Die von Mitgliedern der Europäischen Kommission vorangetriebenen Pläne für eine weitreichende digitale Überwachung der Bürgerinnen und Bürger geraten zunehmend unter Druck. Es geht um die «Chatkontrolle», wie das umstrittene Projekt im Volksmund heisst.
Der Innenausschuss des Europa-Parlaments hat die zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson aufgefordert, sich zu den brisanten Recherchen mehrerer europäischer Medien zu äussern, wie netzpolitik.org am Donnerstag berichtete.
Journalistinnen und Journalisten hatten zuvor minutiös nachgezeichnet, wie sich ein mächtiges Lobbying-Netzwerk dafür einsetzt, dass in der Europäischen Union (EU) eine weitreichende digitale Überwachung eingeführt wird.
Während Jahren spannten die Verantwortlichen von IT-Firmen, Stiftungen, NGOs, staatlichen Sicherheitsbehörden und PR-Agenturen heimlich zusammen, um das milliardenschwere IT-Projekt voranzutreiben. Dies geschehe nur zum Wohl der Kinder, wie gemeinhin versichert wurde.
Tatsächlich dürften nach der Einführung einer «Chatkontrolle» zur Bekämpfung von Kindesmissbrauchs-Darstellungen auch schon bald weitere Begehren geäussert werden.
Die Recherchen zeigten, dass auch Sicherheitsbehörden an einer umfassenden digitalen Überwachung interessiert sind. Und dann läge die Ausweitung auf andere Kriminalitätsbereiche nur noch wenige Entscheidungen entfernt.
Es ist schon länger bekannt, dass der US-Schauspieler Ashton Kutcher mit seiner Organisation Thorn – von der er jüngst zurücktrat – für die EU-Chatkontrolle lobbyiert. Dank der Recherchen zeigte sich ein weit grösseres Netzwerk. Demnach existiert neben Kutcher und seinen Aktivitäten «ein ganzes Geflecht von Lobbyvereinen und Organisationen», das enge Verbindungen zur EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der EU-Innenkommissarin Johansson pflege.
Offiziell gebe sich Thorn als gemeinnützige Organisation, sie verkaufe aber mit «Safer» auch Software, die mithilfe sogenannter Künstlicher Intelligenz Darstellungen von Kindesmissbrauch (CSAM genannt) aufspüren soll.
Und die Verstrickungen reichten tiefer:
Bei WeProtect sitzen gemäss Recherche Vertreter von staatlichen Sicherheitsbehörden im Lenkungsausschuss («Board»), zu den Mitgliedern gehörten neben Vertretern von Kinderschutzorganisationen aber auch praktisch alle grossen Internetkonzerne sowie zahlreiche Regierungen.
Und dann ist da noch die Oak Foundation ...
Die Oak Foundation mit Sitz in Genf ist laut eigenen Angaben bestrebt, den Missbrauch von Kindern zu verhindern und deren Sicherheit, Schutz, Wohlbefinden und ihre Entwicklung zu fördern.
Allerdings stossen diese hehren Ziele mit der von den Verantwortlichen befürworteten, aber höchst fragwürdigen digitalen Überwachung zusammen: Wie renommierte Cybersicherheits-Fachleute und Datenschutz-Expertinnen und -Experten einhellig und unermüdlich warnen, würde ein entsprechender Überwachungs-Zwang unweigerlich zu einer Aufweichung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung führen.
Ob Threema, WhatsApp oder Signal: Die Anbieter von abhörsicheren Messenger-Diensten müssten ungewollt technische Hintertüren in ihre Produkte einbauen – und dies wiederum würde massive Sicherheitsprobleme kreieren. Oder dann wandern die Anbieter ab respektive bieten ihre sicheren Produkte nicht mehr in Europa an, so wie es die Signal-Stiftung schon mal angedeutet hatte. Dies wäre ein schwerer Verlust für die Konsumentinnen und Konsumenten.
Die Befürworterinnen und Befürworter einer umfassenden Chatkontrolle scheint das nicht abzuschrecken: Sie argumentieren mit dem Totschlagargument «Wir wollen nur das Beste für die Kinder» und gehen nicht auf begründete sicherheitstechnische und gesellschaftliche Bedenken ein.
Laut der Recherchen von BalkanInsight hat die Oak Foundation seit 2019 mehr als 24 Millionen Dollar in verschiedene Organisationen rund um die Chatkontrolle gesteckt.
Es gibt für die Verteidigerinnen und Verteidiger des Rechts auf digitale Privatsphäre aber noch einen Hoffnungsschimmer: Die von Johansson vorgeschlagene Chatkontrolle-Verordnung hat gemäss netzpolitik.org auch einen schweren Stand in den Verhandlungen des EU-Ministerrates.
Eine kleine Gruppe EU-Staaten lehne den aktuellen Gesetzesentwurf zur Chatkontrolle ab. Weil die für diesen Monat geplante Abstimmung scheitern würde, habe die spanische Ratspräsidentschaft das Thema bereits vertagt.
Sie werden kaum damit aufgehört haben. Nur gibt es jetzt noch fortgeschrittene Machine Learning Algorhytmen. Das ist eine verdammte Waffe für künftige faschistische Präsidenten. Und nun will die EU gleichziehen? Die Kinder, die sie zu schützen vorgeben werden uns in Zukunft verfluchen, wenn wir das nicht verhindern!