Mia, wann hast du mit Streamen angefangen?
Mia Rose: Ich streame seit knapp vier Jahren. Das macht mich zur dritt- oder viertlängst streamenden Frau auf Twitch. Ich hätte es vielleicht schon früher gemacht, aber damals wusste ich noch gar nicht, dass es sowas überhaupt gibt und jetzt ist es riesig. Das ist grossartig.
Wie bist du zum Streamen gekommen?
Jemand erzählte mir, es gäbe da diesen bekannten Streamer namens Towelliee Er war ein grosser Fan meiner früheren Arbeit. Er bot mir einen Platz auf seinem Kanal an und als er mich sah, machte er sich sprichwörtlich in die Hose. Er war so glücklich. Und wollte mich sofort seinem Kumpel Athene vorstellen. Und ich so: «Du meinst der beste Paladin der Welt» [In «World of Warcraft», Anm. d. Red.]?
Eine Woche später hatte ich ein Flugticket nach Belgien. Kurz vor der Abreise bekam allerdings mein Vater den Bescheid, dass sein Krebs wieder aufgetaucht sei, also besuchte ich ihn im Spital. Aber er meinte nur: «Du musst dahin gehen. Es ist das, was du willst. Ich werd schon wieder». Also bin ich nach Belgien geflogen und hatte eine super Zeit mit Athene. Er fragte mich, warum ich das nicht hauptberuflich mache. Ich hatte keine Ahnung, dass man von so was Leben konnte. Und nun ist dank Towelliee und Athene Streamen mein Beruf geworden.
Hast du dich schon immer für Games interessiert?
Absolut. Ich spiele, seit ich einen Controller halten kann. Das höre ich übrigens von allen Frauen, die spielen. Wir scheinen nur weniger darüber zu reden. Das ändert sich nun aber langsam. Es ist, als ob man sich outen würde.
Was war dein erstes Spiel?
Ich glaube «Final Fantasy II», aber dann habe ich zu den älteren «Zeldas» gewechselt. Erinnerst du dich noch als «Final Fantasy» praktisch nur aus kleinen Quadraten bestand? Das war doch eigentlich völlig bescheuert. Aber es hat extrem viel Spass gemacht. Danach habe ich alle «Zeldas» mit meinem Vater zusammen gespielt. «Chrono Cross», «Chrono Trigger», «Secret of Mana». Alle «Final Fantasy» bis zu «X-2».
Bevor ich nach Los Angeles zog, hatte ich noch nie ein PC-Game gespielt. Aber dann habe ich einen Typen kennengelernt, der an der «Whorecraft»-Serie [Eine von «World of Warcraft» inspirierte Porno-Reihe, Anm. d. Red.] gearbeitet hatte. Er ist mittlerweile selbst ein Streamer. Daher war dann auch «World of Warcraft» mein erstes PC-Spiel. Mittlerweile gibt es von mir sogar eine Spielfigur im Game.
Vor Twitch und alledem warst du in einem ganz anderen Geschäftsfeld tätig, nämlich im Porno-Business. Wie kam es dazu?
Es war reiner Zufall. Man hat mich auf Myspace entdeckt. Es war einfach eine weitere Phase in meinem Leben, die mich schliesslich dahin geführt hat, wo ich jetzt bin und das war ja auch schon ein Zufall. Es scheint, als stolpere ich zufällig von einer Karriere zur nächsten. Ich wusste nie so recht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte und als ich nach L.A. kam, gefiel es mir so gut, dass ich eine Woche später hinzog. Seither lebe ich hier.
Wieso hast du mit Pornos aufgehört?
Ich habe wegen jemandem aufgehört. Ich hab mich verliebt und wir waren fünf Jahre zusammen. Aber es war nicht das Richtige. Das Porno-Geschäft war aber sowieso am Ende. Mit dem Internet und den Raubkopien war es eine gute Zeit, um aufzuhören.
Wie lange hast du Pornos gedreht?
Rund zwei bis drei Jahre. Frauen haben eine wesentlich kürzere Lebensspanne im Pornogeschäft als Männer.
Hast du direkt von Pornos zum Streamen gewechselt?
Ich habe eine Zeit lang gemodelt und hatte genug Erspartes, um eine Weile davon leben zu können. Aber ja, im Prinzip bin ich vom Porno-Geschäft direkt ins Streaming-Business gerutscht. Ich hätte nicht erwartet, wie sehr mich die Leute hassen werden, für das, was ich vorher getan habe. Sie taten so, als hätte ich ihren Hund getötet. Es ist nicht fair, aber ich kann damit leben.
Wie reagieren deine Zuschauer, wenn sie herausfinden, dass du Pornos gedreht hast?
Die meisten wissen es bereits und das ist der Grund, warum sie zuschauen oder sie finden es heraus und haben kein Problem damit. Dann gibt es noch solche, die hören von mir und versuchen mich zu trollen, aber da greife ich schnell ein. Ich moderiere meinen Chat ziemlich streng. Meine User wissen sich darum zu benehmen und sind auch ziemlich loyal. Ich erlaube es Menschen nicht, sich so daneben zu benehmen. Es ist unfair, jemanden so zu verurteilen.
