TikTok ist eine extrem populäre App und brandgefährlich für demokratische Gesellschaften. Die unter chinesischem Einfluss stehende Social-Media-Plattform verbreitet fast unkontrolliert Hass und Lügen und befeuert die wachsende Polarisierung der Bevölkerung.
Westliche Staaten ringen seit Jahren um einen sinnvollen Umgang mit der Eigentümerin, dem chinesischen Tech-Konzern ByteDance. Nun zeichnet sich in Nordamerika eine mehr als ungünstige Entwicklung ab.
Die kanadische Regierung hat den chinesischen Social-Media-Giganten TikTok angewiesen, seine Geschäftstätigkeit im Land bis Ende 2025 einzustellen.
Der am 6. November kommunizierte Entscheid beruft sich auf nationale Sicherheitsinteressen, respektive die Sicherheitsrisiken, die von der App ausgingen.
ByteDance, die Muttergesellschaft von TikTok, will die Anordnung vor Gericht anfechten.
Nein.
Kanadas Bevölkerung soll die populäre Kurzvideo-App weiterhin nutzen können. Die Entscheidung, eine bestimmte Social-Media-App oder -Plattform zu verwenden, sei eine persönliche Entscheidung, heisst es.
Der zuständige kanadische Minister François-Philippe Champagne erklärte, dass seine Regierung den Zugang zu TikTok nicht blockiere, dass man aber auf Anraten der nationalen Sicherheitsbehörden handle.
Nach kanadischem Recht kann die Regierung ausländische Investitionen und Geschäftsaktivitäten überprüfen und blockieren, wenn sie davon ausgeht, dass diese die nationale Sicherheit gefährden.
Bei einer Sicherheitsüberprüfung von ByteDance bestätigen sich offenbar gewisse Bedenken und dies führte zum Entscheid, die Niederlassung zu schliessen.
Industrieminister Champagne erklärte:
Details werden keine preisgegeben.
Das zu ByteDance gehörende Unternehmen «TikTok Technology Canada, Inc.» betreibt zwei Büros in Kanada, eines in Toronto und eines in Vancouver.
Bereits im Februar 2023 hatte die kanadische Regierung die Nutzung der TikTok-App auf allen von der Regierung ausgegebenen Mobilgeräten verboten.
Das ist fraglich. Unabhängige Fachleute geben zu bedenken, dass nur ein App-Verbot wirksam wäre.
Michael Geist, kanadischer Forschungsleiter für Internet- und E-Commerce-Recht an der Universität Ottawa, mahnte, dass ein Verbot des Unternehmens (und nicht der App) das Ganze sogar schlimmer machen könnte. Dadurch blieben die mit der App verbundenen Risiken bestehen, hingegen werde die Möglichkeit geschwächt, ByteDance zur Verantwortung zu ziehen.
TikTok liess über einen Sprecher verlauten, dass «die Schliessung der kanadischen Büros von TikTok und die Zerstörung von Hunderten gut bezahlten Arbeitsplätzen vor Ort nicht in jedermanns Interesse» sei. Und man werde den Entscheid vor Gericht anfechten.
Es bestehen schon lange Befürchtungen, dass China die angeblich unabhängige TikTok-App als Waffe gegen demokratische Staaten im Westen einsetzt. In China selbst ist TikTok verboten, bzw. nicht zugänglich.
Das Hauptproblem ist der massive gesellschaftliche Schaden, den TikTok anrichtet. Angekurbelt durch die auf maximale Erregung ausgerichteten Empfehlungs-Algorithmen erreichen Desinformations-Kampagnen ein Millionenpublikum. Hass und Lügen verunsichern Teile der Bevölkerung und führen letztlich zur Destabilisierung des freiheitlich-demokratischen Systems.
Besonders betroffen sind die jungen Menschen, das eigentliche Zielpublikum von TikTok. Doch die chinesische Social-Media-Plattform schadet nicht nur der psychischen Gesundheit von Teenagern. Sie dürfte auch der Spionage und Überwachung dienen.
