomisch sei die Unterscheidung zwischen herkömmlichen Medien und Social-Media-Plattformen irreführend, argumentiert Andree. Denn die Plattformbetreiber erzielten ihre Gewinne strukturell auf dieselbe Weise wie redaktionelle Medien.
Die hiesige Politik hat die Verantwortlichen, also die amerikanischen (und chinesischen) Techkonzerne, schon viel zu lange gewähren lassen – und beobachtete das Treiben scheinbar hilflos vom Spielfeldrand.
Immerhin startet nun bald die öffentliche Vernehmlassung für eine vom Bundesrat angestrebte Plattformregulierung. Ziel ist es, sich der Europäischen Union mit ihren strengeren Regeln anzunähern. Doch das wird nicht reichen, wie auch die vom Bundesrat eingesetzte Eidgenössische Medienkommission bestätigt hat.
Innerhalb der EU gilt seit 2024 der Digital Services Act (DSA), der die Konsumentenrechte stärkt. Bereits seit 2023 gilt der Digital Markets Act (DMA), der die übermächtigen Techkonzerne in die Pflicht nimmt. Doch das Grundproblem der ungleichen Spiesse bleibt dabei ungelöst. Und mit Trump als US-Präsident wird sich der politische Druck auf die EU-Kommission, die US-Plattformen davon kommen zu lassen, massiv erhöhen.
Sicher ist: Wir müssen mehr tun, wenn wir die Demokratie, wie wir sie heute schätzen, bewahren wollen.
Doch Facebook, X, Tiktok etc. habe ich nie genutzt. Was hätte ich denn davon? Diese angeblich sozialen Medien sind asozial und bei Mobbern beliebt. Reine Zeitvergeudung und Manipulation durch hinterlistige Algorithmen usw.
Verbietet sie! Ebenso Handys an Schulen. Alkohol und Tabak gibt’s schliesslich auch erst ab 18!