So ist das leider teilweise mit den Internet-Usern ...
Die meisten sind eigentlich ziemlich clever, aber es gibt auch Idioten und hinter ihrer Tastatur fühlen sie sich sicher.
Hast du das Gefühl, dass du von deiner Porno-Vergangenheit profitierst?
Ich denke schon. Mir ist klar, dass Porno der Grund ist, dass ich in der Game-Branche so schnell so bekannt wurde. Aber ich habe nie versucht, Pornos zu vermarkten oder sowas. Im Gegenteil. Ich hatte zahlreiche Begegnungen mit Sponsoren, die mich ablehnten wegen meiner Vergangenheit. Das ist eine Hürde, die ich jedoch ziemlich schnell überwinde. Aber es hat mich lange Zeit ziemlich runtergezogen und traurig gemacht, dass mich die Menschen verurteilen, nur weil ich Sex vor der Kamera hatte. Aber ohne dieses Kapitel wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Ich hätte nicht die Menschen getroffen, die mir den Einstieg in das PC-Game-Geschäft ermöglicht haben. Das verdanke ich Pornos.
Wie wird man als weibliche Streamerin behandelt? Die überwiegende Mehrheit besteht ja aus Männern.
Es gibt ziemliche viele Mädels, aber sie halten nicht lange durch, weil die Leute gemein zu ihnen sind. Es ist wirklich krass, wie grausam die Menschen gegenüber Frauen auf Twitch sind. Wenn du kein dickes Fell hast, machst du es nicht lange. Es gibt nur wenige Frauen, die schon lange auf Twitch sind.
Glaubst du, die Personen, die euch beleidigen, sind mehrheitlich Jugendliche?
Oh Gott, das hoffe ich. Wenn du älter wirst, verstehst du mehr vom Leben und sagst nicht mehr solche Sachen. Du beurteilst die Menschen für das, was sie sind. Wenn du nicht gerade ein Axtmörder oder so bist, finde ich, hast du eine Chance verdient.
Liegt wohl auch daran, dass Streamen bei Jugendlichen am populärsten ist.
Momentan ist das noch so. Aber Streamen ist die am schnellsten wachsenden Industrie. Es ist verrückt wie schnell Twitch wächst.
Wie sieht dein Durchschnittsuser aus?
Schwer zu sagen, jeder kann sich verstellen. Aber ich denke so Mitte 20 und männlich. Ich habe auch sehr viele weibliche Zuschauer. Das ist cool. Ich bekomme oft E-Mails von Frauen, wie: «Ich bin beeindruckt, dass du so lange durchhältst. Bei all dem Mist, den du dir anhören musst. Du musst ziemlich dicke Eier haben.» (Lacht)
Kennst du viele andere Streamer?
Ich kenne fast alle.
Wie gut seid ihr befreundet?
Wir sind einfach Kollegen. Was Twich-Streamer nicht begreifen ist, dass wir viel weiter kommen würden, wenn wir uns als Freunde sehen und zusammenarbeiten, statt das Ganze als grossen Wettkampf zu betrachten.
Du machst keinen Hehl daraus, dass du aus deinem Aussehen Profit schlägst. Schadet dir das auch? Nehmen dich die User weniger ernst deswegen oder behaupten, du seist kein echter Gamer?
Das höre ich häufig: «Du bist kein echter Gamer, weil du hübsch bist». Aber die haben mich noch nie früh am morgen gesehen (lacht). Ich finde es völlig ok, dass ich von meinem Aussehen profitiere. Terra Babkock ist durch und durch eine Gamerin. Sie spielt professionell «Magic The Gathering» und muss sich ständig die schlimmsten Sachen anhören, nur weil sie grosse Brüste hat und modelt. Es ist doch völlig bescheuert, wenn man glaubt, wir manipulieren leichtgläubige Männer mit unserem Aussehen, damit sie uns ihr Geld nachwerfen.
Dennoch hat Twitch im letzten Oktober eine neue Regelung eingeführt, die es verbietet, nackt oder in anzüglicher Kleidung zu streamen.
Soll ich dir sagen, weshalb sie diese Regelung eingeführt haben? Wegen den Männern! Und zwar den Transvestiten. Einer hat regelmässig in Reizwäsche «getwerked».
Also lag es gar nicht an Frauen mit zu tiefem Ausschnitt?
Es hatte überhaupt nichts mit Ausschnitt zu tun. Die Regelung bezog sich auf Dessous. Es hiess, dass man nicht mehr oben ohne streamen dürfe. Was schade ist, denn ich habe auch ein paar halbnackten Männern zugeschaut, die das nun leider nicht mehr dürfen. Wir Frauen wurden dagegen als Twitch-Schlampen beschimpft, aber das ist mir egal. Ich ziehe einfach die Kleider an, die gerade sauber sind. Die Leute sollen aufhören auf Frauen rumzuhacken, die grosse Brüste haben oder tiefgeschnittene T-Shirts tragen. Ist es falsch anzuziehen, was man möchte?
