Digital
Analyse

Apple verstärkt den Datenschutz – die Vor- und Nachteile

epa09253840 A handout photo made available by Apple showing Apple CEO Tim Cook previews powerful new privacy protections at Apple's Worldwide Developers Conference at Apple Park in Cupertino, Cal ...
Unter Tim Cook hat Apple die Datenschutz-Bemühungen erhöht. Nun macht das Unternehmen einen Spagat und will auch dank personalisierter Werbung mehr einnehmen.Bild: keystone
Analyse

Apple verstärkt den Datenschutz – diese Vor- und Nachteile sollten alle User kennen

Apple verstärkt weltweit die Datenschutz-Bemühungen. Wir müssen aber auch über das reden, was die Kalifornier nicht an die grosse Glocke hängen.
28.01.2023, 16:3730.01.2023, 07:28
Mehr «Digital»

Schön, dass du bis hierhin gelesen hast! Denn das war angesichts des Themas nicht selbstverständlich. 😅

Tatsächlich ist «Datenschutz» für die meisten Menschen nur eine Nebensächlichkeit, wenn sie sich nicht gerade über Spam-Mails und Spam-SMS ärgern.

Manche Bürgerinnen und Bürger glauben, sie hätten nichts zu verbergen und geben deshalb unbedacht ihre persönlichen Daten im Internet preis.

Andere sind sich zwar der Risiken und Gefahren bewusst, resignieren aber angesichts immer neuerer Enthüllungen zu Datenkraken wie Google und Facebook (Meta).

Dann ist da noch Apple. Die Kalifornier wissen, dass Datenschutz kein notwendiges Übel ist, sondern wertvoll: wertvoll für die User, wertvoll für das Image des Unternehmens und damit gewinnbringend für die Aktionäre. Und so hat man sich geschickt als Vorreiter positioniert, bei dem der Schutz der Privatsphäre angeblich an erster Stelle steht.

Diese Woche starten die Kalifornier eine eigentliche Datenschutz-Offensive. Der Zeitpunkt ist nicht zufällig gewählt, wie wir im Folgenden sehen. Allerdings sind da auch noch die Schattenseiten, insbesondere das Ziel des Konzerns, ein grösseres Stück vom Werbekuchen zu schnappen.

Dieser Beitrag stellt Apples neue Datenschutz-Bemühungen vor und ordnet die Marketing-Versprechen ein.

Was gibt's Neues?

Apple verstärkt die Datenschutz-Bemühungen und hat sich einiges einfallen lassen. Das Wichtigste in Kürze:

  • Kurzfilm: Diese Woche wurde ein Video (siehe unten) veröffentlicht, das den Leuten auf einfache und lustige Weise erklärt, wie ihre schützenswerten persönlichen Daten von Firmen gesammelt und missbraucht werden und wie man sich mit einem iPhone und Co. schützen kann.
  • User-Weiterbildung: Der iPhone-Hersteller bietet in seinen weltweit 522 Apple Stores neu kostenlose Workshops an, die sich um den Schutz der Privatsphäre drehen. Die Teilnehmenden sollen während der 30-minütigen Sessions lernen, wie sie die Kontrolle über ihre Daten behalten können – natürlich mithilfe von Apple-Produkten.
  • Neue Sicherheitsfunktion: Die dritte und wichtigste Neuerung ist die weltweite Einführung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für iCloud-Backups und weitere User-Daten, die auf Apple-Servern gespeichert werden.

Warum ist das wichtig?

Datenschutz ist wahrscheinlich für die meisten Leute keine Leidenschaft, sondern im besten Fall ein notwendiges Übel. Man hat im Alltag schon genug um die Ohren und will sich nicht auch noch um die entsprechenden Einstellungen auf dem Smartphone oder Tablet kümmern.

Apple ist es hoch anzurechnen, dass es die Schwelle möglichst tief anzusetzen versucht und den Usern einfache Tools zur Hand gibt, mit denen sie sich wirksam vor ausuferndem Tracking und Datenkraken schützen können.

Zur Erinnerung: Der Schutz der Privatsphäre ist ein gesetzlich verankertes Grundrecht. Wir alle haben Anspruch darauf, können uns aber nicht blind auf Versprechen verlassen. Umso wichtiger ist darum auch die Datensicherheit.

Und damit kommen wir zur oben erwähnten optionalen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der iCloud-Backups. Auch wenn es für Laien kompliziert klingt, sollte sich niemand abschrecken lassen. Das Einrichten geht einfach vonstatten. Und dann sind die wertvollsten Daten – wie zum Beispiel Familienfotos, Notizen und andere private Dateien – wirksam geschützt.

