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E-Autos erfolgreicher: Toyota gesteht Flop bei Wasserstoffautos ein

Sportlicher Fünfplätzer: Der Toyota Mirai macht mit der Brennstoffzelle aus Wasserstoff Strom für einen Antrieb.
Der Toyota Mirai erzeugt mit der Brennstoffzelle aus Wasserstoff Strom für seinen Antrieb.Bild: CH Media
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Nichts ist unmöglich, aber selbst Toyota scheitert am Wasserstoff-Auto

Toyotas Wasserstoffauto, der Mirai, ist ein Ladenhüter. Die Japaner gestehen den Flop ein, doch der weltgrösste Autobauer gibt die Brennstoffzelle noch längst nicht auf.
02.11.2023, 11:0003.11.2023, 08:53
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Mit dem Mirai will Toyota seiner Brennstoffzellen-Technologie seit 2014 zum Durchbruch verhelfen. Doch die Wasserstofflimousine findet kaum Kundschaft. Die erste Generation des Mirai erreichte weltweit nie mehr als 2000 verkaufte Einheiten pro Jahr. Zur Einordnung: Toyota verkauft jährlich rund 10 Millionen Autos.

Die Japaner wagen seit 2020 einen zweiten Versuch, doch auch die Neuauflage kann keine nennenswerten Verkäufe generieren. Nun gesteht der weltweit grösste Autohersteller den Fehlschlag ein: «Wir haben den Mirai ausprobiert, waren aber nicht erfolgreich», sagte Toyotas Chief Technology Officer Hiroki Nakajima gegenüber dem britischen Auto-Magazin «Autocar».

Es gebe schlicht zu wenig Wasserstoff-Tankstellen, um mit dem Mirai hohe Verkaufszahlen zu erreichen, und der Aufbau eines neuen Tankstellen-Netzes sei komplex.

Tanken an einer der momentan elf Wasserstoff-Tankstellen in der Schweiz. Das Netz wird weiter ausgebaut.
In der Schweiz gab es Anfang 2023 nur zwölf Wasserstoff-Tankstellen. Bild: CH Media

Ein Blick in die Statistik spricht Bände: Anfang 2023 gab es in der Schweiz zwölf Wasserstoff-Tankstellen. Diesen standen 4300 öffentliche Ladestandorte (E-Tankstellen) mit mehr als 9000 Ladestationen für Elektroautos gegenüber. Dazu kommt, dass E-Autos bequem und vergleichsweise günstig zu Hause oder am Arbeitsplatz geladen werden können, viele E-Auto-Fahrer also nur sporadisch auf öffentliche E-Tankstellen angewiesen sind.

Wasserstoff-Autos sind auch in der Schweiz chancenlos.

Toyotas Problem: Kaum jemand investiert in ein weiteres Tankstellen-Netz für Brennstoffzellen-Autos, wenn sich der Siegeszug der E-Autos längst abzeichnet. Die EU will zwar bis 2030 alle 200 Kilometer eine Wasserstoff-Tankstelle entlang der wichtigsten Autobahnen, von einem flächendeckenden Netz ist man aber meilenweit entfernt.

Ohne leicht zugängliche Betankungsmöglichkeiten verpufft das Interesse an Wasserstoff-Autos, die im Grunde Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzelle samt Wasserstofftank sind.

2022 wurden in der Schweiz gerade mal 72 Personenwagen mit Wasserstoff-Antrieb verkauft, darunter dürften nur sehr wenige private Käufer sein. Im gleichen Zeitraum wurden bei uns 40’173 batterieelektrische E-Autos neu zugelassen, was einem Marktanteil von 18 Prozent entsprach.

Zu teuer und ineffizient

Die fehlenden Wasserstoff-Tankstellen sind nur ein Teil des Problems: Selbst wenn es irgendwann ein dichtes Netz geben würde, wären die Tankkosten für Private höchstwahrscheinlich viel zu hoch, da die Herstellung, Verteilung und Umwandlung von (grünem) Wasserstoff in Strom sehr energie- und kostenintensiv ist. Denn: Zunächst wird mit viel Energie der Wasserstoff erzeugt, aus dem im Auto wieder Strom entsteht. Bei jedem dieser Schritte gibt es hohe Effizienzverluste. Vieles spricht daher dafür, den knappen erneuerbaren Strom für E-Autos zu nutzen, die weit effizienter fahren.