Im Internet reden die Menschen gerne so, wie ihnen der Schnabel wächst.
Die Leute sollten erst mal lesen lernen. Ich weiss ganz genau, als diese Regelung herauskam und es war ein ziemlicher Brüller, denn mich hat es in keinster Weise betroffen.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag von dir aus?
Eher Arbeitsnacht. Ich hasse es abends zu arbeiten, aber dann habe ich die meisten Zuschauer. Ich streame von 17 bis 2 Uhr morgens. Ich versuche dann so schnell wie möglich ins Bett zu kommen, aber das klappt nicht immer. Oft bin ich bis 8 Uhr wach und schlafe anschliessend den ganzen Tag. Und dann fängt alles wieder von vorne an.
Und das machst du fünf oder sieben Tage die Woche?
Früher schon, aber es wird extrem anstrengend. Momentan streame ich vier, fünf Tage die Woche.
Hast du einen genauen Zeitplan?
Montag und Mittwoch habe ich frei und kann streamen, falls ich Lust habe. Und von Donnerstag bis Sonntag bin ich dann wieder online.
Wie lange glaubst du, kannst du diesen Job weitermachen?
Ich werde so lange streamen, wie ich streamen kann (lacht). Ich will nicht damit aufhören. Das ist mein Leben. Ich habe es immer geliebt zu spielen und solange ich dafür bezahlt werde, werde ich weiterspielen.
Aber wird es nicht immer schwieriger, mit der ständig wachsenden Zahl von Streamern?
Darum streame ich abends. Die grossen Streamer sind dann meist nicht mehr online, dafür ist meine Community am Start. Und viele neue Streamer können mit den Beleidigungen ohnehin nicht umgehen und verschwinden meist schnell wieder. Die Fluktuation ist wahnsinnig hoch.
Wie hat sich das Streamen in den letzten Jahren verändert?
Ich verdiene jeden Monat mehr (lacht). Früher hatte ich 1500 bis 2000 Zuschauer. Heute habe ich weniger, dafür verdiene ich mehr. Keine Ahnung wie das geht, aber mir soll’s recht sein.
Hast du die Übernahme von Twitch durch Amazon irgendwie gespürt?
Ich bekomme weniger Geld für Werbeeinblendungen, aber das könnte auch an Adblock liegen. Adblock nervt tierisch, aber was soll ich sagen: Ich benutze ihn selber. Wir sind alle selbst daran Schuld, dass wir unsere Einnahmen zerstören. Aber ich hasse einfach Werbung.
Was hältst du von Youtubes Twitch-Konkurrent Youtube Gaming?
Keine Ahnung. Ich werde sicher nicht wechseln. Ich werde einfach weiterhin meine Videos bei YouTube hochladen. Ich hab da ohnehin nie viel Geld verdient. Ich glaube auch nicht, dass es jetzt einen riesige Verschiebung zu Youtube gibt. YouTube hat einfach nicht die gleiche Dynamik wie Twitch und das wird sich auch nie ändern.
Seit wann kannst du vom Streamen leben?
Ich habe es ein paar mal vergeblich Vollzeit versucht, aber ich verdiente einfach zu wenig. Ich hatte zwar viele Zuschauer, aber es zahlte sich nicht aus. Mittlerweile sind meine Zuschauerzahlen ok, aber meine Fans sind sehr loyal und spenden so viel, dass ich gut davon leben kann.
Mit was verdienst du am meisten Geld?
Spenden sind meine Haupteinnahme-Quelle. Vor Adblock konnte ich von meinen Abonnenten gut leben und dann ist Adblock gekommen und hat mich komplett über den Tisch gezogen. Daher verdiene ich nur noch wenig mit Twitch direkt. Vielleicht sollte ich mir Googles Angebot doch mal genauer anschauen. Möglicherweise kann ich ja beide benutzen.
Wie viel verdienst du im Monat?
Das würdest du jetzt gerne wissen (lacht). Dazu mache ich keine Angaben.
Mia Rose findet ihr auf Twitch und YouTube. Zu ihren engeren Kollegen gehören omfgmeow und DezSecretAgent.
Vorab, ich selbst schaue keine Streams, bin so gut wie nie auf Twitch und schaue auch keine Let's-Play's, da ich es generell selbst vorziehe zu spielen, als anderen Leuten dabei zuzuschauen.
Aber das Echo der Comments hier klingt so, als verurteilt ihr Frauen (vor allem mit grosser Oberweite) die Streamen wollen. Lasst sie doch, müsst ihr ja nicht schauen. Ausserdem muss man auch kein Pro-Gamer sein oder das Game in- und auswendig kennen um zu Streamen. Es geht drum die Leute zu unterhalten die zuschauen wollen oder etwa nicht?