1 / 17
So aktiviert man die erweiterte iCloud-Verschlüsselung
Was ist das Wertvollste, das du auf deinem Apple-Gerät hast? Sind es Fotos, Chatnachrichten, Sprachmemos, Notizen oder andere Dateien? Und damit zur wichtigsten Frage ...
quelle: apple
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Die Open Rights Group, eine Menschenrechtsorganisation aus Grossbritannien, kommentiert:

«Verschlüsselung bietet uns allen Sicherheit. Sie schützt uns vor Cyberkriminellen und hält unsere Nachrichten privat. Wir freuen uns, dass Apple weltweit eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für iCloud-Backup-Daten, Notizen und Fotos einführt. Wir hoffen, dass andere Unternehmen ähnliche Dienste einführen werden, die die Konsumenten davor bewahren, Opfer von Betrug, Rachepornos und Erpressungsversuchen zu werden.»
quelle: mastodon

Kann ein Datenschutz-Kurzfilm wirklich lustig sein?

Ich persönlich finde schon, überlasse dir aber selbstverständlich ein eigenes Urteil.

Falls du den Streaming-Hit «Ted Lasso» noch nicht kennen solltest: Der englische Schauspieler und Komiker Nick Mohammed gibt darin eine meisterliche Darstellung. Doch nun ist er statt in der preisgekrönten Serienproduktion in einem Werbefilm des iPhone-Herstellers zu sehen.

Das fünfminütige Werk, das nicht nur auf apple.com, sondern auch beim Datenkraken Google respektive auf der Videoplattform YouTube veröffentlicht wurde, trägt den Titel:

«Ein Tag im Leben der Daten eines Durchschnittstypen»

Der aufwendig produzierte Kurzfilm (bei YouTube):

Der «Ted Lasso»-Serienstar wird im Kurzfilm von einem echten Support-Spezialisten aus einem Apple Store in Los Angeles begleitet und betreut. Ein gelungener Auftritt eines einfachen Angestellten, der hoffentlich fürstlich belohnt wurde.Video: YouTube/Apple Deutschland

Der Film zeigt, wie der Protagonist, ohne sich dessen bewusst zu sein, bei alltäglichen Aktivitäten wertvolle Informationen preisgibt. Sei dies beim Shopping, bei einer Websuche oder dem Besuch eines Restaurants. Und natürlich streicht Apple im Video die Datenschutzfunktionen hervor, die ins iPhone und weitere Geräte integriert sind, um das unerwünschte Teilen von Daten mit Dritten zu verhindern.

Warum gerade jetzt?

Am 28. Januar ist Europäischer Datenschutztag.

Dieses Datum wurde nicht zufällig gewählt: Am 28. Januar 1981 war die Europäische Datenschutzkonvention unterzeichnet worden. Seither versucht die EU-Kommission jedes Jahr, den hunderten Millionen Bürgerinnen und Bürgern Europas das Thema in Erinnerung zu rufen.

2008 schlossen sich die USA und Kanada der Initiative an und seither begeht man gleichzeitig den Data Privacy Day.

Also alles super?

Leider nein.

Apple setze seinen (guten) Ruf aufs Spiel, kommentiert der «Tages-Anzeiger» in einem aktuellen Artikel. Ausgerechnet der Konzern, der stets mit dem Schutz der Privatsphäre seiner Kundinnen und Kunden werbe, wolle das Werbegeschäft ausbauen. Ein Vorhaben, das seit 2022 bekannt ist.

Das ist an sich nichts Verwerfliches. Doch werden die kritischen Zwischenrufe immer lauter, weil Apple in seinem abgeschirmten Ökosystem Anti-Tracking-Regeln durchsetzt, die vor allem dem Unternehmen selbst nützen.

Insbesondere muss sich Apple den Vorwurf der Heuchelei gefallen lassen. Zudem drohen juristische Konsequenzen.

Der Streit dreht sich speziell um eine Datenschutzfunktion, die auch im neusten Apple-Kurzfilm angepriesen wird: ATT ist die Abkürzung für App Tracking Transparency.

Bekanntlich haben die Nutzerinnen und Nutzer in Apples App Store seit Ende 2021 die Wahl, ob sie beim Installieren einer neuen App Tracking zulassen wollen oder nicht.

Der Tagi konstatiert:

«ATT setzt durch, woran Datenschutzgesetze meist scheitern: Es gibt Menschen ein echtes Mitspracherecht. Aus Nutzersicht ist das ein Gewinn, doch das Timing macht Konkurrenz und Kartellwächter misstrauisch.»

Der Trick: Apple definiert Tracking so, dass es die eigenen Apps nicht betrifft, sondern nur die von Dritten.