Sauber wäre der Wasserstoff-Antrieb, sofern seine Energie sauber gewonnen würde. Aber effizient ist er nicht: Für 100 km mit dem Pkw braucht ein E-Auto viel weniger Energie als ein Wasserstoff- oder V ...
Sauber wäre der Wasserstoff-Antrieb, sofern seine Energie sauber gewonnen würde. Aber effizient ist er nicht: Für 100 km mit dem Pkw braucht ein E-Auto viel weniger Energie als ein Wasserstoff- oder Verbrenner-Auto mit synthetischem Kraftstoff.

Das andere Problem: Derzeit scheitert das Wasserstoffauto bereits am Preis. Der Mirai kostet rund 70'000 Franken. Toyota will die Kosten reduzieren und Nakajima bekräftigte, dass man die Brennstoffzelle in Personenwagen nicht aufgeben werde. Einfacher wird es aber auch künftig nicht: Die Konkurrenz wird schon bald bezahlbare E-Autos um die 25'000 Franken auf den Markt bringen.

Neue, günstigere Akku-Generationen mit schnelleren Ladezeiten sind wohl der nächste Sargnagel für den Wasserstoffantrieb im Personenwagen.

Toyota setzt weiter auf Wasserstoff

In Europa, Nordamerika und insbesondere in China setzt sich das Elektroauto durch. Die Japaner wollen trotzdem am jahrelang entwickelten Brennstoffzellen-Antrieb mit Wasserstoff als Energiequelle festhalten.

Man sehe gute Chancen für die Brennstoffzelle in Nutzfahrzeugen, heisst es. Toyota will daher verstärkt wasserstoffbetriebene Lastwagen produzieren. «Für mittelgrosse Lkw ist es einfach, [ein Betankungsnetz] zu errichten, da die Fahrten hauptsächlich von A nach B gehen», sagte Nakajima. Nutzfahrzeuge seien daher der wichtigste Bereich, in dem man versuchen werde, mit Wasserstoff voranzukommen.

Dass Toyota bei der Brennstoffzelle verstärkt auf Nutzfahrzeuge setzt, hat einen weiteren Grund: Schwere Akkus sind eine Hürde für rein elektrische Nutzfahrzeuge, da die Fahrzeuge so aufgrund der gesetzlichen Gewichtsbeschränkungen weniger Waren befördern können. Die Schweiz hat darum das zulässige Gewicht für grosse Nutzfahrzeuge mit alternativem Antrieb erhöht, um klimafreundlichere Lastwagen zu fördern. Seitdem legen batterieelektrische Liefer- und Lastwagen sprunghaft zu, allerdings noch auf sehr tiefem Niveau. Von Anfang bis Mitte 2023 wurden bei uns 1564 E-Lieferwagen neu zugelassen – und 1 Lieferwagen mit Wasserstoffantrieb.

Toyotas Brennstoffzelle wird wohl auch in Nutzfahrzeugen und grossen Lastwagen kein Selbstläufer. Gemäss dem Wirtschaftsmagazin «Forbes» setzten 2022 von 25 Anbietern von «Zero Emission Trucks» 20 primär auf die Batterie als Energiespeicher und 5 auf Wasserstoff. Die Zulassungszahlen verdeutlichen diesen Trend: Im letzten Jahr wurden bei uns nebst 159 E-Lastwagen lediglich 27 mit Erdgas und drei mit Wasserstoff zugelassen.

Wissenschaft sieht für Wasserstoff-Fahrzeuge schwarz

Auch eine neue Studie der ETH Zürich gibt Toyotas Wasserstoffstrategie wenig Kredit. Die Forscherinnen und Forscher schreiben darin: «Berücksichtigt man alle Kosten über die gesamte Lebensdauer, sind in vielen europäischen Ländern batteriebetriebene Kleintransporter und mittelschwere Lastwagen bereits heute günstiger als Diesel-Lkw». Bei den schweren Lkw sieht die Sache allerdings anders aus. Diesel und Flüssigerdgas sind laut Berechnungen der ETH weltweit weiterhin die günstigsten Treibstoffe, Wasserstoff die teuerste Option.

Eine Ausnahme ist die Schweiz. Da Diesel-Lkw-Fahrten mit der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) verteuert werden, sind bei uns schwere Lastfahrzeuge, die mit Batterien oder Wasserstoff angetrieben werden, schon jetzt konkurrenzfähig. Wasserstoff-Lkw benötigen aber etwa dreimal so viel erneuerbaren Strom wie batteriebetriebene Lkw. Die Betriebskosten sind deutlich höher, weil bei der Herstellung, Verteilung und Umwandlung von grünem Wasserstoff in Strom viel Energie verloren geht.

