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Blogrebellen schimpfen: «Facebook ist ein asoziales Netzwerk» – warum sie total daneben liegen

Facebook wird noch lange Teil unseres Alltags bleiben.
Facebook wird noch lange Teil unseres Alltags bleiben.
Bild: DADO RUVIC/REUTERS

Blogrebellen schimpfen: «Facebook ist ein asoziales Netzwerk» – warum sie total daneben liegen

Ein einflussreicher Blogger erklärt Facebook für tot. Es gäbe kaum noch menschliche Inhalte. Dabei gibt es sie wie eh und je – sie sind nur selbstverständlich geworden.
30.09.2015, 18:0430.09.2015, 18:31
Roman Rey
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An einem unscheinbaren Nachmittag um 15 Uhr platzt Flodoard Quolke der Kragen: «Mir ist eines klargeworden: Facebook ist schon lange kein soziales Netzwerk mehr», schreibt er in einem Beitrag auf Blogrebellen.de, der im Netz heftig diskutiert wird.

Zu dem Schluss kam der Blogger, nachdem er die Probe aufs Exempel gemacht hatte: Er hat sich 100 Beiträge in seinem Newsfeed angesehen, davon seien gerade mal vier «von echten, mir persönlich bekannten Menschen verfasst und veröffentlicht». Die restlichen 96 Prozent seien «News, Werbung, Artikel, Zeugs, professionelle Inhalte».

Das Fazit: 

«Mit dem Medium, dem ich vor fast einem Jahrzehnt zum Zweck der zwischenmenschlichen Interaktionen beigetreten bin, hat diese blaue Contentschleuder nichts mehr zu tun.»

Flodoard Quolke stellt «drei Thesen zum Ende des grössten sozialen Netzwerks der Welt» auf:

  • Es gibt immer mehr eine Marktlücke für einen sozialen Feed-Reader mit einem Filter, der wirklich funktioniert.
  • Es gibt mehr denn je eine Marktlücke für ein soziales Netzwerk, das nicht durch Unternehmen unterwandert ist.
  • Die Benutzer auf Facebook werden wegen des fehlenden sozialen Faktors immer mehr die aktive Teilnahme verweigern.

Facebook lebt von Menschlichkeit

Dass die Leute ihre Selfies lieber auf Instagram posten, mag sein. Das heisst jedoch nicht, dass deswegen jegliche Menschlichkeit von Facebook verschwindet. Sie zeigt sich in Formen, die wir gar nicht mehr richtig wahrnehmen, weil sie so alltäglich geworden sind.

Soziale Bewegungen

Facebook hat sich zu einer unglaublich wertvollen Plattform für Grassroots-Bewegungen gemausert.

In ganz Europa organisieren Aktivisten Hilfe für Flüchtlinge in Facebook-Gruppen. In der Schweiz haben Seiten wie Tsüri HilftAction From Switzerland oder Kinder auf der Flucht bereits Tausende Mitglieder. Diese Gruppen entstehen ohne formelle Strukturen, und nirgends ist es so einfach, Gleichgesinnte zu finden, wie auf Facebook.

Flashmobs

Auch Flashmobs gäbe es in dieser Form wohl ohne Facebook nicht: Diese Spontan-Aktionen können einen reinen Spass-Hintergrund haben, aber oft geht es um politische oder soziale Anliegen. Im Frühling versammelten sich in Zürich hunderte von Menschen und liessen Seifenblasen steigen, um Solidarität mit Gunnar Jauch zu demonstrieren, der für seine Seifenblasen-Kunst gebüsst werden sollte.

Stories aus dem Leben

Und was ist mit den bewegenden Posts, in denen Menschen ihr Schicksal teilen und die sich wie ein Lauffeuer verbreiten? Klar, wir interagieren vielleicht nicht direkt mit diesen Leuten, aber solche Geschichten bringen uns einen Menschen am anderen Ende der Welt ein bisschen näher.

15 Millionen Menschen aus aller Welt folgen der Seite Humans of New York des Fotografen Brandon Stanton und erhalten jeden Tag intime Einblicke in das Leben der Grossstädter. Jetzt ist Stanton in Europa unterwegs und verleiht Flüchtlingen eine Stimme.

Das Netzwerk ist so gross wie nie

Facebook hat noch lange nicht als wichtigstes soziales Netzwerk ausgedient. Nur weil es nicht mehr neu und aufregend ist, ist es noch lange nicht dem Tod geweiht.

Eine Untersuchung des «Pew Research Center» vom August brachte zutage, dass 72 Prozent der erwachsenen Internetnutzer ein Facebook-Konto haben. 70 Prozent von ihnen loggen sich täglich ein – bei Twitter sind es gerade mal rund ein Drittel.

Andere soziale Medien wie Instagram und Snapchat werden bei den Jungen immer wichtiger – jedoch nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung von Facebook. Teenager geben zwar in Umfragen an, dass Facebook nerve, sie nutzen das Netzwerk aber trotzdem. Wie «Pew» herausfand, sind 71 Prozent der Jugendlichen zwischen 13 und 17 Jahren auf Facebook. Auf Instagram sind nur 52 Prozent.

Wir sind für unseren Feed verantwortlich

Dass im Newsfeed des Bloggers Flodoard Quolke nur Müll auftaucht, ist nicht die Schuld von Facebook – und es ist auch kein Beweis dafür, dass sich normale Menschen auf Facebook nicht mehr betätigen. Der Algorithmus speist sich aus dem Lese- und Kommentierverhalten der User.

Für das Problem gibt es eine einfache Lösung: radikales Ausmisten. Wer Seiten, von denen man nichts wissen will, nicht mehr folgt, bekommt auch keine Updates mehr (mit Ausnahme von gesponserten Inhalten, doch sogar die kann man beeinflussen). 

Um wieder mehr Menschlichkeit auf Facebook zu haben, hilft es auch, mehr mit Menschen zu interagieren: Posts von Freunden kommentieren und liken – so wird Facebook automatisch mehr menschliches ausspucken. Das Netzwerk ist immer nur so sozial wie wir es sind.

Wie seht ihr das, liebe User? Sind die Zeiten von Facebook als soziales Netzwerk vorbei? Oder ist es menschlicher denn je? Lasst es uns in der Kommentarspalte wissen.
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