Das autoritäre Regime in Peking kann alle chinesischen Unternehmen zwingen, Nutzerdaten an die eigenen Behörden weiterzugeben. Dies ist auf Grundlage eines chinesischen Geheimdienstgesetzes von 2017 möglich und betrifft TikTok-User überall auf der Welt.
TikTok bestreitet diese Darstellung.
Bekanntlich kämpft ByteDance derzeit mit juristischen Mitteln gegen den drohenden Zwangsverkauf oder ein Verbot seiner TikTok-App in den USA.
US-Präsident Joe Biden unterzeichnete im April ein Gesetz, das ByteDance zwingen würde, die App innert eines Jahres an ein US-Unternehmen zu verkaufen, andernfalls droht ein nationales Verbot. Doch nun könnte der Wind zugunsten des Unternehmens drehen.
Bis zum 6. Dezember entscheidet ein US-Berufungsgericht darüber, ob das entsprechende Gesetz, das von Trump öffentlich kritisiert wurde, rechtmässig ist. Letztinstanzlich könnte beim Trump-freundlichen Obersten Gerichtshof Berufung eingelegt werden.
Nach geltendem Recht würde TikTok am 19. Januar 2025 aus den App-Stores in den USA verbannt – nur einen Tag vor Trumps Amtseinführung. Sobald der neue Präsident an der Macht ist, könnte er das US-Justizministerium anweisen, das Verbot nicht durchzusetzen.
Die Lage hat sich für TikTok verbessert. Zwar hatte Trump während seiner ersten Präsidentschaft noch selbst (erfolglos) versucht, den Verkauf der App an ein US-Unternehmen durchzusetzen. Doch dann vollzog er mitten im Wahlkampf eine Kehrtwende.
US-Kommentatoren bezeichnen TikTok als bessere Plattform für die MAGA-Community als Facebook. Gegen Zuckerbergs Social-Media-Konzern hege Trump wegen der verlorenen Wahl 2020 einen erheblichen Groll.
Zudem wurde publik, dass einer der grössten US-Investoren von ByteDance den Sinneswandel Trumps beeinflusst haben könnte. Der 66-jährige Milliardär Jeff Yass, ein Republikaner, soll Trump dabei geholfen haben, dessen immense Gerichtskosten zu stemmen.
Den entscheidenden Impuls zugunsten von TikTok und gegen ein Verbot in den USA könnte letztlich Elon Musk geben. Der Techmilliardär gilt wegen seiner weitreichenden Unterstützung von Trump im Wahlkampf inzwischen bereits als «Schatten-Vizepräsident» der USA.
Musk hatte das oben erwähnte US-Gesetz, das einen Verkauf oder ein Verbot von TikTok erzwingen soll, bereits öffentlich kritisiert. Und er verfolgt mit Tesla eigene starke Geschäftsinteressen in China. Kaum jemand sei stärker vom dortigen Markt und Produktionsstandort abhängig als Elon Musk, konstatierte die britische Zeitschrift «The Spectator».
Demnach dürfte TikTok in Amerika weiter unbehelligt agieren. Es sei denn, die Chinesen erzürnen den bösartigen Narzissten, der ins Weisse Haus einzieht.
Die Europäische Union (EU) ging in den letzten Monaten hart gegen die Techkonzerne vor, die ihre Plattformen und Algorithmen so gestaltet haben, dass die User möglichst lange ans Display gefesselt werden.
Die EU ist eine der wenigen Regionen der Welt, die über ein spezielles Gesetz verfügt, das es ihr erlaubt, gegen die Betreiber grosser Plattformen vorzugehen.
Im Rahmen ihres relativ strengen Social-Media-Gesetzes, dem Digital Services Act (DSA), hat die EU-Kommission in diesem Jahr Ermittlungen gegen TikTok sowie Facebook und Instagram eingeleitet, dies wegen mutmasslich süchtig machender Empfehlungs-Algorithmen.
Im August wurde ein erster Erfolg erzielt, als TikTok einlenkte und ankündigte, auf eine umstrittene Belohnungsfunktion für «TikTok Light» zu verzichten.
Ich denke, mehr braucht man darüber nicht zu wissen...