So funktioniert eine Wasserstoff-Brennstoffzelle
grafik: t-online

Schon 2021 kamen auf Ökobilanzen spezialisierte Forscher aus der Schweiz, Deutschland und Österreich zum Schluss, dass Wasserstoff und darauf basierende Brennstoffe für Autos oder Gebäudeheizungen zu ineffizient, zu teuer und die Verfügbarkeit zu unsicher sei. Kraftstoffe aus Wasserstoff sollten daher auf diejenigen Anwendungen beschränkt werden, die kaum elektrifizierbar sind, etwa Langstreckenflüge.

Toyotas Plan B

Toyotas Festhalten am Wasserstoffauto mag für uns schwer nachvollziehbar sein. In Japan sind Regierung, Autohersteller und Energiewirtschaft aber seit Jahren überzeugt, dass Wasserstoff die Zukunft ist. Mit staatlichen Subventionen könnte Toyotas Strategie also zumindest im Heimmarkt doch noch aufgehen.

In this photo taken Monday, Nov. 17, 2014, a fuel cell charge station worker demonstrates how to charge hydrogen to a Toyota Motor Corp.'s new fuel cell vehicle Mirai at a charge station near Toy ...
Technologie mit Hürden: Ein Auto in Japan wird mit Wasserstoff betankt.Bild: AP/AP

Für den internationalen Markt hat man einen Plan B: 30 E-Auto-Modelle will Toyota bis 2030 lancieren. Bislang ist davon aber wenig zu sehen und die bisherigen Modelle können nur bedingt überzeugen. Ähnlich wie europäische Autohersteller geht der Konzern daher Kooperationen mit chinesischen E-Autoproduzenten ein, in der Hoffnung, so vom chinesischen E-Auto-Boom profitieren zu können. Am Dienstag kündigte Toyota zudem an, 8 Milliarden Dollar in eine neue Batteriefabrik in den USA zu investieren.

Aktuell ist Toyota bei den E-Auto-Verkäufen weit abgeschlagen. Deshalb geht oft vergessen, dass die Japaner seit mehr als 25 Jahren Erfahrung mit elektrischen Antrieben und Batterietechnologie sammeln.

Dass Toyota in einigen Jahren auch bei reinen Elektroautos das Feld von hinten aufrollt, kann daher nicht völlig ausgeschlossen werden. So wollen die Japaner bis 2028 Festkörperakkus für E-Autos in Serie produzieren. Sie sollen Reichweiten bis 1200 Kilometer ermöglichen und die Ladezeit halbieren.

Doch selbst wenn Toyota das Kunststück gelingen sollte, wären diese Akkus noch für viele Jahre viel zu teuer für den Massenmarkt. Nakajima stellte denn auch klar, dass die Akkus zunächst nur in Luxus-Autos Einzug halten werden.

Die Japaner legen sich daher weiterhin auch für ihre Hybrid- und Wasserstoffautos sowie durch synthetische Brennstoffe angefeuerte Verbrennungsmotoren ins Zeug. Wirtschaftlich zahlt sich das Festhalten am Hybridantrieb bislang aus. Toyota hat am Mittwoch nach starken Geschäftszahlen seine Gewinnprognose auf ein Rekordniveau nach oben geschraubt. Die Umsatzrendite ist nun höher als bei Tesla und der Aktienkurs nahe am Allzeithoch. Die Aktionäre glauben an Toyotas Multi-Antriebsarten-Strategie – Mirai-Flop hin oder her.

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75 Kommentare
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Voraus denken!
02.11.2023 12:24registriert März 2022
Wer nur ein ganz klein wenig Ahnung von Physik hat oder zumindest Rechnen kann (Wirkungsgrad ist doch wirklich einfach zu verstehen!) wusste von Anfang an, dass Wasserstoff keine Alternative zum Verbrennen geschweige den zu EV ist.

Lustig war aber, dass die Petrolköpfe sofort auf den Wasserstoff aufmerksam wurden als sie hörten, dass dort "etwas verbrannt" wird.

Keiner dieser Ewiggestrigen hat verstanden, dass aus Wasserstoff im Auto Strom wurde und dieser dann einen E-Motor angerieben hat.

Nur ganz wenige Motoren sollten Wasserstoff verbrennen und direkt als Antrieb genutzt werden.
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