  • Gemäss Apples Definition ist es Tracking, wenn ein kleiner App-Entwickler in seiner eigenen App gesammelte Userdaten mit Werbevermittlern teilt, um die Wirksamkeit von Werbekampagnen zu messen.
  • Hingegen liegt nach der Definition von Apple kein Tracking vor, wenn Apple selber über seine verschiedenen Dienste und Apps (z. B. den App Store, den Safari-Browser, Apple TV Plus, Apple Music etc.) User-Daten sammelt und mit personalisierten Anzeigen das Werbegeschäft ausbaut.
  • Dementsprechend zeigt Apple den Systemhinweis, der viele User zum Ablehnen des Trackings bringt, nicht innerhalb seiner eigenen Apps an. Auch dann nicht, wenn Daten mit Apps von Drittanbietern kombiniert werden.

Der Tagi ruft in Erinnerung, dass Tracking und personalisierte Werbung nicht per se verwerflich seien, viele Dienste und Webseiten könnten ohne Anzeigen nicht überleben. Dazu gehört übrigens auch das Newsportal watson. Entscheidend ist, dass die User eine echte Wahl haben. Das erfordert völlige Transparenz und offene Kommunikation.

Auch wenn Apple versichert, das eigene (ziemlich intensive) Sammeln von User-Daten sei kein Tracking, so geht es doch darum, möglichst gläserne Konsumentinnen und Konsumenten zu schaffen – wenn auch nur für eigene Zwecke.

Mein persönliches Fazit: Apple täte gut daran, seinen hervorragenden Ruf bezüglich Datenschutz zu wahren und seine Kundinnen und Kunden nicht für dumm zu verkaufen. Darum sollte das reichste Techunternehmen der Welt auch auf ein paar Werbemilliarden mehr verzichten.

Dies müssen sich Tim Cook und Co. schon seit vielen Jahren wegen einer fragwürdigen Kooperation mit dem Erzrivalen (von mir) anhören: Bekanntlich gibt es ein Abkommen, wonach Google jährlich weit über 10 Milliarden US-Dollar bezahlt, um als Standardsuchmaschine auf iPhones und anderen Apple-Geräten zu erscheinen. Apple verteufelt öffentlich das Tracking – und kassiert unauffällig mit.

Anzumerken bleibt, dass die nationale Datenschutzbehörde Frankreichs kürzlich eine Geldstrafe gegen den Konzern verhängt hat, weil Apple das Verhalten von iPhone-Nutzern im App Store ohne Einwilligung getrackt haben soll. Die Kalifornier haben diesen Entscheid jedoch angefochten.

Das sagt der Facebook-Schreck
Die 2018 von der Europäischen Union (EU) in Kraft gesetzte Datenschutz-Grundverordnung, kurz DSGVO, soll allen Menschen in Europa Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten zurückgeben. In der Praxis werden die User allerdings primär mit Web-Bannern und Pop-Ups belästigt, die ihnen keine Wahl lassen, ausser ja zu sagen. Das stört den vom österreichischen Juristen Max Schrems mitgegründete Verein noyb.eu, der unermüdlich gegen Datenschutzverletzungen und insbesondere auch den Facebook-Konzern Meta vorgeht.

Schrems zeigt sich ernüchtert über die Wirkung der verschärften Datenschutzbestimmungen. Seine Zwischenbilanz zur DSGVO: «Bisher mogeln sich viele Unternehmen erfolgreich durch, da es nur eine homöopathische Durchsetzung gibt. Die europäischen Versprechen der DSGVO, Datenschutz effektiv und einfach zu machen, scheitern an den nationalen Behörden in den Mitgliedsstaaten, die bisher keine effektive Durchsetzung zustande bringen.»

Quellen

Diese Storys könnten dich auch interessieren:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Apple und sein Logo
1 / 14
Apple und sein Logo
Der angebissene Apfel provoziert ... (Screenshot: androidfiguren.de)
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Russische Propaganda geht schief – Soldat verplappert sich
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
25 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Skunk42
28.01.2023 18:04registriert Februar 2022
Das heisst also, wenn ich auf Amorana mal wieder etwas suche, kriege ich nicht mehr Wochenlang Werbung für diesen Artikel..?
334
Melden
Zum Kommentar
25
Bundesrat will Handy-Warnungen im Katastrophenfall modernisieren

Der Bundesrat will die Alarmierung der Bevölkerung im Katastrophenfall modernisieren und an veränderte Gewohnheiten anpassen. Dazu baut er die Alarmierung übers Handy und andere digitale Kanäle aus. Das bisherige System mit Sirenen soll aber bestehen bleiben.

Zur Story